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Handwerker setzt sich vor Gericht durch – Kundin zahlt endlich

5 Tipps für Ihre Anfahrtskostenpauschale

Kampf um die Anfahrtskosten: Ein Jahr lang weigert sich eine Kundin, die Pauschale zu bezahlen. Erst ein Gericht zwingt sie dazu – weil der Handwerker alles richtig gemacht hatte. Die Lehre daraus: 5 Tipps für Anfahrtskosten bei Kleinaufträgen!

November 2011: Waldemar Schneider montiert bei einer Kundin ein paar Steckdosen und Lichtschalter. Rechnungssumme: 29,63 Euro. Plus Anfahrtskostenpauschale.

November 2012: "Die Kundin hat die Anfahrtskosten endlich gezahlt, das Geld ist vor ein paar Tagen eingegangen", berichtet der Elektromeister.

Bis dahin war es ein langer Kampf für den Handwerker: Auf freundliche Nachfragen erhielt er pampige Antworten. Mahnungen ignorierte die Kundin völlig. Als Schneider schließlich Klage einreichte, folgte eine rufschädigende Pressekampagne (wir berichteten).

Dass die Sache vor Gericht gut für ihn ausging, verdankt Schneider seiner Umsicht. Er hatte sich bei den Anfahrtskosten gut abgesichert. Ausschlaggebend für das Amtsgericht München (Urteil vom 10. September 2012, Az. 231 C 12670/12) waren zwei Punkte:

  • Die Kundin hatte einen Stundenzettel samt Anfahrtskostenpauschale unterschrieben. Die Pauschale war nicht im Kleingedruckten versteckt, sondern drucktechnisch besonders hervorgehoben. Wenn der Kundin das nicht aufgefallen sei, habe sie den Stundenzettel nicht näher angeschaut oder gar nicht gelesen. Das sei jedoch ihr Problem, nicht das des Handwerkers.
  • Die Höhe der Anfahrtskostenpauschale sei mit 35 Euro netto ortsüblich und "gerade noch angemessen".

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So setzen Sie Anfahrtskosten bei Kleinaufträgen leichter durch

Der Rechtsstreit zeige noch einmal deutlich, "was für ein heikles Thema die Anfahrtskosten sind", sagt Cornelia Höltkemeier von der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen. "Die Erstattung der Fahrkosten ist für Kunden leider nicht selbstverständlich", weiß die Juristin.

Umso wichtiger sei es für Handwerker, das Thema rechtzeitig anzuschneiden und die Fahrtkosten nicht erst in der Rechnung zu präsentieren – denn wie ein Rechtsstreit dann ausgeht, ist ungewiss.

"Andererseits zeigt dieses Urteil auch, dass sich ein Handwerker durchaus erfolgreich vor Gericht wagen kann, wenn er die Fahrtkosten rechtzeitig angesprochen hat."

Höltkemeiers Rat für rechtssichere Anfahrtskosten bei Kleinaufträgen:

1. Informieren sie frühzeitig – denn Kunden denken oft nicht an diesen Posten
Treffen Sie möglichst frühzeitig eine schriftliche Vereinbarung über die Fahrtkosten, etwa als Teil der Auftragsbestätigung. Wenn das bei kleineren Aufträgen und Reparaturen nicht möglich ist, dann sollten Sie den Kunden bei der telefonischen Auftragserteilung informieren.

Höltkemeier: "Egal, ob es sich um einen kurzen Weg handelt oder eine lange Fahrt in den nächs­ten Landkreis: Kunden denken oft überhaupt nicht an die Fahrtkosten. Ist es eine lange Anfahrt, ärgern sie sich dann vor allem über die Höhe der Kosten. Ist es eine kurze Anfahrt, ärgern sie sich darüber, dass überhaupt etwas in Rechnung gestellt wird. Da ist Streit programmiert, wenn Sie es nicht vorher ansprechen."

2. Machen Sie Ihre Fahrtkosten deutlich
Verstecken Sie die Anfahrtskosten nicht im Kleingedruckten – etwa versteckt eingefügt in die sonstigen AGBs oder auf der Rückseite des Stundenzettels. "Nur wenn die Anfahrtskosten klar positioniert sind, kann der Kunde sie später nicht anfechten."

