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Abschlagszahlungen verringern das Ausfallrisiko und erhöhen die Liquidität

Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen besteht nach dem VOB/B gegen einen Auftraggeber nur, wenn die VOB/B auch wirksam vereinbart wurde.

Bislang war es nach dem Gesetz so, dass ein Handwerker zunächst seine Leistungen vollständig und mängelfrei erbringen musste, bevor er von seinem Auftraggeber die vereinbarte Vergütung verlangen konnte. Das Gesetz sah nämlich keine Abschlagszahlungen vor. Die Vergütung des Handwerkers wurde erst dann fällig, wenn seine Leistungen vom Auftraggeber abgenommen waren oder zumindest abnahmefähig vorlagen. Hierin lag ein erhebliches Risiko für den Handwerker, weil er mithin voll vorleistungspflichtig war. Der Handwerker musste also zunächst einmal seine Leistungen vollständig erbringen, diese dem Auftraggeber übergeben und konnte dann nur hoffen, dass dieser auch alsbald zahlt. Gerade bei Bauvorhaben und insbesondere dann, wenn der Handwerker als Subunternehmer für einen Generalübernehmer oder Generalunternehmer tätig wird, kann dies zu einem erheblichen Risiko führen, weil seine Leistung auf dem Grundstück des Bauherrn quasi eingebaut wird und er damit auch sein Eigentum an den gelieferten Materialien verliert. Die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) sieht abweichend vom Werkvertragsrecht des BGB für den Handwerker einen Anspruch auf Abschlagszahlungen zu. Die Einzelheiten hierzu sollen an dieser Stelle nicht vertieft werden. Jeder Handwerker sollte sich aber merken, dass ein Anspruch auf Abschlagszahlungen nach der VOB/B gegen den Auftraggeber nur dann besteht, wenn die VOB/B auch wirksam vereinbart wurde. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen entsteht daher nicht automatisch immer dann, wenn eine Bauleistung erbracht wird.

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Gesetzlicher Anspruch auf Abschlagszahlung seit dem 1. Mai 2000

Da der Gesetzgeber nicht nur bei Bauvorhaben das Zahlungsverhalten der Auftraggeberseite verbessern und den Werkunternehmer besser stellen wollte, wurde mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen mit Wirkung zum 1. Mai 2000 abweichend vom bisherigen Recht zugunsten des Auftragnehmers ein gesetzlicher Anspruch auf Abschlagszahlungen eingeführt (§ 632 a BGB).

D. h. bei allen Verträgen, die nach dem 1. Mai 2000 geschlossen werden, steht dem Handwerker grundsätzlich ein Anspruch auf Abschlagszahlungen zu. D. h. er braucht nun nicht mehr mit seiner Bezahlung zu warten, bis er seine gesamte Leistung erbracht und dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt hat. Nunmehr gilt also bei jedem Vertrag, der als Werkvertrag im Sinne des Gesetzes einzuordnen ist, dass der Handwerker eine Abschlagszahlung verlangen kann, auch dann, wenn dies nicht eigens vereinbart wurde oder wenn die VOB/B nicht gilt.

Gutgemeintes Gesetz als Bumerang für den Handwerker

Wer jedoch meint, sich nunmehr allein auf das Gesetz verlassen zu können, ohne mit seinem Auftraggeber besondere Regelungen zu vereinbaren, ist schlecht beraten. Der Handwerker, der sich nur auf das Gesetz verlässt, wird sehr schnell feststellen, dass hier der Teufel im Detail steckt und das Gesetz ihm Steine statt Brot gibt.

Zunächst einmal kann der Handwerker von seinem Auftraggeber nur #132;für in sich abgeschlossene Teile des Werks #147; Abschlagszahlungen verlangen. Es ist also gerade nicht so, dass z. B. jederzeit entsprechend dem Prozentsatz der Fertigstellung eine Abschlagszahlung verlangt werden kann. Notwendig ist vielmehr, dass diejenigen Teile des Auftrages, für die eine Abschlagszahlung verlangt wird, selbständig funktionsfähig sind. Wird z. B. ein Handwerker mit der Heizungs- und Sanitärinstallation beauftragt, kann er nicht etwa nach dem Verlegen der Rohre für die Heizungsinstallation vor Montage der Heizkörper eine Abschlagszahlung verlangen. Die verlegten Rohre sind nämlich allein in sich nicht funktionsfähig. Für die Heizungsinstallation kann er erst dann eine Abschlagszahlung verlangen, wenn auch die Heizkörper montiert sind, weil erst dann der Teil #132;Heizungsinstallation #147; seines Auftrages in sich funktionsfähig ist. Entscheidend ist also immer, ob der Auftraggeber eine Teilleistung bekommt, mit der er etwas anfangen kann. Nur dann ist nach dem Willen des Gesetzgebers eine Abschlagszahlung gerechtfertigt. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird dies nicht gegeben sein.

