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Foto: handwerk.com

Eine App als Innovationsmotor

Bestell-App für Brötchen: Chance oder Risiko?

Eine App zum Brötchen bestellen und Bonuspunkte sammeln: Eine Bäckerei geht damit kommendes Jahr an den Start. Das Ziel: viele neue Kunden. Welche Chancen und Risiken bringt so ein Mammut-Projekt mit sich?

Eigentlich eine super Idee: Der Außer-Haus-Verkauf von belegten Brötchen und Kaffee boomt. Deshalb hat die Bäckerei Kruse gemeinsam mit Studenten der Uni Lüneburg eine App entwickelt. Sie soll junge Kunden locken.

Was kann die App?
Kunden können am Abend zuvor das Brötchen mit ihrem Lieblingsbelag per Smartphone oder Tablet bestellen und morgens in einer der 19 Filialen der Bäckerei Kruse abholen.

Auch das bewährte Bonuspunkte-System für Brot und Kaffee soll integriert sein: Wer eine bestimmte Anzahl Brote oder Kaffee gekauft hat, bekommt ein Produkt gratis.

Ebenfalls in der App: ein Allergiefinder. Die zunehmenden Allergiker-Zahlen machen das Geschäft mit besonderen Produkten lukrativ. Betroffene Kunden gucken in der App nach, welche Kruse-Produkte sich für ihre Unverträglichkeiten eignen. Und kommen dann zum Kaufen in die Filialen.

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Interview: "Die Idee hatten wir schon lange in der Schublade"

Ina Hannebohm ist Verkaufsleiterin der Bäckerei Kruse. Die App-Idee schlummerte schon einige Zeit in ihrer Schublade, bevor die Entwicklung losging.

Handwerk.com: Frau Hannebohm, die Entwicklung der App war nicht immer reibungslos. Welche Hürden mussten Sie nehmen?
Hannebohm: Eine große Hürde war der Faktor Zeit: Bei so einem Projekt ist man immer auf Partner angewiesen und muss sich terminlich eng mit ihnen abstimmen. Das ist ein Zeitfresser.  Und dadurch, dass wir eine Art Vorreiter-Projekt planen, gibt es wenige Leute, die einem mit erfahrenen Ansprechpartnern dienen können. An wen kann ich mich mit welchen Fragen wenden? Wo hole ich Hilfe, wenns brennt? Wer hat Erfahrungen mit Apps? Diese Fragen haben uns umgetrieben.

Wie haben Sie dieses Problem gelöst?
Hannebohm: Gute Erfahrungen habe ich mit der eigenen Recherche im Internet gemacht. Ansprechpartner in Agenturen konnten uns mehrmals weiterhelfen. Überrascht war ich, dass auch die Handwerkskammer Unterstützung anbietet. Das Thema Innovationsförderung wird auch dort groß geschrieben.

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Mehr Chancen als Hürden!

Dennoch verbinden Sie auch viele positive Aspekte mit der App. Welche Chancen sehen Sie konkret für Ihren Betrieb?
Hannebohm: Wir hoffen, neue Zielgruppen zu erschließen: Wir denken vor allem an junge Smartphonebesitzer. Sie nutzen die Technik für alles – warum nicht auch zum Brötchen bestellen? Eine zweite Zielgruppe sind Allergiker, denn schon lange kann bei uns die Liste an Inhalts- und Zusatzstoffen eingesehen werden – warum nicht auch in der App? Und dann natürlich auch Vegetarier und Veganer: Viele von ihnen kaufen gar keine belegten Brötchen, weil sie das Vorurteil haben, dass es nichts gibt, was sie essen können. Doch bei uns finden sie garantiert etwas. Diese Infos soll die App nach außen tragen.

Außerdem wollen wir uns von den Mitbewerbern absetzen. Nicht jeder Handwerksbetrieb hat so ein Konzept in der Schublade und die Ausdauer, das umzusetzen. Auch den in den Markt drängenden Discountern wie Aldi, Lidl amp; Co. wollen wir damit einen Denkzettel verpassen.

… und für das Handwerk im weiteren Sinne?
Hannebohm: Das gesamte Bäckerhandwerk kann von einer Innovation wie dieser profitieren. Alle wollen vom verstaubten Image wegkommen. Mit modernen Anwendungen, wie einer App, können wir neue Akzente setzen und die Jugend für unseren Beruf begeistern.

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der App um.

Was vor dem Start zu beachten ist

In welchen Kanälen wollen Sie die App vertreiben?
Hannebohm: Wir planen zwei Versionen: eine für iOS-Systeme und eine für Android. Alles Weitere wird sich mit der Zeit ergeben.

Und der Kostenfaktor? Was kostet Sie der Spaß?
Hannebohm: Gute Frage: Noch können wir die Gesamtkosten nicht ganz absehen. Experten, mit denen wir gesprochen haben, gehen von etwa 10 000 Euro aus. Ich bin selbst gespannt, was am Ende unter dem Strich rauskommt.

Wer hat bei Ihnen alles an der App mitgearbeitet?
Hannebohm: Wir haben zwar recht viele Mitarbeiter (200), aber es war das Team um die Geschäftsleitung, das sind nur sechs Personen: Herr und Frau Kruse, ihre Tochter und vier leitende Angestellte. Allesamt kreative Köpfe. Und wir haben alle unsere Ideen zusammengenommen.

Das hört sich trotzdem nach viel Aufwand an!
Hannebohm: Naja, Däumchen gedreht haben wir in den letzten Monaten nicht. Aber wir sehen es auch positiv. Zum Beispiel verlangt ein Projekt in dieser Größe, dass man sich mit inneren Strukturen, Prioritäten und Zielen auseinandersetzt. Wo sehen wir uns in zehn Jahren? In welche Richtung wollen wir uns weiterentwickeln? Diese Fragen waren für uns zentral und haben im Laufe der App-Entwicklung viele Überlegungen und Gedanken angestoßen. Und das hat uns und den Betrieb auch vorangebracht – durch die App eben.

Welche offenen Punkte treiben Sie derzeit noch um?
Hannebohm: Ein bisschen schwierig ist die Offenlegung der Zutatenliste. Denn so können andere Betriebe alles sehen und wir machen uns durchsichtig. Für Kunden ist das gut, für das Geschäft sicher nicht. Auch damit müssen wir uns noch einmal beschäftigen.

Das Interview führte Martina Jahn

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