3. Achten Sie auf eine angemessene Höhe
Die Anfahrtskos­ten können sich aus den Fahrzeugkosten und den Fahrtzeiten zusammensetzen. Ob Sie exakt kilometergenau abrechnen oder als gestaffelte Pauschale, das ist Ihnen überlassen und sollte auch davon abhängen, was Ihre Kunden gewohnt sind und akzeptieren. Die Kosten dürfen dabei nicht über den ortsüblichen Satz hinausgehen, sonst könnte ein Gericht sie ablehnen.

4. Rechnen Sie Touren richtig ab
Wenn Sie mehrere Kunden nacheinander anfahren, müssen Sie die Fahrtkosten aufteilen. Kunde A zahlt also die Strecke vom Betrieb zum Kunden A, Kunde B die Strecke vom Kunden A zum Kunden B. Das gilt in jedem Fall, egal ob Sie kilometergenau oder pauschaliert abrechnen.

5. Zeigen Sie Selbstbewusstsein
Wie deutlich Sie gegenüber einem Kunden auf Ihre Rechte pochen, ist natürlich eine Frage des Fingerspitzengefühls. Doch das Münchener Urteil bestätigt noch einmal, dass Sie einen Anspruch auf Anfahrtskosten haben. Höltkemeiers Empfehlung: "Machen Sie deutlich, dass es sich um eine ortsübliche Pauschale handelt und dass Sie damit nicht gegen Treu und Glauben verstoßen."

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Was droht bei Anfahrtskosten ohne Unterschrift des Kunden?

Dass nicht jeder Handwerker jeden Kunden vor einem Auftrag über anfallende Fahrtkosten informiert, verärgert nicht nur die Kunden. Auch vor Gericht haben es Auftragnehmer in solchen Fällen schwerer:

VOB-Verträge: Bei VOB/B-Verträgen dürfen Sie die Fahrtzeiten nur dann nach Stundenlohn abrechnen, wenn Sie das mit dem Auftraggeber vorher vereinbart haben. Üblich sei das im Bauhauptgewerbe jedoch nicht. “Wenn über längere Zeit die Leistungen beim Kunden erbracht werden, geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Fahrtzeiten in der Kalkulation berücksichtigt wurden, falls nichts anderes vereinbart wurde", berichtet Höltkemeier.

BGB-Verträge: Zwar weisen Gerichtsurteile immer wieder darauf hin, dass Handwerker bei Kleinaufträgen auch ohne vorherige Vereinbarung eine "übliche Vergütung" für die Anfahrt verlangen können. Doch das ist für den Auftragnehmer stets riskant: "Wenn es keine gesonderte Vereinbarung gibt, gehen Unklarheiten immer zulasten des Auftragnehmers", berichtet Höltkemeier. Nur mit einer Vereinbarung über die Abrechnung der Fahrzeiten oder einer Unterschrift auf dem Stundenzettel sei man auf der sicheren Seite.

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Elektromeister übersteht die Presseschelte!

Elektromeister Waldemar Schneider hat jedenfalls alles richtig gemacht bei den Anfahrtskosten. Das Amtsgericht München verurteilte die Kundin zur Zahlung der Anfahrtskosten in voller Höhe. Plus Verzugszinsen, Mahngebühren, Anwaltskosten und Gerichtskosten. Das Urteil ist seit ein paar Wochen rechtskräftig.

Der Handwerker stellt einiges klar
Auch die Medienschelte hat Schneider glimpflich überstanden: Mit dem Urteil in der Hand hat er in der Presse einiges richtiggestellt: "Wir müssen einen Wagen mit Werkzeug und Material bereithalten. Alleine die Erstausstattung kostet 15.000 Euro. Solche Kosten werden mit der Pauschale aufgefangen", zitiert ihn der Münchener Merkur.

Dass ein Laie das nicht sofort durchschaut, verstehe er. Daher weise er bei jedem Auftrag vorher darauf hin. Bisher habe es damit nie Probleme gegeben. "Aber wenn jemand trotz persönlichem Gespräch und Mahnungen nicht einmal die unstrittigen Arbeitskosten bezahlt, dann muss ich davon ausgehen, dass er gar nicht zahlen will." Darum habe er sich für den Rechtsweg entschieden.

(jw)

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