Mathis Pohlgeers kann das nicht nachvollziehen. Als Sohn einer Drechslerin und eines Tischlers war es für den 20-Jährigen schon früh klar, wohin es gehen soll. „Ich war von Kindheit an mit meinem Vater in der Werkstatt und wusste, dass ich auf jeden Fall was mit Holz machen will.“ Mehrere Schulferien nutzt er dafür, um verschiedene Handwerksbetriebe kennenzulernen und sich den Beruf des Zimmermanns anzuschauen. In der neunten Klasse ist es dann so weit: Nach dem Praktikum in einer Zimmerei unterschreibt Mathis den Ausbildungsvertrag – und sichert sich damit für vier Jahre im Voraus einen Platz. „Ich wollte einfach sicher sein und nach dem Abi nicht ohne Ausbildungsplatz dastehen.“ Offiziellen Statistiken zufolge ist diese Angst jedoch vollkommen unbegründet. Laut Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung blieben im Jahr 2015 insgesamt 41.000 Ausbildungsstellen unbesetzt, so viele wie seit 1995 nicht mehr. Besonders betroffen war erneut das Handwerk. Hier waren zum Stichtag am 30. September noch 14.400 Stellen frei.
Um sich vor allem in der jüngeren Generation bekannter zu machen, setzen einige Betriebe bereits auf Facebook-Auftritte, mit denen sie sich und ihre Arbeit präsentieren. Onur Kizil findet das sinnvoll. Der 21-Jährige hat eine Leidenschaft für Autos, schraubt gern in seiner Freizeit und kam über einen Bekannten zu einem Praktikum und schließlich auch zur Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Im Internet ist er oft auf der Suche nach Erklärvideos, wenn er bei Autoreparaturen nicht weiter weiß. Etwas Ähnliches könnte er sich auch für seinen Ausbildungsbetrieb vorstellen: „Über Tutorials auf Youtube sind schon viele bekannt geworden.“ Kfz-Werkstätten könnten so zeigen, wie ihre Arbeit aussieht und was sie drauf haben.
Wiebke Machate wusste anfangs gar nicht, in welche Richtung es für sie gehen sollte. Ein Bekannter ihres Vaters bot ihr schließlich ein Praktikum in seinem Unternehmen für Energietechnik an. „Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen, habe mir alles erklären lassen“, so die angehende Anlagenmechanikerin. „Nie hätte ich gedacht, dass mir das so viel Spaß machen würde.“ Auf der Suche nach dem richtigen Beruf hat sich Wiebke Machate unter anderem auf Messen der Arbeitsagentur umgesehen. Mit ihrem jetzigen Ausbildungsbetrieb besuchte sie kürzlich einen Kindergarten und stellte sich und ihre Arbeit dort vor. „So etwas müssten die Unternehmen unbedingt auch in Schulen machen“, empfiehlt sie. Die Firmen könnten sich so bei den Jugendlichen bekannt machen und zeigen, wie ihre Arbeit und die Berufsaussichten aussehen.
Lena Wilhelms hat während ihrer Zeit auf der Berufsschule für Wirtschaft und Pflege den Spaß am Backen entdeckt und sich nach einem Praktikum für eine Ausbildung im Bäckerei-Handwerk entschieden. Für die Wahl des richtigen Ausbildungsbetriebes baute sie vor allem auf Empfehlungen im Bekanntenkreis und besuchte die einzelnen Bäckereien auch persönlich. Trotzdem würde auch sie den Firmen empfehlen, sich insbesondere im Internet zu präsentieren, um Jugendliche auf sich aufmerksam zu machen. „Auf Facebook könnte man Bilder von neuen Backwaren posten oder das Team vorstellen.“ Lena Wilhelms findet es schade, dass ihr Beruf oft als der einer „dummen Verkäuferin“ dargestellt wird. „Die meisten wollen was Höheres und viel Geld verdienen.“ Für sie ist die Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin jedoch genau das Richtige: „Im Büro sitzen, wäre nie was für mich. Ich muss etwas Körperliches zu tun haben, mit Kunden reden können. Das macht mir Spaß.“
In einen Handwerksbetrieb ist Sophie Dura eher aus Zufall gekommen. Während ihres letzten Schuljahres an der Realschule hat sie sich auf eine Stellenanzeige aus der Zeitung beworben. Was als Bürokauffrau in der Ausbildung auf sie zukommen würde, wusste sie vorab nicht. Im Laufe der Zeit hat sie viele Firmen-Bereiche kennengelernt – mit Sicherheit mehr, als in großen Konzernen. Besonders gefallen hat ihr von Beginn an die familiäre Atmosphäre in dem Lasertechnik-Betrieb, der neben ihr hauptsächlich Metallbauer und Konstruktionsmechaniker ausbildet. „Man weiß immer, wen man ansprechen muss und wer weiterhelfen kann“, sagt die heute 20-Jährige. Sie schätzt den Austausch mit den anderen Azubis und den jährlichen Betriebsausflug zu Weihnachten. Betrieben, die für das Handwerk werben wollen, empfiehlt sie daher, ihre familiäre Atmosphäre und den persönlichen Umgang zu betonen. Und: „Ich bekomme mit, wieviel Zeit und fachliche Kompetenz in die Ausbildung fließt. Das gibt es in einem riesigen Unternehmen nicht. Da kann das Handwerk doppelt punkten“, ist sie sich sicher.
(ja)
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