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„Plötzlich schließt uns der Kunde ein“

Beleidigt, angeschrien und eingesperrt

René Budries hat schon viel erlebt mit aggressiven Kunden. Seine Gegenstrategie: Ruhe bewahren, hochwertige Leistungen und ein Inkasso-Mann.

Das Verhältnis zwischen Handwerkern und Kunden wird schlechter. Verbale Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung. Drohungen, Körperverletzungen und Sachschäden nehmen zu. Wie reagieren eigentlich Handwerker darauf? Und sind sie nicht manchmal selbst schuld? Wir haben René Budries gefragt, Tischlermeister aus Salzgitter.

Wie ist die Stimmung unter den Kunden, Herr Budries?
Budries lacht: Ganz allgemein werden die Kunden griffiger, aggressiver. Auch Beleidigungen haben zugenommen. Neulich hat uns ein Kunde in seiner Wohnung eingeschlossen. Das war schon der Härtefall.

Was war da los?
Wir sollten einen neuen Fußboden in einer Mietwohnung begutachten. Da hatte es einen Wasserschaden gegeben. Der Kunde meinte, der Boden sei noch feucht und es habe sich Schimmel gebildet.

Also fuhren wir hin und sahen uns das an: alles wieder trocken und keine Spur von Schimmel. Da wurde der Mann wütend. Er wollte wohl die Kosten für einen neuen Fußboden auf den Vermieter abwälzen. Erst hat er uns beschimpft, dann beleidigt. Dabei ist der Mann über 70, hat einen Doktor-Titel und ist Ingenieur. Ich bin ruhig geblieben, aber irgendwann reichte es mir dann doch, also ging ich in Richtung Tür.

Plötzlich schloss er die Tür ab, steckte sich den Schlüssel in die Hosentasche und schrie: ‘Sie bleiben hier, bis das geklärt ist.‘ Also griff ich zum zum Handy und wählte 110. Kaum hatte ich die Polizei am Telefon, schon ging die Tür wieder auf.

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Aber das ist doch ein Einzelfall?

Meinen Sie? Wir waren noch nicht ganz aus der Tür und die Treppe runter, da hat uns eine Frau eine Etage tiefer abgefangen. Auch eine Doktorin, so um die 65. Die hatte angeblich was von dem Wasserschaden abbekommen und das sollte ich auch begutachten.

Die Frau hat mich die ganze Zeit am Arm festgehalten und gezerrt und mich immer wieder angebrüllt, immer die gleiche Frage: ‘Wissen Sie, in welche Richtung Wasser läuft?’ Ich musste meinen Arm wegreißen. Jetzt kann ich darüber lachen, aber im Nachhinein war das schon der emotionalste Termin, den ich bisher hatte – nicht nur verbal.

Woran liegt es, dass Kunden aggressiver werden?
Zum Teil liegt das sicher daran, wenn Kunden schlechte Erfahrungen mit Handwerkern haben. Davon gibt es eine ganze Menge. Wie haben viele von diesen verschlissenen Kunden. Die rechnen bei jedem Handwerker mit dem Schlimmsten und lassen ihren Frust raus. Die brauchen ihre Zeit, um zu merken, dass wir anders sind.

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Aber Fehler passieren doch jedem mal, Ihnen etwa nicht?

Natürlich. Es kommt doch darauf an, wie man damit umgeht. Ich lasse das nicht eskalieren. Ich will keine langen Streitereien vor Gericht, sondern zufriedene Kunden. Ganz besonders dann, wenn die Kunden im Recht sind.

Zum Beispiel haben wir vor einem halben Jahr bei einem Kunden Deckenabschlussleisten angebracht. Ein Auftrag über 500 Euro. Die Ehefrau hatte die Abnahme unterschrieben.

Ein paar Tage später stand der Ehemann bei uns im Betrieb mit einem Fotoapparat in der Hand und schrie herum. Das sei ja alles Schrott, woher ich meinen Meisterbrief hätte … Die Kamera hatte er dabei, weil er mir zeigen wollte, was nicht in Ordnung war. Ihm zitterte so die Hand, dass kaum etwas zu erkennen war.

Also habe ich versucht, ihn zu beruhigen. Wir sind dann in die Wohnung gefahren. Ich war noch nicht ganz durch die Tür, da schrie mich die Frau an, sie wolle 200 Euro von der Rechnung einbehalten. Ich habe mir das angesehen und muss ganz klar sagen: die beiden hatten recht, die Leisten waren wirklich nicht in Ordnung. Das haben wir in Ordnung gebracht.

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Spielt Geld nicht auch eine große Rolle, wenn Kunden wütend werden?

Aggressivität geht immer damit einher, nicht zahlen zu wollen oder zu können.

Teilweise kann ich das sogar verstehen. Wenn man sich mal etwas leisten möchte, darauf spart und einen Handwerker engagiert, dann erwartet man eine gute Leistung und will sich nicht ärgern.

Manche Menschen verschätzen sich auch, die können einfach nicht zahlen, was sie bestellt haben. Da findet sich dann schon eine Lösung, Ratenzahlungen zu Beispiel. Ich bekomme doch lieber 1000 Euro in 20 Raten, als den Kunden zu verklagen, einen Anwalt zu bezahlen und am Ende gar nichts zu haben.

Was mich ärgert, sind die anderen Fälle. Kunden, die nach Mängeln suchen und aggressiv auftreten, um Handwerker einzuschüchtern und dann den Preis zu drücken. Da fackele ich auch nicht lange und gebe die Sache an ein Inkassobüro weiter. Das funktioniert meistens sehr gut.

Also fahren Sie auch nicht immer die sanfte Tour?
Wieso denn? Ein Inkassobüro ist doch auch ein Beitrag dazu, einen Streit nicht eskalieren zu lassen. Ich bin raus aus der Situation und der Inkasso-Mann ist nicht emotional beteiligt. Der kann die Forderungen ganz sachlich und ruhig durchsetzen.

Lohnt sich die sanfte Tour denn, dieses dauernde "Kunden begeistern"?
Was bleibt uns da noch übrig? Mit Billig-Handwerkern können wir nicht konkurrieren. Das wollen wir auch nicht, das rechnet sich nicht und bringt nur Ärger.
 
Also müssen wir an die obere Kundschaft ran. Und das geht nur über Service und Kundenorientierung. Über hochwertige Leistung und marktgerechte Preise. Begeisterte Kunden zahlen gerne etwas mehr. Und sie werden auch nicht so schnell aggressiv.


(jw)


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