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EU-Bürokratie

Achtung, Hygiene!

Wolfram Siebeck ist ein bekannter Feinschmecker. Doch Behörden, die Handwerksbetriebe drangsalieren, verderben ihm den Appetit. Siebecks Hilferuf: "Rettet die Schlachter."

In seiner wöchentlichen Kolumne im Zeit Magazin hat Siebeck jetzt die EU-Kommission tranchiert. Denn die habe "in ihrer unermüdlichen Fürsorge" eine Verordnung erlassen, die das Leben der Verbraucher sicherer machen soll. Brüssels Beamte, schreibt Siebeck, kämpfen unermüdlich für "keimfreie Produkte wie aromafreie Würste, schimmelfreien Käse und fettfreien Speck".

Worum es hier geht? Um die Folgen des so genannten EU-Hygiene-Paketes. Hinter diesem Begriff versteckt sich ein ganzes Bündel an Vorschriften. Ein Aspekt: Alle Betriebe, die selbst schlachten, benötigen dafür eine spezielle Zulassung. Nach einer mehrjährigen Übergangsfrist ist das Paket zum Beginn des Jahres in Kraft getreten.

Prinzipiell klingt das nach einer guten Sache: Strenge Hygiene in Zeiten der Gammelfleisch-Skandale. Das Problem aus Sicht der Fleischerhandwerks ist auch nicht die Verordnung selbst. Es geht um ihre ihre Umsetzung in Deutschland. "Die deutsche Gründlichkeit hat ein starkes Eigenleben geführt", sagt Wolfgang Lutz, Geschäftsleiter des Deutschen Fleischerverbandes (DFV).


"Keine Angst vor einem Stück Vieh"
Günter Janson ist ein Fleischermeister wie aus dem Bilderbuch: 1,80 m groß, 100 Kilogramm schwer, er hat "keine Angst vor einem Stück Vieh". Vorbildlich waren – zumindest aus Sicht der Verbraucher – auch die Abläufe in seinem Betrieb. Er hat Rinder und Schweine im Umkreis von 40 Kilometern um seinen Betrieb im nordrhein-westfälischen Bad Laasphe direkt von Bauern gekauft. Er konnte sich die Tiere ansehen und entscheiden, welche seinen Ansprüchen genügen. "Die Tiere, die wir geschlachtet haben, mussten nicht quer durch Europa gefahren werden", sagt Janson.

Janson hatte die EU-Zulassung quasi in der Tasche – sogar ohne größere Veränderungen. Dann kam der Tag, an dem die Zuständigkeit von einer Behörde zur nächsthöheren Instanz verschoben wurde. "Und dort sitzen keine Praktiker", seufzt Janson, "denen liegt mein Schlachthaus zu dicht an der Wurstküche." Jansons Theorie: Wenn sein Betrieb zu einem anderem Regierungsbezirk gehören würde, beispielsweise in der direkten Nachbarschaft in Hessen, dann dürfte er heute noch schlachten.

Richtlinien unflexibel übergestülpt
Damit ist Janson widerfahren, was viele seiner Kollegen erleben mussten. So mancher deutscher Beamter habe Richtlinien, die eigentlich für die fleischverarbeitende Industrie entworfen worden waren, den handwerklichen Betrieben "unflexibel übergestülpt", sagt DFV-Geschäftsleiter Lutz. Und vor allem kleinere Betriebe hätten vor den Folgekosten der EU-Vorgaben kapituliert. Janson: "Ich kann mein Schlachthaus ja nicht mal eben zehn Meter zur Seite versetzen."

Feinschmecker wie Wolfram Siebeck fahren in "die tiefste Provinz und suchen Metzger, die noch selbst schlachten". Die Suche dürfte seit Anfang dieses Jahres deutlich schwieriger geworden sein. Auch wenn das statistische Material eher dünn ist, eine Zahl gibt es. Nach DFV-Angaben haben in Baden-Württemberg 28 Prozent aller Betriebe, die geschlachtet haben, ihre Arbeit zwischenzeitlich eingestellt.

Siebeck ist bekannt für seinen Sarkasmus. In der Zeit-Kolumne beschreibt er die Situation so: "Hygiene bedeutet aus EU-Sicht, dass kein Europäer irgend etwas essen darf, aus dem ein Terrorist eine Bombe basteln oder ein Gourmet Genuss gewinnen könnte."

(sfk)

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