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Dänemark(t) lockt

Da ist was los im Staate Dänemark. Die Bauwirtschaft blüht und Handwerker sind dünn gesät. Der Tischlermeister Karl-Heinz Rosowski ist begeistert vom Auslandsgeschäft – und der dänischen Fenstertechnik.

Da ist was los im Staate Dänemark. Die Bauwirtschaft blüht und Handwerker sind dünn gesät. Der Tischlermeister Karl-Heinz Rosowski ist begeistert vom Auslandsgeschäft und der dänischen Fenstertechnik.

Die 600 Euro sind gut angelegt. Eine Zeile, eine Farbe, schlichte Gestaltung. Genug, um sechs Wörter ins Dänische zu übersetzen: Hamburger Tischler sucht Aufgaben in Dänemark. Das reicht. Mit dieser Anzeige in der Zeitung Berlingske Tidende zieht Rosowski fast jedes Mal Aufträge an Land.

Die Baukonjunktur im Nachbarland brummt, Fachkräfte werden händeringend gesucht. Schrillt nach einem Inserat das Telefon des Tischlermeisters, sind am anderen Ende der Leitung mal Hauseigentümer, mal Wohnungsunternehmen. Und es wartet viel Arbeit. Auf der ersten Baustelle im vergangenen Jahr haben wir 107 Holzfenster saniert, berichtet der 60-Jährige. Der zweite Auftrag, kurze Zeit später: 163 Fenster einbauen. Wie lukrativ? Die Dänen zahlen uns Hamburger Preise.

Doch bis zum ersten Auftrag ist es ein weiter Weg. Hüben wie drüben hat sich Roswoski zuerst bei Handwerksorganisationen und Behörden erkundigt. Um zu verstehen, was in den dänischen Verträgen genau gemeint ist, hat er zudem einen auf deusch-dänische Geschäfte spezialisierten Anwalt eingeschaltet. Das ist teuer, stellt er klar. Bei jedem Auftrag aufwändig: Bevor er ein Angebot ausarbeitet, sieht sich Rosowski die Baustelle an.

Um die Aufträge im Ausland zu stemmen, ist die ganze Belegschaft gefordert. Der Chef, seine Söhne Torben und Fleming beide Tischler und seine Frau Angelika fahren gemeinsam in den Norden. Als wäre es ein Familienurlaub, mieten sie ein Ferienhaus und bleiben während des Projekts vor Ort. Nur ab und zu braust einer der Söhne nach Hause und sieht in der Werkstatt nach dem Rechten.

Ohne Angelika Rosowski hätten die drei Tischler im Norden einen schweren Stand. Sie hat als Kind Dänisch gelernt und beherrscht die Sprache fließend. Die Männer sprechen sie nur einigermaßen. Meine Frau verhandelt mit den Kunden und Handwerkern auf der Baustelle und weckt mit ihren Sprachkenntnissen sofort Vertrauen.

Sie kümmert sich zusammen mit dem Tischlermeister auch um alle Unterlagen. Viel Bürokratie im Staate Dänemark? Wir haben uns bei der dänischen Steuerbehörde angemeldet, dazu mussten wir einen Fragebogen ausfüllen, sagt die Unternehmerfrau. Was noch? Die üblichen Papiere für das Personal. Einkommensteuer wird nicht fällig, da die Rosowskis nicht mehr als 180 Tage pro Jahr im Land arbeiten. Die Angabe der Einnahmen und Ausgaben genügt dem Fiskus.

Sehr stabile Fenster

Spricht man den Tischlermeister auf die dänischen Fenstertrends an, bekommt er glänzende Augen. Dort werden zu 80 Prozent Holz- und Holz-Alu-Fenster verbaut, schwärmt er. Von der Konstruktion ist er begeistert. Der Däne stellt die Formate in der hohen Kante zur Windlast. Das ergibt schmale und sehr stabile Fenster. Sie seien dem Fassadenbild angepasst, der Lichteinfall stimme. Und: Wenn sie mit Alu verblendet sind, muss man außen 40 Jahre nichts machen, betont er.

Auch die Beschläge lobt Rosowski. Das sind überwiegend Elemente, die sich nur nach außen öffnen lassen. Simpel, aber robust. Schon einige Male hat er alte Fenster geöffnet, deren Beschläge noch funktioniert haben wie am ersten Tag.

Ganz auf seiner Linie liegt der dänische Einbaustandard. Dort wird nur mit natürlichen Dämmstoffen gearbeitet. Weil das Fenster tiefer gestellt ist, ensteht eine größere Dämmwirkung, erklärt er. Die Holzfenster gefallen dem Unternehmer so gut, dass er sie jetzt auf dem deutschen Markt anbietet. Die Nachfrage, räumt der Hamburger ein, sei aber noch verhalten.

Worüber Rosowski sich bei einigen deutschen Kunden ärgert, ist ihre Gleichgültigkeit. Sie sind mit schlecht eingebauten Fenstern zufrieden. Die dänische Kundschaft wisse handwerkliche Qualität mehr zu schätzen.

Zu schätzen wissen sie offenbar auch die, die für Qualität sorgen. Handwerker werden herzlich empfangen, sagt der Tischlermeister. Es sei für die Kunden eine Selbstverständlickeit, Platz zu schaffen. Sie lassen einen in Ruhe arbeiten und setzen nicht zwingend voraus, dass man noch am selben Abend fertig wird.

Pünktliche Zahlungen

Wie pünktlich zahlen die Dänen? Bis jetzt haben wir gute Erfahrungen gemacht, sagt Rosowski, der sich so gut wie möglich absichert. Der Hamburger besteht auf Bankbürgschaften oder fordert nach jedem Bauabschnitt Akontozahlungen. Selbst notorische Mängelsucher könnten ihn nicht so leicht um sein Geld bringen. Denn mit der AB 92 dem Pendant der deutschen VOB hat er sich vertraut gemacht.

Noch dicker als der dänische Wälzer ist der Poststapel, der ihn stets erwartet, wenn er aus Dänemark zurückkommt. Hier staut sich immer viel Arbeit auf, sagt der Tischlermeister. Bis er die Anfragen und Aufträge aller Hamburger Kunden bearbeitet hat, gehen einige Monate ins Land. Erst dann darf sich die dänische Zeitung wieder über 600 Euro aus der Hansestadt freuen. Doch gut möglich, dass diese Überweisung eines Tages ganz ausbleibt. Warum nicht, antwortet der Senior auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, eine Filiale in Dänemark zu eröffnen. Seine Söhne wären bereit. So bald lässt er allerdings keinen ziehen. Wer weiß, wie der Markt in Zukunft aussieht, sagt Rosowski und blickt weit voraus: So in zehn bis 15 Jahren?

(mfi)

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