Die Steuerfahndung möchte Ihr häusliches Arbeitszimmer sehen? Das ist „unverhältnismäßig“ hat der Bundesfinanzhof entschieden.
Foto: Dan Race - Fotolia.com
Die Steuerfahndung möchte Ihr häusliches Arbeitszimmer sehen? Das ist „unverhältnismäßig“ hat der Bundesfinanzhof entschieden.

Inhaltsverzeichnis

Steuern

Wenn Steuerfahnder Arbeitszimmer kontrollieren

Streit um das häusliche Arbeitszimmer ist mehr Regel als Ausnahme. Aber rechtfertigt das gleich  einen Überraschungsbesuch von der Steuerfahndung?

Der Fall: 576,12 Euro für ein häusliches Arbeitszimmer

Eine selbständige Unternehmensberaterin gibt in ihrer Steuererklärung erstmals Kosten für ihr häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben an. Es geht um 576,12 Euro. Auf Nachfrage des Finanzamts reicht sie eine Skizze der Wohnung ein.

Der Sachbearbeiter des Finanzamts akzeptiert die Kosten für das Arbeitszimmer und erlässt einen Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Diese Nachprüfung leitet er umgehend ein – er schickt einen Steuerfahnder los. Der erscheint unangekündigt an der Wohnungstür der Unternehmensberaterin, weist sich aus und kann die Wohnung ohne Widerspruch betreten.

Das Urteil: Steuerfahndung für Arbeitszimmer unverhältnismäßig

Diese „Besichtigung“ war rechtswidrig, hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. Durch Artikel 13 des Grundgesetzes ist die eigene Wohnung besonders geschützt. Daher sei das Vorgehen des Finanzamtes unverhältnismäßig, wenn ein Steuerpflichtiger – wie in diesem Fall – bei der Klärung von offenen Fragen mitwirkt. Folglich hätte das Finanzamt die Unternehmensberaterin erst um weitere Auskünfte und Beweise, wie zum Beispiel Fotos, bitten müssen.

Unverhältnismäßig sei die „Besichtigung“ zudem, weil sie von einem Steuerfahnder durchgeführt wurde, statt – nach vorheriger Ankündigung – durch einen Sachbearbeiter des Finanzamtes. Das Erscheinen eines Steuerfahnders erhöhe den Druck auf den Betroffenen, eine Besichtigung zuzulassen, und könne seinem Ansehen gegenüber anwesenden Dritten schaden. (Urteil vom 12. Juli 2022, Az. VIII R 8/19)

Was tun, wenn der Steuerfahnder rein will?

Das Finanzamt wird Sie in der Regel um eine Skizze der Wohnung bitten und oft einen Fragebogen zum Arbeitszimmer schicken. Bei Zweifeln wird der Fiskus zudem nachfragen, bevor er einen Termin mit Ihnen macht. Aber natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass ein gestresster Sachbearbeiter doch mal Steuerfahnder um schnelle Kollegenhilfe bittet.

Für solche Fälle regeln Grundgesetz und Abgabenordnung die Rechte Betroffener:

  • Durchsuchungen von Wohnungen „dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet“ werden. Das  stellt das Grundgesetz in Artikel 13, Absatz 2 klar.
  • Für Finanzbeamte gilt dabei, dass sie private Wohnräume „gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten“ dürfen (§ 99 Abs. 1, Satz 3 AO).

Einen Durchsuchungsbeschluss alleine wegen des häuslichen Arbeitszimmers wird der Fiskus kaum bekommen. Und „dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ wären nur schwer nachzuweisen.

Hereinlassen müssen Sie einen Steuerfahnder ins häusliche Arbeitszimmer in der Regel also nicht. Entscheiden müssen Sie jedoch, was Ihnen in einer solchen Situation wichtiger ist: Wollen Sie auf Ihr Recht pochen? Oder wollen Sie großzügig sein – und sich selbst etwas Zeit sparen? Wo der Fiskus doch nun schon mal da ist …

Tipp: Sie wollen beim Thema Steuern nichts verpassen? Nutzen Sie den kostenlosen Newsletter von handwerk.com. Jetzt hier anmelden!

Diese handwerk.com-Artikel könnten Sie auch interessieren:

Rechnung von Scheinfirma bezahlt – Strohfrau reißt Baubetrieb rein

Eine Subunternehmerin outet ihren Betrieb vor Gericht als Scheinfirma und sich selbst als Strohfrau. Dann schlagen die Betriebsprüfer beim Auftraggeber zu.
Artikel lesen

Steuerhinterziehung: Ist eine Außenprüfung ohne Anfangsverdacht zulässig?

Darf das Finanzamt eine Außenprüfung nur bei konkretem Verdacht auf Steuerhinterziehung durchführen? Dieses Urteil schafft Klarheit.
Artikel lesen

Frustriert von der Mitarbeitersuche?

handwerk.com und die Schlütersche helfen Ihnen Ihre offenen Stellen einfach, zeit- und kostensparend mit den richtigen Kandidaten zu besetzen! Mehr als 500 Betriebe vertrauen der uns bei der Mitarbeitersuche!

Jetzt Bewerber finden!

Wir haben noch mehr für Sie!

Praktische Tipps zur Betriebsführung und Erfahrungsberichte von Kollegen gibt es dienstags und donnerstags auch direkt ins Postfach: nützlich, übersichtlich und auf den Punkt.
Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an - schnell und kostenlos!
Wir geben Ihre Daten nicht an Dritte weiter. Die Übermittlung erfolgt verschlüsselt. Zu statistischen Zwecken führen wir ein anonymisiertes Link-Tracking durch.
Betriebsaufgabe-Arbeitszimmer.jpeg

Steuern

Betriebsaufgabe: Häusliches Arbeitszimmer als Steuerfalle

Erst erkennt das Finanzamt Abschreibungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht voll an. Bei der Betriebsaufgabe dann aber doch. Ist das richtig?

    • Steuern

Urteil

Sexuelle Belästigung: Fristlose Kündigung rechtens?

Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz schützen. Rechtfertigt das eine fristlose Kündigung?

    • Recht, Personal

Digitalisierung + IT

Alles vernetzt: Für wen lohnt sich Microsoft 365 Business im Betrieb?

Microsoft 365 Business bietet viel: Mobiles Arbeiten im Team, Videokonferenzen, Chats – und sämtliche Office-Funktionen. Rechtfertigt das den Preis?

    • Digitalisierung + IT, Software

Betriebsprüfer machen Druck

Freie Wahl: Strafanzeige oder Schätzung?

Neue Töne in der Betriebsprüfung: Wo früher verhandelt wurde, drohen die Steuerfahnder heute gleich mit Strafverfahren – falls der Unternehmer nicht spurt. Doch ein Gegenmittel gibt es.

    • Steuern