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Wenn Mitarbeiter blaumachen

„Ab zum Arzt und dann Koffer packen“

Ein Mitarbeiter ist ständig montags krank, ein anderer fehlt nach einer heftigen Auseinandersetzung – Verdachtsmomente gibt es viele. Wie Sie vermeintlichen Blaumachern auf den Zahn fühlen können, lesen Sie hier.

Eine repäsentative Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag der Krankenkasse IKK Classic zeigt: Elf Prozent der im Februar 2014 befragten deutschen Arbeitnehmer haben sich nach eigenen Angaben schon einmal krankgemeldet, obwohl ihnen in Wahrheit nichts fehlte. Unter den Jüngeren (18-29 Jahre) liegt dieser Wert sogar bei 22 Prozent. Im wahrsten Sinne aufgeflogen ist vor einigen Jahren eine angehende Friseurin aus Düsseldorf: Nach Angaben ihres Chefs hatte sich die junge Frau krankgemeldet, um daraufhin nach Mallorca zu fliegen. „Ab zum Arzt und dann Koffer packen“, hatte sie auf Facebook gepostet. Der Chef kündigte der Auszubildenden fristlos, und das Arbeitsgericht Düsseldorf empfahl daraufhin einen Vergleich.

„Wer krankfeiert, ist ein schlechtes Beispiel für alle anderen und kann den Krankenstand insgesamt nach oben treiben“, sagt Axel Drexhage. Der Betriebsberater der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade rät den Betrieben daher dazu, auf jeden Fall etwas gegen Blaumacher zu unternehmen. Die Möglichkeiten reichen vom vorsichtigen Gespräch bis hin zur Einschaltung eines Detektivs.

Lesen Sie auf Seite 2, warum Sie als Erstes ein Gespräch mit dem Mitarbeiter führen sollten.

Das Gespräch suchen

„Man muss ja nicht sofort mit Kanonen auf Spatzen schießen und einen Detektiv einschalten“, sagt Axel Drexhage. Das sei schließlich Gift für das Betriebsklima. Er hält es daher für sinnvoller, zunächst einmal das Gespräch mit den Mitarbeitern zu suchen und sie mit dem Verdacht zu konfrontieren. „Wir sehen das und finden das nicht besonders gut, das darf ich als Vorgesetzte sagen“, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln. Fragen nach dem Gesundheitszustand seien hingegen problematisch, weil die Mitarbeiter laut Datenschutzgesetz keine Angaben dazu machen müssen und demnach auch nicht dazu genötigt werden dürfen. Axel Drexhage empfiehlt außerdem, mit einzelnen oder allen Mitarbeitern ganz allgemein über deren Arbeitszufriedenheit zu sprechen, um so die wesentlichen Motivationskiller ausfindig zu machen.

Die Zahlungen einstellen
Blaumacher seien in ihrer Kanzlei ein Dauerthema, sagt Rechtsanwältin Oberthür. Für den Fall, dass die Gespräche nichts nützen und sich der Verdacht erhärtet, nennt sie eine weitere Möglichkeit: Das Unternehmen stellt während der Krankheitszeit die Gehaltszahlungen ein. Der betreffende Arbeitnehmer muss dann erst einmal Klage einreichen und angeben, was ihm fehlt. Wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Gericht angezweifelt, muss er beweisen, dass er krank gewesen ist.

Was der Medizinische Dienst der Krankenversicherung tun kann, erfahren Sie auf Seite 3.

Den Medizinischen Dienst einschalten

Wenn einer Ihrer Mitarbeiter für längere Zeit krankgemeldet ist und Sie an seiner Arbeitsunfähigkeit zweifeln, können Sie von Ihrer Krankenkasse eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verlangen. MDK-Mitarbeiterin Elke Grünhagen zufolge wird der Dienst zum Beispiel des Öfteren in Anspruch genommen, wenn sich ein zum Quartalsende gekündigter Mitarbeiter erst einmal für mehrere Wochen krankmeldet. Der Mitarbeiter bekommt dann Post von der Krankenkasse und muss daraufhin zu einer Untersuchung erscheinen.

Falls die Sachverständigen des MDK – das sind allesamt Ärzte – zu dem Schluss kommen, dass der Mitarbeiter arbeitsfähig ist, muss er wieder im Betrieb erscheinen. Für eine Kündigung reicht der Befund allerdings nicht ohne Weiteres aus: Nach Angaben von Arbeitsrechtsexpertin Nathalie Oberthür müsste der Arbeitgeber dafür beweisen, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich vorgetäuscht hat, nicht arbeitsfähig zu sein. „Wenn lediglich eine unterschiedliche Auffassung der Ärzte über die Arbeitsfähigkeit besteht und der Mitarbeiter auf die Bescheinigung seines Arztes vertraut hat, gibt es keine Sanktionen.“

Einen Detektiv einzuschalten, birgt auch eine Menge Risiken. Mehr dazu auf Seite 4.

Einen Detektiv engagieren

Nathalie Oberthür berichtet, dass ihre Mandanten oft einen Detektiv einschalten, um Beweismittel in die Hand zu bekommen. Sie legen ihr dann unter anderem Fotos vor, die ihre krankgemeldeten Mitarbeiter bei der Arbeit in einem anderen Betrieb oder auf der privaten Baustelle zeigen. „Darauf schleppt dann zum Beispiel jemand einen schweren Sack, obwohl er angeblich etwas mit der Bandscheibe hat.“ Die arbeitsrechtlich entscheidende Frage laute dabei, ob die vom Detektiv beschafften Beweismittel vor Gericht verwertbar sind. Außerdem sei zu beachten, dass auch Detektive an das Datenschutzrecht gebunden sind, sonst greife das Strafrecht.

„Man muss sich den Einzelfall anschauen, es muss alles verhältnismäßig sein“, sagt die Juristin. Nicht verhältnismäßig seien bei Blaumachern zum Beispiel Abhörwanzen oder Kameras in den Privaträumen der sogenannten Zielpersonen. Auch Facebook und andere soziale Plattformen im Internet sind ihr zufolge ein unsicheres Terrain: „Man streitet noch darüber, ob man Social Media überwachen darf, selbst wenn die Profilseite für alle sichtbar freigeschaltet ist.“

Oberthür warnt allerdings davor, sofort einen Detektiv zu engagieren, er ist für sie eher das letzte Mittel: „Wenn in einem kleinen Betrieb herauskommt, dass Sie Ihre Mitarbeiter beobachten lassen, dann ist das Betriebsklima im Eimer.“

(afu)

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