Auf einen Blick:
- Kann das Internet der Dinge auch Handwerkern nutzen? Klar doch! Diese Unternehmer beweisen es mit ihren Ideen.
- Auf dem Hackathon in Koblenz bauen Handwerker Prototypen für Sensorsysteme, die sich in ihren Gewerken einsetzen lassen. Unterstützung geben Programmierer sowie Digitalisierungsberater der Handwerkskammern.
- Am Ende des 1,5-tägigen Workshops leuchteten die vielen kleinen Geräte auf den Tischen der Handwerker. Sie können Daten wie Druck, Temperatur und Feuchtigkeit messen und so verarbeiten, dass es den Betrieben nutzt.
Hackathon. Was für ein Wort! Das klingt groß, geheimnisvoll und respekteinflößend. Zu Recht! Normalerweise, erklärt Digital-Stratege Christoph Krause, treffen sich auf solchen Programmierer-Marathons nur IT-Profis, denken sich geniale Sachen aus und setzen die direkt um.
Doch was hat das mit Handwerk zu tun? Es ist Donnerstagvormittag, zehn Uhr in Koblenz. Und statt einem Haufen Computergenies haben sich in lockerer Runde zwei Dutzend Männer und Frauen mit ganz verschiedenen Fähigkeiten versammelt: Hier sitzen begeisterte Handwerker neben handwerksnahen Industriepartnern. Dazu gesellen sich mehrere Digitalisierungsexperten der Handwerkskammern, diverse Boxen feinster Computer-Hardware – und drei Programmierer. Ziel: Prototypen für Handwerker-Sensorik entwickeln. Das Handwerk erobert das Internet of Things (IoT), das Internet der Dinge! So gestaltet es die digitale Revolution mit. In eineinhalb Tagen?
Hackathon mit Handwerkern – kann das was werden?
„Ob es ein Erfolg wird, wissen wir nicht“, sagt selbst Christoph Krause offen in die Runde. Krause ist Projektleiter des Schaufensters Prozessdigitalisierung an der Handwerkskammer Koblenz und hat den Hackathon ins Leben gerufen. Noch weiß er nicht, dass er 24 Stunden später sagen wird: „Was die Handwerker hier geschafft haben, ist Wahnsinn! Super!“ Er wird das inmitten eines Raumes sagen, den jegliche Ordnung verlassen hat. Die Tische voll mit Laptops, Tablets, Kartons und Zetteln. Die Teilnehmer von Augenringen gezeichnet, überall leuchten die Dioden kleiner Computer. Das ist Hackathon im Handwerk! Und es funktioniert!
Doch bevor sich die Handwerker auf die teure Hardware stürzen dürfen, bekommen sie einen Crashkurs in IoT-Entwicklung. Das fängt einfach an: „Was wollt ihr erreichen?“, fragt Patrick Nitschke vom Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik der Universität Koblenz-Landau die Teilnehmer. Nitschke gehört zu den IT-Experten der Uni, beschäftigt sich nicht nur mit dem Internet der Dinge, sondern auch damit, wie es Unternehmen verändert. Mit verschiedenen Leitfragen bringt er die Betriebe auf die richtige Spur für ihre IoT-Entwicklung. Dabei wird schnell klar, dass es bis zum marktfertigen Produkt viele harte Nüsse zu knacken gibt. Ein paar davon:
- Welche Daten müssen gemessen und errechnet werden, um physikalische Phänomene abzubilden?
- Welche Eigenschaften hat der Einsatzort?
- Lässt sich die Entwicklung in bestehende Systeme einbinden?
Viele Ideen für Handwerkersensorik
Zunächst aber beschreiben die Unternehmen ihre Motivation, IoT-Lösungen zu entwickeln. Dabei helfen Post-Its, die an eine Wand geklebt werden. Rund 100 kommen zusammen. Dort finden sich:
- Antriebe, wie: Fachkräftemangel vorbeugen, Betrieb entlasten, Service verbessern, neue technologische Chancen nutzen.
- Hindernisse, wie: fehlende IT-Kompetenz, wenig Zeit, löchrige Breitband-Infrastruktur, Geldmangel.
An genialen IoT-Ideen mangelt es den Betrieben dagegen nicht. Beispiel: das Unternehmerduo von Kolorat. Die Betriebswirtin Monja Weber und Malermeister Sebastian Alt haben mit ihrem Online-Wandfarben-Konfigurator kolorat.de schon in der Vergangenheit gezeigt, zu welchen Innovationen das Handwerk in der Lage ist. Ihre Hackathon-Idee: Ein Sensorsystem, dass die Trocknungsdauer einer Wand nach einem Rohrbruch überwacht. „Alle 30 Sekunden gibt es in Deutschland einen Wasserschaden“, sagt Malermeister Sebastian Alt. Dann beginnt die übliche Prozesskette: Ein Handwerker besichtigt den Schaden, stellt ein Trocknungsgerät auf und überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die Wand trocken genug für die Renovierung ist. „Wenn wir nun ein Gerät beim Kunden anbringen, dass die Trocknung überwacht, sparen wir uns unnötige Vor-Ort-Besuche“, sagt Alt.
Die Spielwiese ist eröffnet
Wie setzt man so eine Lösung um? Die nötige Hardware zum Prototyping hat Christoph Krause besorgt. Kisten voller Kabel, Widerständen, Sensoren reihen sich in einem Nachbarraum aneinander. Dazu gesellen sich die Einplatinencomputer Arduino und Raspberry Pi sowie ein Modul für die Drahtlosverbindung der Sensorik. Studenten der Uni Koblenz haben die Geräte so eingerichtet, dass die Unternehmer mit ihnen loslegen können. Dazu gehört unter anderem: Die Node-Red-Software zum Erstellen von IoT-Protoypen. Das Programm arbeitet visuell. So lassen sich die Sensoren vergleichsweise einfach miteinander verbinden, damit die einzelnen Messungen den gewünschten Zweck erfüllen.
Von Donnerstagnachmittag bis ein Uhr nachts saßen manche Teams zusammen, um an ihrem Sensor-System zu basteln. Bis Freitagmittag ging es weiter.
Protoyp meldet sich zum Dienst
Was haben die Teams erreicht? Beispiel Kolorat: Monja Weber hat im Team mit Festool-Mitarbeiter Felix Reiser Temperatur- und Luftfeuchtemesser mit einem Kontaktsensor für Feuchtigkeit gekoppelt. Das System überwacht bei der Trocknung einer feuchten Wand, welche Trocknungsbedingungen in der Luft vorliegen und wann die Wand trocken genug ist, um renoviert zu werden (weitere Hackathon-Projekte finden Sie im Artikel Praxisbeispiele: Das bauen Handwerker mit Sensorik).
Wie hat es der Unternehmerin gefallen? „Die Anmeldung hat sich gelohnt! Man arbeitet plötzlich auf einer ganz anderen Ebene, wo einem selbst das Know-how für fehlen würde“, sagt sie. Besonderer Dank, da sind sich die Teilnehmer einig, gilt dem Coder-Team der Universität, das unermüdlich von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz gestürmt ist, um den Handwerkern bei der Umsetzung ihrer Ideen zu helfen.
So waren alle Teilnehmer bestens versorgt. Und das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk hat mit den Mittelstand-Digital-Fördergeldern des Bundeswirtschaftsministerium bewiesen, welches Innovationspotenzial im Handwerk steckt. Das schreit nach einer Fortsetzung. Christoph Krause wäre gerne wieder dabei.
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