Ein Samstagmorgen im September. Der Tag hatte für Ralf Tepel aus Wuppertal ganz harmlos begonnen: „Ich habe mein Lager ein bisschen auf Vordermann gebracht und ein Fenster geöffnet“, erzählt der Dachdecker. Er schaute hinunter auf die Wupper, die an dem Gebäude entlangfließt, bis sich sein Blick schließlich zwischen den Fernwärme-Rohren verfing. „Zuerst habe ich gedacht, ich schiele – ich konnte das gar nicht glauben.“
Der 44-Jährige meinte nämlich, dort unten ein Stück Schlangenhaut zu erkennen, ein ziemlich großes Stück sogar. Er starrte angestrengt hinab. Dann griff er nach einem Werkzeug, machte ordentlich Radau und tatsächlich: das Tier begann sich zu schlängeln.
Ringelnatter? Fehlanzeige!
Der Unternehmer rief bei der Feuerwehr an. Die Feuerwehr verwies ihn ans Ordnungsamt. Und das Ordnungsamt schaltete den Wuppertaler Reptilien-Experten Siegfried Reinshagen ein. Das sei wahrscheinlich nur eine Ringelnatter, sagte der Experte am Telefon.
Er habe ihm daraufhin Fotos von der Schlange geschickt, berichtet Tepel. Etwa zwei Meter lang sei das Tier gewesen. Reinshagen erkannte darin eine Boa Constrictor – eine Würgeschlange – und machte sich schnell auf den Weg zu Tepels Betrieb.
Wie Tepel zum Schlangenretter wurde und sich einen Biss einhandelte, erfahren Sie auf Seite 2.
„Der erste Griff muss sitzen“
Der Herr Reinshagen habe es zwar mit den Schlangen, aber nicht so sehr mit der Kletterei gehabt, erzählt Tepel weiter. Etwa zweieinhalb Meter unterhalb des Fensters hatte sich das Tier zwischen den Rohren eingerollt. Weil ihm die Schlange leid tat, legte der klettererprobte Dachdecker einen Gurt an, seilte sich zu den Rohren ab und balancierte über das Gestänge zu ihr hin.
Der erste Griff muss sitzen, hatte Reinshagen zu ihm gesagt. Damit das Tier sich nicht blitzschnell um ihn herumschlingt oder zubeißt. Und dass er sie im Nacken zu packen kriegen müsse.
Tepel tat, wie ihm geheißen wurde: Er packte zu und der Griff saß. Gemeinsam mit seinem Bruder zog er die Schlange nach oben. Als er sie durch das Fenster hieven wollte, biss sie doch noch zu. Er war ihr mit seiner Hand zu nahe gekommen.
Vom Besitzer keine Spur
Tepel blieb trotz des Schlangenbisses gelassen. Reinshagen hatte ihm versichert, dass die Boa Constrictor, auch Königsschlange genannt, ungiftig ist. Wie alle Riesenschlangen (Boas) tötet sie ihre Beute, indem sie sie umschlingt und erdrückt.
Der Experte hat die entkräftete Schlange bei sich aufgenommen, sie erholt sich nun in einem Terrarium. Vom Besitzer fehlt bislang jede Spur. „Das ist der Hammer, so ein Tier einfach entkommen zu lassen und niemandem etwas zu sagen“, findet Ralf Tepel.
(afu)
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