
Nicht nur Azubis selbst lernen bei Auslandsaufenthalten dazu. Auch Betriebe können profitieren, wenn sie Auszubildende in andere Länder schicken. "Die jungen Menschen können vor Ort Kontakte knüpfen, die möglicherweise für weitere Geschäftsbeziehungen von Bedeutung sind", weiß die Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Magdeburg, Leona Grulich. Außerdem beobachten Azubis vor Ort den Markt, aus strategischer Sicht ist das nicht uninteressant, betont sie.
Daniel Tontarskis größte Befürchtung war, dass ihn die Spanier nicht verstehen. Als er im August sein Auslandspraktikum antrat, war ihm die Sprache noch fast fremd. Der Auszubildende der Funke OHG in Twistringen hat in Sevilla zunächst einen Sprachkurs gemacht und dann in einem Kältetechnikbetrieb gearbeitet. "Jetzt verstehe ich richtig viel, das Sprechen fällt mir allerdings noch schwer", berichtet der 18-Jährige nach seiner Rückkehr.
Besonders spannend war der Einblick in die fremde Arbeitswelt. "Da läuft schon einiges anders als hier. Aber die Zusammenarbeit hat trotz Sprachdefiziten gut geklappt." Auch persönlich hat er von dem sechswöchigen Aufenthalt profitiert: "Ich merke, dass ich offener auf Menschen zugehe und ich habe an Selbstbewusstsein gewonnen." Wenn man längere Zeit auf sich allein gestellt ist, müsse man Probleme auch selbst lösen. Und das habe gut funktioniert.
Die Mitarbeiter des Sanitär-, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik-Betriebs aus Twistringen sind schon seit einiger Zeit in Skandinavien aktiv, auch in der Schweiz und Italien haben sie schon Aufträge gehabt. Über das Auslandspraktikum hat die Firma von der Handwerkskammer erfahren. Angepackt hat das Projekt Carlo Bottermann. Er ist in dem 50-Mann-Betrieb mit 12 Azubis für die Planung und technische Leitung zuständig und war während seines Studiums mehrmals im Ausland. "Die Sicht auf verschiedene Dinge ändert sich, wenn man Land und Leute aus anderer Perspektive sieht", sagt Bottermann. Es sei eine gute Referenz für den Betrieb, wenn er über die Erfahrungen seiner Azubis berichten kann. Bottermann ist direkt auf Tontarski zugegangen. "Die schulischen Leistungen müssen stimmen, sonst verpasst man nach der Rückkehr den Anschluss", sagt er.
Das bestätigt Mobilitätsberaterin Grulich. Sie rät Betrieben aber auch dazu, nicht nur die Besten auszuwählen. "Das steigert den Ehrgeiz und gibt einen Schub für die weitere Ausbildungszeit." Wer Interesse an einem Praktikum hat, kann sich an die Handwerkskammern wenden. Welche Stelle und welches Land sich eignet, müsse man in einem persönlichen Gespräch ermitteln. Es gibt vielfältige Möglichkeiten (siehe Text unten). "Die meisten Infoveranstaltungen finden an den Berufsschulen statt", sagt Grulich. Sie rät Chefs auch dazu gehen, ruhigere Azubis zu einem Praktikum zu motivieren. Auch sie seien froh über die Chance, außerhalb Deutschlands zu arbeiten.
Daniel Tontarski hatte jedenfalls keine Schwierigkeiten, den Lehrstoff nach den sechs Wochen nachzuarbeiten. Neben der Erfahrung in dem spanischen Betrieb hat der Azubi auch viel über Land und Leute gelernt. "Sevilla ist eine wunderschöne Stadt, ich werde bestimmt noch einmal hinfahren", sagt er. Dann hat er auch keine Angst mehr, nicht verstanden zu werden.
Was Sie vor dem Praktikum beachten sollten, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Das sollten Betrieb und Azubi vor dem Praktikum beachten.
Zeitpunkt: Bevor sich Auzubi und Betrieb für ein Auslandspraktikum entscheiden, sollten sie den Zeitpunkt sorgfältig auswählen. Dabei ist zu beachten, wieviel Lehrstoff in der Berufsschule versäumt wird. Alternativ gibt es nach Aussagen von Leona Grulich auch Online-Lernplattformen über die der Azubi auch im Ausland im Thema bleiben kann.
Sprache: Die beste Vorbereitung ist vor der Abfahrt noch ein Sprachkurs an der Abend- oder Volkshochschule. Dann sind die ersten Hürden im fremden Land leichter zu überwinden. Klappt das nicht, sollte die Sprachschule im Zielland dem eigentlichen Praktikum direkt vorausgehen.
Fristen: Vier bis fünf Monate Vorlaufzeit sollte für ein Praktikum im Ausland eingeplant werden. Wer spontan einen Platz bekommt, für den gibt es auch innerhalb von einem oder zwei Monaten die Förderung von der Europäischen Union (EU).
Unterstützung: Nicht nur der Betrieb sollte den Jugendlichen für das Praktikum motivieren. Auch Freunde und Familie sollten hinter dem Projekt stehen. Das erleichtert dem Azubi die Entscheidung. Eine hohe Eigenmotivation des Azubis gehört auch dazu, weiß die Mobilitätsberaterin.
Kosten: Bei der Wahl des Landes sollte des Kostenfaktor nicht außer Acht gelassen werden. Die Lebenshaltungskosten sind unterschiedlich. Manche Betriebe geben ihren Azubis auch eine kleine finanzielle Unterstützung extra mit auf den Weg. (ja)
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Im Gespräch mit den Mobilitätsberatern der Handwerkskammern kommen Betriebe ans Ziel.
"Grundsätzlich finden wir für jeden Auszubildenden, der Interesse an einem Auslandspraktikum hat, einen Platz", sagt Leona Grulich. Auf Informationsveranstaltungen in den Berufsschulen stellt sie die Programme vor. Ist ein spezielles Gewerk gefragt, spreche sie auch Betriebe direkt an oder schickt Informationsmaterial. "Der nächste Schritt ist, dass wir uns gemeinsam überlegen, wo es hingehen soll", berichtet sie. Von Vorteil sei, wenn der Betrieb schon Kontakte ins Ausland hat. Die meisten Azubis nehmen am "Leonardo da Vinci"-Programm teil. Die EU finanziert in diesem Fall den Flug und einen Teil der Lebenshaltungskosten. Wer in einer Gastfamilie unterkommt, habe kaum zusätzliche Kosten. Besonders beliebt seien englischsprachige Länder. Auch nach Skandinavien gehen viele Jugendliche gern. Dort sind die Bau- und Ausbaugewerke gefragt. Spanien und Italien sind ebenso beliebt.
Die Handwerkskammer Oldenburg geht zusätzlich einen anderen Weg und bietet im Rahmen einer Partnerschaft den besten Gesellen eine Fahrt nach Frankreich an. "Die Kosten tragen wir. Das ist eine zusätzliche Ehrung für die gute Leistung der Absolventen", sagt Heiko Henke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Kammer. (ja)
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