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Formulare, Formulare

Bearbeitungszeit bedenklich lang

Ein Betrieb hat einen öffentlichen Auftrag so gut wie in der Tasche. Es geht um satte 76.000 Euro. Für die endgültige Zusage fehlt nur noch die Unbedenklichkeitsbescheinigung einer Krankenkasse – und schon dreht sich das Bürokratiekarussell.

Neues vom ganz normalen Wahnsinn. Dieser fast banale Fall verdeutlicht zwei Dinge. Erstens: Betriebe müssen die seltsamsten Hürden meistern. Zweitens: Eine Presseanfrage kann sich auszahlen.

Der Betrieb: die Parkettstudio GmbH im niedersächsischen Dannenberg. Der Chef heißt Werner Schulz, beschäftigt 10 Mitarbeiter, hat mehr als 30 Lehrlinge ausgebildet und so ziemlich alles erlebt (und gemeistert), was ein Handwerksunternehmer erleben kann. Aktuell ist Schulz (beinahe) an einer Lappalie gescheitert.

Der Fall: Schulz gewinnt eine öffentliche Ausschreibung, wird aber am vergangenen Freitag vom Landkreis darauf hingewiesen, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung seiner Krankenkasse nicht mehr gültig ist. Als Schulz' Sekretärin das regeln will, teilt ihr eine Sachbearbeiterin der Krankenkasse mit, dass das Konto des Parkettstudios mit 400 Euro im Minus sei.

Nächste Seite: Der Überweisungsbeleg genügt der Krankenkasse nicht.

Sachbearbeiterin beharrt auf den Vorschriften

Das Geld wird fix überwiesen. Am Montag bespricht Schulz' Frau Gabriele das weitere Procedere mit einer Krankenkassen-Mitarbeiterin. Ein Fax mit der Kopie der Online-Überweisung geht auf die Reise. Die Stunden gehen ins Land, der Landkreis wartet auf das Formular, der Dienstag vergeht, der See ruht still, am Mittwoch vergeht auch Schulz – und zwar die Geduld.

Mittwoch, 12.33 Uhr. Werner Schulz meldet sich in der handwerk.com-Redaktion. Gerade hat ihn eine Mitarbeiterin der Krankenkasse darauf hingewiesen, dass sie die Unbedenklichkeitsbescheinigung erst dann ausstellen könne, wenn das Geld tatsächlich auf dem Krankenkassenkonto gutgeschrieben worden sei. An eine Absprache könne sie sich nicht erinnern.

„Geht's noch?“, fragt Schulz. Bei lächerlichen 400 Euro müsse das Fax mit dem Überweisungsbeleg doch ausreichen: „Gut, wir haben geschlafen, wir hätten das eher beantragen müssen. Aber so viel Vertrauen kann ich doch wohl erwarten.“ Scheinbar nicht. Die Mitarbeiterin der Krankenkasse beharrt auf ihrem Standpunkt. Die Landkreisbehörde, die den 76.000 Euro-Auftrag abwickeln will, muss sich weiter gedulden.

Nächste Seite: Die Pressestelle der Krankenkasse schaltet sich ein – mit Erfolg!

Kennen Sie ähnlichen Ärger mit Bürokraten?

Mittwoch, 16.48 Uhr. Die handwerk.com-Redaktion sendet der Krankenkasse eine „Eilige Presseanfrage“. Inhalt: „Einer unserer Leser wartet dringend auf eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dem Mann geht ein größerer Auftrag durch die Lappen, wenn er das Dokument nicht fix vorlegen kann. Unter anderem ist das Dokument noch nicht rausgegangen, weil sein Konto 400 Euro im Minus war (das Geld hat er aber längst überwiesen). Könnten Sie sich in dieser Sache bitte einschalten, die Kollegen in Lüneburg sind offenbar überfordert?!“

Mittwoch, 17.11 Uhr. Die Krankenkasse schickt Schulz eine „Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht im Zusammenhang mit Medienanfragen“. Schulz unterschreibt das Dokument und faxt es zurück – die Pressestelle der Krankenkasse wird aktiv.

Donnerstag, 9.30 Uhr. Schulz ruft an: „Die Unbedenklichkeitserklärung liegt im Faxgerät. Klasse, vielen Dank für Ihren Einsatz!“ Gern geschehen. Schulz und seine Leute können die Böden in einem Lüneburger Gymnasium verlegen.

Donnerstag, 10.15 Uhr. Der stellvertretende Regionalgeschäftsführer der Krankenkasse schreibt uns: „Nachdem nunmehr alle Voraussetzungen erfüllt waren, konnten wir dem Betrieb heute per Fax die angeforderte Bescheinigung zur Verfügung stellen.“ Na, so ein Zufall.

Kennen Sie solche Situationen. Haben Sie ähnliche Erfahrungen mit Krankenkassen, Finanzämtern und anderen Verwaltungen gemacht? Dann schreiben Sie der Redaktion - und Ihren Kollegen!

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(sfk)

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