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Arbeitszeit-Debatte

Ärmel rauf, Arbeitskosten runter

40, 42, 50 Stunden, Streichkonzert bei Urlaubs- oder Feiertagen: In der Debatte um längere Arbeitszeiten gibt es kaum noch Tabus. Auch im Handwerk prallen unterschiedliche Meinungen aufeinander.

40, 42, 50 Stunden, Streichkonzert bei Urlaubs- oder Feiertagen: In der Debatte um längere Arbeitszeiten gibt es kaum noch Tabus. Auch im Handwerk prallen unterschiedliche Meinungen aufeinander.

Von Manfred Fischer

Das Ziel ist klar, der Weg dahin umstritten. Die Arbeitskosten in Deutschland müssen gesenkt werden, damit Betriebe dem steigenden Wettbewerbsdruck standhalten und nicht weitere Arbeitsplätze verloren gehen. Darin sind sich Unternehmer, Ökonomen und Politiker einig. Längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich gelten als ein probates Mittel.

Doch an welcher Stellschraube soll gedreht werden? Die Forderungen aus der Wirtschaft reichen von einer generellen Anhebung der Wochenarbeitszeit über eine Kürzung der Urlaubstage bis hin zur Abschaffung von Feiertagen. Auch das Handwerk zeigt sich uneins.

"Das Vernünftigste wäre, Feiertage zu streichen. Je mehr, desto besser", sagt der Vorsitzende des Tarifausschusses im Bundesverband Metall, Jürgen Schmid. Erforderlich sei ein "bundesweiter Gleichklang" und eine Anpassung an internationales Niveau, betont der schwäbische Unternehmer und Maschinenbaumeister.

Schon ein Feiertag weniger würde die Betriebe spürbar entlasten. Denn gerade das Handwerk leide unter hohen Lohnkosten. Während sie in der Großindustrie zehn bis 15 Prozent der Gesamtkosten ausmachten, schlügen sie im Handwerk mit bis zu 85 Prozent zu Buche. Der Effekt einer Entlastung: "Wenn die Produkte und Dienstleistungen günstiger sind, weil der Stundensatz geringer ist, dann steigt die Nachfrage und wir haben auch wieder mehr Beschäftigung."

Einer Kürzung der Urlaubstage oder pauschalen Erhöhung der Wochenarbeitszeit steht Schmid skeptisch gegenüber. Dann sei zu erwarten, dass sich eine Reihe Unternehmen aus dem Flächentarifvertrag verabschieden. "Das wollen wir im Handwerk nicht." Kleine Betriebe seien überfordert, selbst Tarifverträge abzuschließen, erklärt er.

Was Regelarbeitszeiten über 40 Stunden angeht, wie sie etwa der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) fordert, betont der Handwerksunternehmer: "In vielen Berufen sind die Leute nach 40 Stunden erschöpft und brauchen Erholung."

Dass Betriebe Urlaubstage mit Krankheitstagen verrechnen ? ein weiteres Anliegen des ZDH ? gehöre im Metallhandwerk bereits zur Praxis. Gang und gäbe sei auch eine flexible Ausgestaltung der Arbeitszeiten. Die im Tarifvertrag vereinbarte maximale Arbeitszeit von 48 Stunden sei an die gegenwärtigen Bedingungen "ausreichend angepasst", sagt Schmid.

Urlaub zu streichen, bringt nicht viel

Im Baugewerbe dagegen möchte man vor allem an dieser Stelle nachjustieren. "ImVordergrund bei der Debatte um die Arbeitszeiten muss der Gedanke der Flexibilität stehen," sagt der Geschäftsführer Recht beim Baugewerbe-Verband Sachsen-Anhalt, Giso Töpfer. Derzeit könnten die Beschäftigten bis zu 160 Überstunden ansammeln und im Winter oder bei schlechter Auftragslage abbummeln. Die Arbeitgeber wollten nun die Stundenkonten erweitern, das sei der richtige Ansatz.

"Urlaub zu streichen, bringt nicht viel", meint der Rechtsanwalt. Die elf Feiertage in Sachsen-Anhalt hält er jedoch für problematisch: "Das ist eher ein Standortnachteil."

"Mehr Arbeitslosigkeit"

Egal, ob höhere Regelarbeitszeit, weniger Feier- oder Urlaubstage: Die Gewerkschaften drohen die Wege zu geringeren Lohnkosten zu versperren.

"Von diesen Vorschlägen halten wir überhaupt nichts", sagt der Leiter der Tarifabteilung beim Deutschen Gewerkschaftsbund in Berlin, Reinhard Dobre. Die Ausdehnung der individuellen Arbeitszeit laufe darauf hinaus, dass das gesamte Stundenvolumen mit weniger Mitarbeitern erbracht wird. Und das bedeute mehr Arbeitslosigkeit.

"Man stelle sich mal die 50-Stunden-Woche vor: Wer soll denn die Mehrproduktion abnehmen", fragt Dobre. Die Leute müssten ihr Konsumverhalten schon drastisch verändern.

Auch dass längere Arbeitzeiten im Handwerk die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe stärken, hält Dobre eher für ein Hirngespinst: "Wenn in jedem Betrieb mehr gearbeitet wird, worin besteht dann der Wettbewerbsvorteil auf dem heimischen Markt?"

Wie die aktuelle Umfrage von handwerk.com zeigt, kann auch so mancher Unternehmer die Forderungen nach Mehrarbeit derzeit nicht nachvollziehen: "Längere Arbeitszeit heißt, ich muss auch die Aufträge haben, um die Mitarbeiter zu beschäftigen." Da sehe es in seiner Branche eher bescheiden aus, sagt Peter Gödeke, Juniorchef der Metall und Laser Technik GmbH in Hannover. Gelegentliche Auftragspitzen könne man gut über Zeitarbeitskräfte abpuffern.

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