hwc:
Herr Volkelt, die Gründe für eine Insolvenz scheinen klar: Überschuldung, drohende oder echte Zahlungsunfähigkeit. Doch wo verläuft die Grenze zwischen einem vorübergehenden Umsatzeinbruch und einem echten Insolvenzgrund?
Lothar Volkelt:
In der Praxis ist diese Grenze fließend. Selbst ein vorübergehender Umsatzeinbruch kann zur Zahlungsunfähigkeit führen. Zahlen Sie nicht mehr, dann kann der Gläubiger jederzeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen. Ganz wichtig ist in diesem Fall die Psychologie. In der Krise des Unternehmens darf nie der Eindruck aufkommen, dass die Geschäftsführung den beteiligten Banken, Gläubigern und Geschäftspartnern Fakten vorenthält. Dann ist eine erfolgreiche Sanierung in der Regel nicht mehr durchzusetzen.
hwc:
Wie viel Zeit bleibt einem Unternehmer oder einem GmbH-Geschäftsführer bis zum Insolvenzantrag?
Lothar Volkelt:
Um zu verhindern, dass der Unternehmer mit zusätzlichem privatem Vermögen gerade stehen muss, muss er unverzüglich handeln. Also sofort, wenn er erkennt, dass die Krise da ist - dass fällige Rechnungen nicht mehr gezahlt werden können oder dass die Schulden das Gesellschaftsvermögen übersteigen. Jeder zusätzliche Euro Schulden muss sonst aus dem Privatvermögen gezahlt werden. Ein GmbH-Geschäftsführer muss spätestens drei Wochen nach Vorliegen von Illiquidität, drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung handeln. Sonst macht er sich sogar strafbar. Da es nicht ganz einfach ist, diesen Nachweis zu erbringen, sollte der Unternehmer unbedingt jeden einzelnen Schritt protokollieren - also Datum und Gesprächsinhalte mit dem Steuerberater, mit der Bank und auch mit den Gläubigern festhalten.
hwc:
Wie lange dauert es, bis der vorläufige Insolvenzverwalter aktiv wird?
Lothar Volkelt:
Zunächst prüft ein Gutachter, ob das Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet wird. Das kann ja zum Beispiel "mangels Masse" abgelehnt werden. Diese Prüfung dauert nur wenige Tage bis ein oder zwei Wochen. Anschließend wird der Insolventverwalter eingesetzt. Das eigentliche Insolvenzverfahren kann - je nach Umfang des Geschäftsbetriebes - einige Monate, aber auch schon einmal ein paar Jahre dauern. Das hängt ganz entscheidend auch vom Verlauf des Verfahrens ab.
hwc:
Was darf der Unternehmer nach dem Insolvenzantrag noch tun, wenn zum Beispiel noch Aufträge abgearbeitet werden müssten?
Lothar Volkelt:
Ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters hat er keine Möglichkeit mehr, in den laufenden Geschäftsbetrieb einzugreifen. Man sollte sich um eine Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung bemühen. Auch dann muss sich der Unternehmer mit dem Verwalter absprechen. Aber damit ist sichergestellt, dass er Einfluss auf Aufträge nehmen und Kunden wie auch Zulieferer besser in das Verfahren einbinden kann. Auf jeden Fall gilt: Geschäftsführer haben im Insolvenzverfahren Rechte und der Insolvenzverwalter hat die Pflicht, alles zu tun, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Jede Geschäftschance muss wahrgenommen werden.
Das Interview führte Jörg Wiebking
Lothar Volkelt ist Autor von Fachinformationen für GmbH-Geschäfstführer. Sein neustes Werk: "Schnellkurs Insolvenz: Rechte, Pflichten, Sofortmaßnahmen" wendet sich an Inhaber und Geschäfsführer kleiner und mittlerer Unternehmen und kann als Download im Internet unter http://handwerk.com/insolvenz-ratgeber.htm
für 14,90 EUro bezogen werden.