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Foto: handwerk.com

Wiedergeburt eines Weltrekordlers

Autos mit ganz viel Gefühl

Fynn und Ulrich Weinberg sind gefragte Fachleute, wenn es um die Restaurierung und die Rekonstruktion alter Autos geht. Doch was jetzt in ihrer Werkstatt entsteht, ist einzigartig.

Irgendwo am Ortsrand von Zetel. Am Straßenrand steht ein altes Bauernhaus. Kein Firmenschild, kein Hinweis, nichts deutet darauf hin, dass hier hochkarätige Oldtimer eher die Regel als die Ausnahme sind. In der Werkstatt hinter dem Haupthaus sitzen zwei Männer an einem großen Tisch. Sie sind in eine Zeichnung vertieft. Das Dokument zeigt die Karosserie eines stromlinienförmigen Rennwagens. Es ist ruhig in der Werkstatt. Kein Maschinenlärm, kein Gehämmer, keine Druckluftschrauber. Nur gute Rockmusik dringt leise aus Lautsprechern.

Fynn und Ulrich Weinberg sind Vater und Sohn. Fynn ist noch in der Ausbildung. Er steht kurz vor der Abschlussprüfung. Im Betrieb sind die Weinbergs ein Team. Die Zeichnung, über der die Beiden brüten, zeigt den Hanomag-Weltrekord-Wagen.

Mit dem hat das Hannoversche Maschinenbauunternehmen 1939 Geschwindigkeitsweltrekorde bei der Rekordwoche in Dessau aufgestellt. Rekorde, die bis weit in die 50er Jahre Bestand haben sollten. Denn Hanomag hat damals als einer der ersten Automobilbauer überhaupt auf Dieselmotoren gesetzt. Die Rekordfahrten sollten zeigen, wie leistungsfähig ein Selbstzünder ist.

„Basis für den Nachbau der Karosserie waren die Zeichnung und wenige Fotos. Viel mehr Material existierte zu Beginn der Rekonstruktion nicht“, sagt Ulrich Weinberg.

Der Plan wurde auf den Maßstab 1:1 vergrößert. Dann haben die Weinbergs ihn immer wieder studiert und mit den Fotos und den Maßen des bereits restaurierten Fahrwerks verglichen.

„Stück für Stück spüren wir so die Fehler auf, welche die Konstrukteure in den Zeichnungen gemacht haben und überlegen, wie die Ingenieure sie beim Karosseriebau umgesetzt und abgeändert hatten.“

Alles original nach der Zeichnung - besser nicht. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Viel Gefühl für Formen

So weicht zum Beispiel die Frontpartie des Nachbaus ein gutes Stück von den Maßen in der Zeichnung ab. Sie ist höher als es in der Zeichnung vorgesehen ist. „Das haben die Fahrzeugbauer damals auch gemacht, sonst hätten sie, wie wir, den Motor nicht einbauen können“, schildert Weinberg und beschreibt damit die Stärke seines Betriebes: Hier weicht halt die Theorie von der Praxis ab. Denn eine Original-Konstruktionszeichnung konnte nicht immer 1:1 umgesetzt werden.

Sohn Fynn ist unterdessen in den Nebenraum gegangen. Mit einer einfachen Biegevorrichtung bringt er ein weiteres Teil des Gitterrohr-Rahmens in Form, der später die Karosserie aus Aluminium-Blech tragen soll. Immer wieder nimmt er das Konstruktionsrohr aus der Vorrichtung und überprüft am Fahrzeug, ob die Form jetzt stimmt. Noch ist er nicht zufrieden und spannt das Rohr erneut in die Biegelehre. Wieder drückt er das Rohr mit Muskelkraft und ganz viel Gefühl nach unten, so dass es Millimeter für Millimeter den richtigen Radius annimmt.

„Unsere Arbeit hat viel mit Gefühl für Formen und Proportionen zu tun“, sagt Weinberg Junior und hält die Karosseriestrebe erneut ans Fahrzeug. „Ja. So muss es sein, nun bin ich zufrieden.“

Die Liebe zum Detail, die an solchen Szenen deutlich wird, lässt in der Weinbergschen Werkstatt immer wieder Ergebnisse entstehen, die auch erfahrene Sammler und sogar die Hersteller begeistern. Entsprechend lang ist die Referenzliste des Handwerksbetriebes aus Zetel. Darauf finden sich Sammler ebenso wie bekannte Firmen wie Ferrari oder Porsche. Denn auch die Hersteller selbst vertrauen bei der Restaurierung ihrer besonders edlen Pretiosen auf die Handwerkskunst aus Zetel. Der Sinn für die noch so kleinen Details und die fachliche Kompetenz zeichnen die Arbeiten aus.

Und wie kommt diese Liebe zum Detail in der breiten Öffentlichkeit an? Lesen Sie auch die letzte Seite.

Publikumsmagnet auf der Messe

Weinberg-Bremen

Der Hanomag ist inzwischen fahrfertig. Während die Weinbergs den Gitterrohrrahmen als Basis für die Karosserie aus Aluminiumblech herstellten, haben die Initiatoren des Projektes „Weltrekordler aus Hannover – die Hanomag Interessengemeinschaft und der Arbeitskreis Technik und Industrie Geschichte (kurz: AK TIG) – Motor und Fahrwerk aufgebaut. „Was nun noch fehlt, sind weitere Sponsoren“, sagt Horst-Dieter Görg. Der Vorsitzende der Hanomag-Interessengemeinschaft und Sprecher des AK TIG) ist die treibende Kraft hinter der Rekonstruktion des einzigartigen Fahrzeugs. Mit ihrer Hilfe soll auch das silberne Alublech-Kleid des Rennwagens von den Weinbergs hergestellt werden.

Dass das klappt, da ist Görg zuversichtlich. Rückenwind dürfte ihm dabei die positive Resonanz gegeben haben, die die Macher auf der Bremen Classic Motor Show erhalten haben. Dort stand der Rennwagen Anfang Februar im Mittelpunkt der Oldtimer-Messe, die gut 45 000 Besucher nach Bremen gelockt hat.

Nicht minder spektakulär dürfte eine Aktion mit der Kfz-Innung Dessau dieser Tage werden, bei der der originalgetreue Nachbau des Weltrekordlers aus Hannover an den Ort zurückkehrt, wo Hanomag-Sportchef Karl Haeberle vor 75 Jahren die Rekorde aufgestellt hat.

(ha)

Mehr zu dem, was Ulrich und Fynn Weinberg in ihrer Werkstatt auf die Räder stellen, finden Sie auf der Homepage des Handwerkbetriebes aus Zetel: www.weinberg-oldtimer.de

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