Der Fall: 576,12 Euro für ein häusliches Arbeitszimmer
Eine selbständige Unternehmensberaterin gibt in ihrer Steuererklärung erstmals Kosten für ihr häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben an. Es geht um 576,12 Euro. Auf Nachfrage des Finanzamts reicht sie eine Skizze der Wohnung ein.
Der Sachbearbeiter des Finanzamts akzeptiert die Kosten für das Arbeitszimmer und erlässt einen Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Diese Nachprüfung leitet er umgehend ein – er schickt einen Steuerfahnder los. Der erscheint unangekündigt an der Wohnungstür der Unternehmensberaterin, weist sich aus und kann die Wohnung ohne Widerspruch betreten.
Das Urteil: Steuerfahndung für Arbeitszimmer unverhältnismäßig
Diese „Besichtigung“ war rechtswidrig, hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. Durch Artikel 13 des Grundgesetzes ist die eigene Wohnung besonders geschützt. Daher sei das Vorgehen des Finanzamtes unverhältnismäßig, wenn ein Steuerpflichtiger – wie in diesem Fall – bei der Klärung von offenen Fragen mitwirkt. Folglich hätte das Finanzamt die Unternehmensberaterin erst um weitere Auskünfte und Beweise, wie zum Beispiel Fotos, bitten müssen.
Unverhältnismäßig sei die „Besichtigung“ zudem, weil sie von einem Steuerfahnder durchgeführt wurde, statt – nach vorheriger Ankündigung – durch einen Sachbearbeiter des Finanzamtes. Das Erscheinen eines Steuerfahnders erhöhe den Druck auf den Betroffenen, eine Besichtigung zuzulassen, und könne seinem Ansehen gegenüber anwesenden Dritten schaden. (Urteil vom 12. Juli 2022, Az. VIII R 8/19)
Was tun, wenn der Steuerfahnder rein will?
Das Finanzamt wird Sie in der Regel um eine Skizze der Wohnung bitten und oft einen Fragebogen zum Arbeitszimmer schicken. Bei Zweifeln wird der Fiskus zudem nachfragen, bevor er einen Termin mit Ihnen macht. Aber natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass ein gestresster Sachbearbeiter doch mal Steuerfahnder um schnelle Kollegenhilfe bittet.
Für solche Fälle regeln Grundgesetz und Abgabenordnung die Rechte Betroffener:
- Durchsuchungen von Wohnungen „dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet“ werden. Das stellt das Grundgesetz in Artikel 13, Absatz 2 klar.
- Für Finanzbeamte gilt dabei, dass sie private Wohnräume „gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten“ dürfen (§ 99 Abs. 1, Satz 3 AO).
Einen Durchsuchungsbeschluss alleine wegen des häuslichen Arbeitszimmers wird der Fiskus kaum bekommen. Und „dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ wären nur schwer nachzuweisen.
Hereinlassen müssen Sie einen Steuerfahnder ins häusliche Arbeitszimmer in der Regel also nicht. Entscheiden müssen Sie jedoch, was Ihnen in einer solchen Situation wichtiger ist: Wollen Sie auf Ihr Recht pochen? Oder wollen Sie großzügig sein – und sich selbst etwas Zeit sparen? Wo der Fiskus doch nun schon mal da ist …
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