Die Automobilindustrie wildert in fremden Revieren: In vier Jahren soll jeder dritte Neuwagenkäufer eine Versicherungspolice der Autohersteller unterschreiben. Das Vorhaben könnte den Markt für Reparaturen kräftig durcheinanderwirbeln.
Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Mummert amp; Partner Unternehmensberatung unter 50 Topmanagern der großen Versicherungen und Autokonzerne.
Bei den Herstellern scheint die Erkenntnis angekommen zu sein, dass die Versicherungen zunehmend Unfallautos in freie Werkstätten lenken (handwerk.com berichtete). Das Stichwort zum Trend: Schadensmanagement.
Versicherungsschäden sind jahrelang an der oberen Preisskala abgerechnet worden, sagt Klaus-Jürgen Heitmann, Seniormanager bei Mummert amp; Partner, im Gespräch mit handwerk.com. Daher sei es nicht weiter verwunderlich, dass die Versicherer vor allem mit Karosseriebauern günstige Verträge abgeschlossen hätten und ihren Kunden entsprechende Empfehlungen geben würden.
50 Prozent des Gewinns mit Reparaturen
Bittere Folge für die Vertragshändler der Autohersteller: erhebliche Lücken in den Auftragsbüchern ihrer Werkstätten. Gleichzeitig bezeichnet Heitmann das Geschäft mit den verbeulten Kotflügeln und den Kratzern im Lack als die wichtigste Ertragssäule im Kfz-Gewerbe: Die Reparaturen machen nur zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus, aber 50 Prozent des Gewinns. Die Taktik beim Neuwagenverkauf reduziere sich eben auf eine einzige Frage: Wer gibt mir den größten Rabatt? Weil der Anteil der gewerblichen Verkäufe steige, werde immer härter verhandelt.
Ein Frage drängt sich in diesem Zusammenhang auf. Ist die Neuorientierung der Hersteller vielleicht ein erster und eiliger Versuch, der befürchteten Liberalisierung des Autohandels zu begegen? Ja, antwortet Heitmann nach kurzem Zögern, die Autoindustrie macht sich Gedanken darüber, wie sie ihre Händler stärken und die Kunden weiter an ein exklusives Netz binden kann.
Verbraucher als lachender Dritter?
Dass die Gewährleistungen für Autos ausgeweitet werden, geschieht nach Heitmanns Ansicht ja auch nicht, weil die Hersteller so freundlich sind, sondern weil mit der Garantie bestimmte Werkstattleistungen verbunden sind. Das Schadensmanagement sei ganz klar ein politisches Mittel zum Zweck.
Das hat auch die Versicherungswirtschaft erkannt. Der Mummert amp; Partner-Studie ist zu entnehmen, dass die Versicherungen darüber nachdenken, bereits in den Kaskopolicen ein Werkstattnetz vertraglich festzuschreiben. Da aber auch die Autohersteller alles dafür tun werden, die Autofahrer über spezielle Versicherungsangebote in die Werkstätten ihrer Vertragshändler zu locken, scheint der Kampf der Konzerne unausweichlich zu sein. Immerhin: Der Verbraucher könnte der lachende Dritte sein, da sich der verschärfte Wettbewerb positiv auf die Preise der Versicherungsverträge auswirken dürfte.
Die Technik bringt den Vorsprung
Im einem Punkt haben die Autokonzerne aus Heitmanns Sicht in der Zukunft die Nase vorn, denn sie können technische Innovationen als weiters Lenkungsmittel einsetzen. Ein Beispiel? Wahrscheinlich werden die Navigationssysteme mit elektronischen Diagnosesystemen gekoppelt, erwartet der Unternehmensberater. Wenn es krache und ein Scheinwerfer und der Kühler kaputt seien, lasse sich daraus ein mittelschwerer Unfall ableiten. Das Autotelefon könne dann einen automatischen Notruf an das Callcenter des jeweiligen Herstellers senden. Und der schickt im selben Augenblick den Abschleppwagen raus. Wir werden immer transparenter.
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