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Zahnstratege mit Erfindergeist

3D-Druck für gerade Zähne

Volker Hinrichs hat die Weichen für seinen Erfolg früh gestellt. Den meisten Umsatz macht er heute mit seiner eigenen Erfindung: unsichtbaren Zahnkorrekturen.

Macht Schiefe Zähne gerade
KFO-Rastede-Handwerk-In-Line-Schiene

In zehn Jahren werden 3D-Drucker das Zahntechnikerhandwerk ersetzt haben. So lautet die kühne Prognose des IT-Branchenverbands Bitkom. Für Volker Hinrichs klingt das nicht plausibel: „Komplexer Zahnersatz lässt sich auch in Zukunft nicht ohne Zahntechniker herstellen.“ Der Zahntechnikermeis­ter steht in einem seiner Laborräume, schaut durch eine Kunststoffscheibe in das Innere eines dunkelblauen Kastens. Darin gleitet eine Maschine über ein paar Schienen, fährt vor und zurück immer wieder die gleiche Fläche ab. Im Licht seiner UV-Lampe erkennt man, wie der 3D-Drucker Schicht für Schicht gleichzeitig sechs Gebissabdrücke druckt.

Volker Hinrichs setzt voll auf Digitalisierung in seinem Handwerk. Aber nicht, um sich überflüssig zu machen. Im Gegenteil: Noch bis 2008 hatte er nur acht Mitarbeiter die sich mit der Anfertigung von kiefer­orthopädischen Geräten beschäftigt haben. Heute sind es 23 von insgesamt 35 Mitarbeitern. Sein Schritt in die 3D-Technologie war der letzte von zwei elementaren strategischen Unternehmensentscheidungen.

Weichen früh gestellt
Die erste traf der Zahntechnikermeister 1983, als er seinen Betrieb Rasteder KFO Spezial-Labor nördlich von Oldenburg gründete. Schon damals wuchs die Konkurrenz unter den Dentallaboren, weil gerade viele Betriebe neu gegründet wurden. „Wann immer eine neue Zahnarztpraxis eröffnet hat, standen gleich acht Labore vor der Tür“, sagt Hinrichs. „Dieser Bieterwettstreit war nicht meine Sache.“ Also hat sich der Unternehmer auf die Kieferorthopädie spezialisiert. Zahnersatz bietet der Betrieb nicht an. „Wir bewegen nur Zähne“, erklärt Hinrichs.

Der Plan ist aufgegangen. Die meisten Dentallabore hätten nicht die Personalstärke, um Kieferorthopädiedienste anbieten zu können. Da besetzt Hinrich eine Nische. Sein Betrieb arbeitet direkt für Zahnärzte und Kieferorthopäden und fertigt im Auftrag anderer Dentallabore kieferorthopädische Arbeiten. Auch vor ungewöhnlichen Einsätzen schrecken die Kieferspezialisten nicht zurück. Einer Schildkröte drohte der Panzer vor dem Kopf zuzuwachsen – das verhinderten die Profis mit Spezialschrauben, mit denen sie den Panzer behutsam dehnten. Auch bei Schäferhunden haben Sie schon den Biss korrigiert, damit ihre oberen Reisszähne nicht länger in den Unterkiefer stechen.

Wie die unsichtbare Zahnspange des Betriebs funktioniert, lesen Sie auf Seite 2.

Neue Technologie und ein Patent

Fertig ist die Schiene
KFO-Rastede-Handwerk-In-Line-Schiene5

In den vergangenen Jahren hat der technische Fortschritt den Wettbewerb verschärft. Heute arbeitet die Industrie zum Teil direkt für Zahnärzte, erklärt Hinrichs: Ihre CNC-Fräsen fertigen präzise, was früher nur per Hand gelang. 3D-Druck ist da nur der nächste Schritt. Wer die Konkurrenz verschläft, droht abgehängt zu werden. Hinrichs ist sich dessen bewusst: „Und wir sind lieber Vorreiter als Hinterherläufer.“

Hinrichs hat sich überlegt, wie er vom technischen Fortschritt profitieren kann. Das Ergebnis war der zweite große strategische Schritt des Betriebs. „Wir haben 2003 ein eigenes Produkt entwickelt“, erklärt er. Es ist ausschließlich für die ausgewachsenen Kiefer von Erwachsenen gemacht. Die In-Line- Schiene korrigiert die Zahnstellung wie es eine feste Zahnspange tut; nur ist sie im Mund praktisch unsichtbar.

So entsteht die In-Line-Schiene
Die patentierte Schiene besteht aus einem Zweikomponenten-Kunststoff, der unter Hitze und Druck über eine detaillierte Nachbildung des Patientenkiefers gezogen wird. Die entsteht mit einer Genauigkeit von 16 Tausendstel Millimeter im 3D-Drucker. In diese Nachbildung ist bereits eine leichte Korrektur der Zahnstellung ­eingearbeitet, damit die Schiene die Zähne in die gewünschte Position ziehen kann. Im Schnitt sind sechs bis sieben Schienen pro Patient nötig, bis die Zahnkorrektur abgeschlossen ist. Die einzelnen Schritte errechnet ein Computerprogramm, das Hinrichs sich für sein Verfahren hat anfertigen lassen.

„Die In-Line-Schiene macht inzwischen 75 Prozent unseres Umsatzes aus“, sagt der Unternehmer stolz. Das Labor in Rastede ist breit aufgestellt, arbeitet für 1200 Praxen in Deutschland. Ein Viertel seines Umsatzes macht der Betrieb im Ausland.

Generationswechsel
In vier Jahren soll Hinrichs Sohn Henning das Labor übernehmen. Der gelernte Zahntechniker absolviert gerade ein Wirtschaftsstudium. Nebenbei überarbeitet er den Vertrieb des Unternehmens und arbeitet aktiv an einer neuen Marketingstrategie. Jüngster Streich ist ein Imagefilm von der In-Line-Schiene für lokale Kinos. „Den haben wir so gestaltet, dass er regionalisiert werden kann“, sagt Henning Hinrichs. So können ihn Zahnärzte personalisieren und in ihren Städten zeigen. Das ist Teil des nächsten großen Schritts des Unternehmens: der Expansion im In- und Ausland.

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(deg)

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