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Blackbox für Transporter

Big Brother im Fuhrpark

Niedrige Versicherungstarife. Weniger Unfälle. Mit einer Blackbox könnten Chefs bald sicherstellen, dass Mitarbeiter die Firmenflotte nicht völlig verhunzen. Doch auch die totale Überwachung droht. Würden Sie den "Großen Bruder" in Ihre Transporter lassen?

Was zeichnet einen nörgelnden Beifahrer aus? Er hasst schnelles Beschleunigen, hat Angst im Dunkeln und kritisiert den Fahrstil mit Sprüchen wie „Fahr langsamer!“ oder „Halte Abstand!“. So etwas Ähnliches können sich Autofahrer und Fuhrparkbetreiber bald freiwillig in ihre Wagen holen. Das soll zum defensiveren Fahren motivieren und Versicherungskosten sparen.

Das technische Äquivalent zum nörgelnden Beifahrer heißt Telematik. Sie verknüpft moderne Informationstechnik mit einer Blackbox, die das Fahrverhalten aufzeichnet. Die Blackbox kritisiert den Fahrstil nicht laut, aber sie dokumentiert minutiös jeden kleinen Fahrfehler. Das System holt die Prüfungssituation in den Autofahreralltag.

Sparen hat bei Deutschen Vorrang
Und wer soll daran Gefallen finden, das eigene Brems- und Beschleunigungsverhalten plus Geschwindigkeit und Fahrtroute erfassen und auswerten zu lassen? 55 Prozent der Deutschen. Vorausgesetzt, dadurch lässt sich Geld bei der Kfz-Versicherung sparen. Das zumindest ergab eine Umfrage, die das Beratungsunternehmen Towers Watson unter 1000 Bundesbürgern durchgeführt hat.

20 Prozent weniger Unfälle! Die Blackbox-Versprechen der Versicherer. Lesen Sie Seite 2.

Ein Trend schwappt nach Deutschland

Dennoch geht Deutschland das Thema nur zaghaft an. Die USA und Großbritannien sind da schon wesentlich weiter – in Italien gehen die Nutzungen sogar in die Millionen. Zwei deutsche Versicherungsanbieter arbeiten aktuell an der Markteinführung der Telematik.

Der Versicherer Zurich hat den Bedarf bei Unternehmen mit größeren Fuhrparks erkannt. Schließlich sollen die Angestellten sorgsam mit den Firmenfahrzeugen umgehen. Seit einem Jahr arbeitet Zurich an der Markteinführung des Telematikdienstes für Fuhrparkbetreiber mit mindestens 50 Fahrzeugen. Erste Pilotprojekte mit ausgewählten Partnern laufen bereits.

Letzte Hürde Datenschutz
Die „strikten Datenschutzbestimmungen“ in Deutschland würden die Entwicklungen allerdings spürbar zurückhalten, teilt der Versicherer auf Anfrage mit. Sobald das System kommerziell verfügbar ist, will Zurich neben einer Risikoanalyse und Beratungsleistungen für die Fuhrparkbetreiber auch Online-Schulungen für die Fahrer anbieten.

Günstige Versicherungsprämien spielen bei dem Angebot des Versicherers nur eine untergeordnete Rolle. Zurich wirbt vorrangig mit reduzierten Unfallquoten um "nachweislich bis zu 20 Prozent“ sowie weniger Verschleiß und Spritverbrauch.

Bei der S-Direkt, einem Kfz-Versicherer der Sparkassengruppe, hat gerade der erste öffentliche Feldversuch zur Telematik-Versicherung begonnen: Seit November können interessierte Kunden sich für den Sondertarif eine Blackbox ins Auto holen. Das Angebot ist zunächst begrenzt auf 1000 Stück und ist Privatkunden vorbehalten. Statt mit 20 Prozent weniger Unfällen, wie die Zurich verbreitet, rechnet S-Direkt-Vorstand Jürgen Cramer allerdings eher mit fünf bis zehn Prozent.

Nächste Seite: Punkte sammeln für Rabatte. So will die Blackbox Ihre Fahrer erziehen.


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Rabatt, Notruf, Suchfunktion – die Stärken der Blackbox

Ein Punkte-System soll den Fahrer anspornen, möglichst defensiv zu fahren. In fünf Kategorien startet der Fahrer bei zunächst 100 Punkten (siehe PDF). Für Fehlverhalten gibt es Punktabzug. Das passiert zum Beispiel, wenn der Fahrer für längere Zeit 20 Prozent schneller fährt, als es die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit erlaubt. Hier gewährt das System allerdings zehn km/h Toleranz – in einer 30-Zone bleiben 40 km/h daher gerade noch konsequenzlos. Punktabzug bekommt allerdings auch, wer viel in der Stadt oder nachts unterwegs ist.

