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Foto: handwerk.com

Gefährliche Grauzone

„Dann wären wir der Willkür ausgesetzt“

Warum erst jetzt? Warum haben Staatsanwälte die selbst ernannte Gewerbeauskunft-Zentrale nicht eher ins Visier genommen? Die Vorwürfe liegen ja seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem Tisch.

Und dass ein Leitmedium wie Spiegel Online auf das Thema anspringt (wir berichteten), sei einerseits positiv und andererseits auch „reichlich spät“, sagt Gernot W. Borchert. Der Bremer Rechtsanwalt hat immer wieder Betriebe gegenüber der GWE vertreten. Deshalb weiß er: „Der Inhalt des Spiegel Online-Artikels geht nicht über den Erkenntnisstand hinaus, den handwerk.com bereits vor zwei Jahren hatte.“

Geradezu „peinlich“ ist aus Borcherts Sicht die Tatsache, dass „die Staatsanwaltschaft erst tätig wird, wo der Schaden bereits gigantisch ist“.

Nächste Seite: Betrug oder kein Betrug? Das ist hier die Frage.

Wer lesen kann, ist im Vorteil

„Staatsanwälte dürfen nur geltendes Recht anwenden“, entgegnet der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Ralf Möllmann. Ist ein Staatsanwalt der Ansicht, das geltende Recht sei nicht ausreichend, könne er nichts machen: „Wenn die Justiz darüber hinausgehen würde, müssten wir alle als Bürger Angst haben, dann wären wir der Willkür ausgesetzt.“

Strittig ist der Betrugstatbestand der Täuschung. Denn auch das ist richtig: Wer die GWE-Schreiben genau liest, kann in einer Minute feststellen, dass eine Unterschrift Geld kosten wird. Es gab in den vergangenen Jahren diverse Gerichtsurteile, in denen GWE-Offerten für rechtmäßig erklärt worden sind.

Übrigens: Die Rechenspiele, die im Spiegel Online-Artikel angestellt werden, basieren möglicherweise auf Zahlen, die das Internetportal nicht korrekt recherchiert hat. Wörtlich steht in dem Text: „Acht Personen verdächtigen die Ermittler inzwischen, mehr als 100.000 Menschen abgezockt und einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe angerichtet zu haben.“ 100.000? Ganz schön heftig. Wir haben zweimal bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nachgefragt. Danach muss es richtig heißen: Mehr als 100.000 der GWE-Schreiben sind verschickt worden. "Und von Abzocke ist keine Rede gewesen", sagt Oberstaatsanwalt Möllmann.

Kurios: Obwohl der Rechenweg offenbar falsch ist, könnte Spiegel Online richtig gerechnet haben.

100.000 x 300 = 30 Millionen 

Spiegel Online-Chefredakteur Rüdiger Ditz beantwortet eine handwerk.com-Presseanfrage zum Zahlenwirrwarr so: „Nach unseren Recherchen verdächtigen die Ermittler acht Personen und gehen von mehr als 100.000 Betroffenen aus.“ Und darauf beruhe auch die Annahme, dass die „GWE-Geschäftsleute in vier Jahren 30 Millionen Euro eingetrieben haben“ könnten. Die Gleichung laut Ditz: „Wenn 100.000 Betroffene durchschnittlich etwa 300 Euro (insbesondere nach möglichen Vergleichen) gezahlt haben, kommen Sie auf eine Schadenssumme von 30 Millionen Euro.“
 
Kurios: Auch wenn der Rechenweg falsch sein sollte, ist das Ergebnis womöglich richtig. Das zeigt ein Blick auf die (tatsächlich) amtliche Internetplattform „Unternehmensregister“. Denn für das Jahr 2011 weist die GWE-Bilanz einen Jahresüberschuss von mehr als sieben Millionen Euro aus, gegründet wurde die GmbH 2009.

Deutschlandweit spuckt gewerbeauskunft-zentrale.de beispielsweise in der Rubrik "Elektroinstallationen" 539 Einträge aus (Stand: 5. November 2013). Und zwar zwischen Grassau (Oberbayern) und Schwerin.

Daraus ergeben sich 3 Fragen:

  • Haben alle 539 Betriebe die GWE-Offerten unterschrieben?
  • Falls dem so wäre: Haben alle 539 Betriebe Geld an die GWE überwiesen?
  • Wie peinlich ist es den Betrieben, dass sie unter gewerbeauskunft-zentrale.de geführt werden?
  • Wenn man die Suche für den Unterpunkt "Handwerk" unter gewerbeauskunft-zentrale.de nicht einschränkt, ergibt das 185.844 Einträge – da dürfte so mancher Euro geflossen sein. Und eine Zahl im Spiegel Online-Artikel ist eindeutig richtig und eindeutig hoch: Dass die Staatsanwaltschaft seit Kurzem dem „Anfangsverdacht wegen Betrugs“ nachgeht, hängt auch mit der Masse der Strafanzeigen zusammen, die mittlerweile aufgelaufen ist. „Es sind 4500 – bis jetzt", sagt Oberstaatsanwalt Möllmann.

     

    (sfk)

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