Auch bei der Anlieferung von Material und Bauteilen ist Vorsicht geboten. Zwar sieht das Gesetz auch hier Abschlagszahlungen zugunsten des Handwerkers vor, wenn Materialien oder Bauteile eigens für den Auftraggeber angefertigt oder angeliefert wurden. Das Gesetz fordert aber zusätzlich, dass dem Auftraggeber auch das Eigentum übertragen oder Sicherheit geleistet wird. D. h. das Gesetz gewährt nur dann eine Abschlagszahlung, wenn die Materialien oder Bauteile schon in das Eigentum des Auftraggebers übergegangen sind. Die Möglichkeit, seitens des Handwerkers eine Sicherheit zu leisten, also beispielsweise die Bauteile anzuliefern und dem Auftraggeber noch eine Bürgschaft zu geben, dürfte unpraktikabel sein, weil der Handwerker dann zweifach belastet wäre. Er müsste zum einen seine Materialien fertig stellen und hätte zum anderen noch zusätzlich hierfür eine Bürgschaft zu stellen, die seine Liquidität weiter belastet. Gerade bei Aufträgen für Generalunternehmer und Generalübernehmer gehen die Materialien und Bauteile aber nicht in das Eigentum des Auftraggebers, sondern mit Anlieferung und Einbau auf der Baustelle in das Eigentum des Bauherrn über. Der Handwerker als Subunternehmer hat gegenüber dem Bauherrn aber keine direkten Zahlungsansprüche.

Schließlich können auch Abschlagszahlungen nur für die erbrachten vertragsgemäßen Leistungen verlangt werden. Eine Abschlagszahlung kann also nur dann verlangt werden, wenn die Leistung des Handwerkers auch seinem Auftrag entspricht und mangelfrei ist. Selbstverständlich dürfte sein, dass die Abschlagszahlungen auch ihrer Höhe nach dem Anteil der bereits erbrachten Leistungsteile entsprechen muss.

Insgesamt ist es also so, dass das Vertrauen auf das Gesetz dem Handwerker nicht viel weiter hilft, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abschlagszahlungen sehr eng sind.

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Rechtzeitig Vereinbarung treffen

Jeder Handwerker ist daher gut beraten, wenn er sich rechtzeitig Gedanken über den Zeitpunkt und die Höhe der von ihm verlangten Abschlagszahlungen macht und dies mit dem Auftraggeber bespricht. Grundsätzlich ist es nämlich zulässig, vom Gesetz abweichende Vereinbarungen zu treffen. D. h. der Handwerker kann sehr wohl mit seinem Auftraggeber frei vereinbaren, wann in welcher Höhe Abschlagszahlungen zu leisten sind. Von dieser Möglichkeit sollte der Handwerker unbedingt Gebrauch machen, will er nicht den Auftraggeber vorfinanzieren oder einen gänzlichen Forderungsausfall riskieren. Gerade bei unseriösen Auftraggebern ist damit zu rechnen, dass diese den Handwerker erhebliche Vorleistungen in der Absicht erbringen zu lassen, diese nicht oder erst viel später zu bezahlen. Mit jeder weiteren Teilleistung, die der Handwerker für den Auftraggeber erbringt, ohne hierfür eine Abschlagszahlung zu bekommen, begibt sich der Handwerker weiter in die Abhängigkeit des Auftraggebers.

Bei Vertragsabschluss sollte also eine klare Regelung erfolgen, wann der Handwerker für welche Teilleistungen in welcher Höhe Abschlagszahlungen bekommt. Er hat dann natürlich entsprechende Rechnungen unter Einschluss der Mehrwertsteuer zu legen und sollte möglichst auch Belege für die erbrachten Leistungen beifügen. Gibt es eine klare Vereinbarung über die Abschlagszahlung, ist der Handwerker ausreichend gegen Forderungsausfälle gewappnet und sichert sich seine eigene Liquidität. Werden die Abschlagszahlungen fristgemäß gezahlt, geht nämlich der Handwerker nur mit der jeweils über die bereits bezahlten Abschlagszahlungen hinausgehenden Leistung in Vorleistung und braucht auch nur insofern einen Forderungsausfall zu befürchten. Außerdem hat er die Möglichkeit, seine Arbeiten einzustellen, wenn eine berechtigte und fällige Abschlagszahlung nicht bezahlt wird. Damit hat er gerade bei größeren Vorhaben ein erhebliches Druckmittel gegenüber dem Auftraggeber in der Hand. Viele Auftraggeber lassen Vorhaben unter Zeitdruck realisieren und sind daher bei einer Arbeitseinstellung durch den Handwerker nicht in der Lage, kurzfristig Ersatz durch Dritte zu beschaffen. Voraussetzung für ein derartiges Leistungsverweigerungsrechts des Handwerkers ist allerdings ein Anspruch auf Abschlagszahlung. Im Streitfall ist der Handwerker hierfür voll darlegungs- und beweispflichtig, d. h. hält er seine Leistung zu unrecht zurück, weil die Abschlagszahlung nicht fällig war, so drohen ihm Kündigung oder Schadensersatzansprüche des Auftraggebers. Umso wichtiger ist es, eine klare und eindeutige Vereinbarung hinsichtlich des Zeitpunkts und der Höhe der Abschlagszahlungen zu treffen.

Tipp für die Praxis

Bei größeren Aufträgen mit erheblichen Auftragsvolumina sollte der Handwerker daher die folgenden Überlegungen beachten:

Sind wegen des Auftragsvolumens Abschlagszahlungen notwendig?

Wann und in welcher Höhe sollen Abschlagszahlungen verlangt werden?

Ist eine klare und eindeutige Vereinbarung über die Abschlagszahlungen mit dem Auftraggeber erfolgt?

Sind die Teilleistungen vertragsgemäß erbracht und sind die Abschlagsrechnungen hierfür bezahlt?

Sollte dem Auftraggeber die Arbeitseinstellung angedroht werden, weil eine fällige Abschlagszahlung nicht bezahlt wurde?

Wenn der Handwerker diese Grundüberlegungen beachtet, ist er ausreichend gegen Forderungsausfälle geschützt und sichert seine eigene Liquidität.

Dr. Klaus Kemen

Kanzlei BBG Beiten Burkhardt Goerdeler, Berlin

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