Ralf Kracke wollte ein guter Arbeitgeber sein. Deshalb hat der Geschäftsführer des hannoverschen Bauunternehmens Renziehausen einen Mitarbeiter erst abgemahnt und dann entlassen. Einen Mitarbeiter, der seine türkischen, portugiesischen und russlanddeutschen Kollegen immer wieder diskriminiert hat. Sie „Russenschweine“, „Kanaken“ oder „Ölaugen“ genannt hat.
„Er hat als Vorarbeiter die Baustelle häufiger vorzeitig verlassen, weil er mit Türken und Russen nicht mehr zusammenarbeiten wollte.“ So schildert Kracke die Geschichte zu dem Fall, in dem er als Beklagter vor dem hannoverschen Arbeitsgericht unterlag.
Der Mitarbeiter hat im Prozess zugegeben, einen türkischstämmigen Kollegen mehrmals „Ölauge“ genannt zu haben. In dieser Bezeichnung sah das Gericht jedoch keinen wichtigen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung. Laut Urteilsbegründung ist der Begriff „nicht allzu bekannt“ und stellt damit „keine grobe Beleidigung“ dar. Das Gericht stützt sich unter anderem auf einen ehrenamtlichen Richter, der mit verhaltensauffälligen Jugendlichen türkischer und arabischer Herkunft arbeitet. Ihm war der Begriff nicht bekannt. Ein Sachverständigengutachten hielt das Gericht nicht für notwendig.
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Schaut man sich jedoch etwas genauer in verschiedenen Quellen um, wird deutlich, dass der Ausdruck „Ölauge“ ein Schimpfwort für „Türke“ oder „Araber“ ist und insbesondere im rechtsextremen Umfeld gebraucht wird. Zum Beispiel ist es auf Wikipedia in einer Liste abwertender Volksbezeichnungen oder auf www.extraktnetz.net in einer Liste mit 908 Schimpfworten enthalten. Auch in Foren ist der Begriff mit eindeutig abwertender Bedeutung immer wieder zu finden.
Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen, meint: „Der Fall hätte genauer geprüft werden müssen. Vermutlich liegt ein weitreichendes ausländerfeindliches Verhalten dahinter.“ Der Ton im Baugewerbe sei zwar rauer als beispielsweise im Versicherungsbüro. Bei Beleidigungen oder Diskriminierungen hörten die Unterschiede jedoch auf. „Wenn ein Arbeitnehmer Kollegen aufgrund ihrer Herkunft nachhaltig provoziert, ist der Betriebsfrieden gestört. Dann muss der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht für die diskriminierten Mitarbeiter nachkommen.“ Auch nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz hat der Arbeitgeber die Pflicht, auf die Beschwerde eines diskriminierten Mitarbeiters zu reagieren und für Abhilfe zu sorgen.
„Das Gesetz kennt keine absoluten Kündigungsgründe"
Der Direktor des Arbeitsgerichts Hannover, Kilian Wucherpfennig, stellt sich hinter die Entscheidung. Die Richter seien der Linie des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, die anhand des Urteils im Fall der Kassiererin Emmely aufgestellt worden sei. „Das Gesetz kennt keine absoluten Kündigungsgründe“, sagte Wucherpfennig. Jeder Fall müsse einzeln geprüft werden. Im „Ölaugen-Fall“ sei die langjährige Betriebszugehörigkeit zugunsten des Arbeitnehmers ins Gewicht gefallen. Zudem habe der Beklagte die Dinge möglicherweise in der ersten Instanz unzureichend und nicht rechtzeitig beigebracht.
Den Vorsitzenden Richter hat Ralf Kracke nach dem Urteil gefragt. „Wiedereinstellung. Wie stellen Sie sich das vor?“ Der Unfrieden im Betrieb sei vorprogrammiert. Bisher ist der Gekündigte im Betrieb jedoch nicht wieder aufgetaucht. Gegen das Urteil hat Kracke Berufung eingelegt.
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(bw)
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