Fahrer, die am Jahresende 80 von 100 Punkten erreichen, erhalten fünf Prozent Rabatt auf ihre Versicherungspolice. Als Verkaufsargument dient dieser Rabatt der S-Direkt nicht. Bei jährlichen Versicherungskosten von 1400 Euro würde er ohnehin nur 70 Euro Einsparung ausmachen. So viel kostet auch der Telematik-Service zusätzlich im Jahr.

Vielmehr kommt es laut Jürgen Cramer auf den Gesamtnutzen an: Zum Beispiel setzt das System bei einem Unfall automatische einen Notruf inklusive der Standortdaten ab. Außerdem hat es eine Suchfunktion, die den Standort des Fahrzeugs verrät, wenn der Besitzer ihn vergessen hat oder das Fahrzeug gestohlen wurde.

Versicherer sieht nur Gesamtwertung
Um den Datenschutz zu gewährleisten, wird der Versicherung nur die Gesamtpunktzahl des Fahrers übermittelt. Gefahrene Routen, kritische Geschwindigkeitsbereiche und Bremsmanöver soll nur der Fahrer selbst abrufen können, um sein Fahrverhalten zu optimieren. Der Datenschutz soll auch vertraglich gewährleistet sein – zwischen dem Versicherten und der S-Direkt sowie zwischen der S-Direkt und ihrem Telematikanbieter.

Michael Jander, unabhängiger Versicherungsberater aus Barbing in Bayern, ist skeptisch. „Um die Punkte zu berechnen, müssen die Fahrtdaten doch dem Telematikanbieter übermittelt werden. Mit dem hat der Versicherte allerdings keinen Vertrag. Dadurch hat er auch wenig Möglichkeiten, gegen den Anbieter vorzugehen“, sagt Jander.

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Skeptisch? Sie können auch anders aktiv werden

Selbst wenn das Telematikunternehmen nicht zusätzlich von den gesammelten Daten profitieren will, bleibe ein Restrisiko. „Nicht einmal Weltkonzernen wie Sony und Vodafone ist es gelungen, ihre Kundendaten vor Hackerangriffen zu schützen“, argumentiert Jander. Und eine automatische Notruffunktion sei mittlerweile schon in vielen Neuwagen Standard. Ab 2015 wird sie ohnehin EU-weit zur Pflicht.

Janders Fazit: „Aus meiner Sicht bietet die Telematik dem Versicherten, ob Privatperson oder Unternehmer, keinen Vorteil.“ Zumindest keinen, der einen solchen Offenbarungseid rechtfertige.

Unternehmen, die häufiger mit Schäden an ihren Firmenwagen zu tun haben, rät Jander zu schlichteren Mitteln als der Überwachung: „Wenn das immer wieder auftaucht, wird er schnell feststellen, dass es sich um die gleichen Fahrer in ähnlichen Situationen handelt“, sagt der Versicherungsberater. Der Unternehmer müsse sich einfach aktiv mit dem Problem beschäftigen und den Angestellten sensibel darauf ansprechen. Vielleicht hat sich nur die Sehstärke des Fahrers verschlechtert oder der Spiegel ist zu klein.

Auch ohne Blackbox Kosten sparen
Und wer in erster Linie bei der Police sparen will, dem empfiehlt Jander: erst online vergleichen, in welcher Preisklasse man landet; dann ein paar regionale Versicherungsvertreter, -makler oder einen Versicherungsberater anschreiben und Angebote einholen. Da lässt sich übrigens gerade sparen: „Im kleinen gewerblichen Bereich hat sich die Kostensituation in diesem Jahr verbessert. Ich konnte den Tarif bei zwei Unternehmen zuletzt durch einen Versicherungswechsel um 30 Prozent senken“, sagt Jander.

Was sagen Sie? Ist die Telematik nur ein Schritt zur Totalüberwachung oder ein sinnvolles Instrument, um den Verkehr sicherer zu machen? Millionen Kunden in Europa und den USA können doch nicht irren, oder? Kommentieren Sie hier.

Mehr Tipps für die Kfz-Versicherung und mehr Kontrolle über Ihren Fuhrpark gibt es hier:

(deg)

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