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Das BGB wird runderneuert

Das BGB wird runderneuert

Die Modernisierung des Schuldrechts steht bevor. Der Rechtsexperte Dr. Klaus Kemen erläutert im Interview mit handwerk.com, wie sich die neuen Gesetze auf den Alltag der Betriebe auswirken werden.

Das Bundeskabinett hat den Entwurf zu einer Modernisierung des Schuldrechtsgesetzes verabschiedet. Damit wird das bislang umfassendste Projekt zur Reformierung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf den Weg gebracht. Hintergrund: Die Bundesrepublik muss im Zuge der europäischen Rechtsentwicklung internationale Richtlinien in nationales Recht integrieren. Doch wie wird das neue Schuldrecht im Detail aussehen? Handwerk.com sprach mit dem Berliner Rechtsexperten Dr. Klaus Kemen ).

Welche Bereiche des betrieblichen Alltags regelt das Schuldrecht eigentlich?

Kemen: Das Schuldrecht regelt den gesamten Waren- und Dienstleistungsaustausch. Die einzelnen Bestimmungen sind in rund 600 Paragraphen im BGB niedergelegt. Und diese Regelungen sind nochmal unterteilt: Das allgemeine Schuldrecht gilt für alle Verträge, das besondere Schuldrecht regelt spezielle Vertragsarten etwa Bauverträge oder Mietverträge.

Wie wird das in der Praxis gehandhabt?

Kemen: Wenn der Verkäufer eine beschädigte Sache liefert, kann der Käufer Gewährleistungsrechte nach den besonderen Vorschriften über den Kauf geltend machen. Wenn aber beispielsweise der Verkäufer zu spät liefert, ergeben sich die Ansprüche des Käufers aus dem allgemeinen Schuldrecht. Dieses Zusammenspiel zwischen allgemeinen und besonderen Vorschriften hat in der Praxis gerade beim Kauf- und Werkvertrag zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt.

Hinzu kommt, dass das BGB mehr als 100 Jahre alt ist. Deshalb wurden immer wieder Forderungen laut, das Gesetz an die aktuelle Wirklichkeit anzupassen.

Stichwort Rechtszersplitterung: Wird die Reform das Vertragsrecht durchschaubarer machen?

Kemen: Ja, das Schuldrecht wird übersichtlicher und vollständiger werden, weil die Verbraucherschutzgesetze und auch das Gesetz über die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) in das allgemeine Schuldrecht integriert werden sollen.

Eine erhebliche inhaltliche Vereinfachung soll es beim Recht der so genannten Leistungsstörungen geben. Darunter versteht man alle Umstände, die dazu führen, dass ein Vertrag nicht so abgewickelt werden kann, wie er vereinbart wurde. Nach dem Gesetzentwurf soll es in Zukunft den einheitlichen Tatbestand der Pflichtverletzung geben. Erfüllt eine Partei eine ihrer Pflichten aus dem Vertrag schuldhaft nicht, so kann der andere Teil Schadenersatz verlangen.

Es kommt also grundsätzlich nicht mehr darauf an, welche Verpflichtungen wie verletzt wurden. Wenn der Vertragspartner seine Pflichten aus dem Vertrag innerhalb einer angemessenen Nachfrist nicht erfüllt, kann der andere Teil vom Vertrag zurücktreten und bei Verschulden auch statt der ursprünglich vorgesehenen Leistung Schadenersatz verlangen.

Sehen Sie weitere Änderungen, die sich auf die betriebliche Praxis auswirken?

Kemen: Gravierende Änderungen wird es im Verjährungsrecht geben. Ein Beispiel: Handwerkerforderungen gegenüber Privatleuten verjähren derzeit nach zwei Jahren. Nach dem Gesetzentwurf soll die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre betragen. Bislang war es so, dass die Verjährung am Ende des Jahres begann, in dem der Anspruch entstand. Datiert die Handwerkerrechnung vom 7. November 2000 kann die Forderung noch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 durchgesetzt werden.

In Zukunft soll die Verjährung beginnen, wenn der Anspruch fällig ist und der Gläubiger Kenntnis von dem Anspruch und der Person seines Schuldners hat. Bei einer Handwerkerrechnung, die am 7. November 2001 fällig ist, wäre der Anspruch nicht vor Ablauf des 7. November 2003 verjährt.

Im Gewährleistungsrecht stehen ebenfalls Veränderungen an?

Kemen: Ja, der Verkäufer wird in Zukunft beispielsweise dafür einzustehen haben, dass die von ihm verkaufte Sache die Eigenschaften aufweist, die in der Werbung angegeben wurden. Entsprechend den EU-Vorgaben soll der Käufer einen gesetzlichen Anspruch darauf bekommen, dass bei einem Mangel die Sache nachgebessert wird oder eine mangelfreie Ersatzlieferung erfolgt. Schließlich sollen die Gewährleistungsansprüche des Käufers künftig erst in zwei Jahren statt in sechs Monaten verjähren. Positiv für den Bauhandwerker wird die Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf fünf Jahre sein, wenn er eine Sache in ein Bauwerk eingebaut hat und dadurch ein Mangel verursacht wird. Bislang ist es häufig so, dass der Bauhandwerker gegenüber seinem Auftraggeber fünf Jahre für Baumängel haftet, seinerseits aber bei seinem Baustofflieferanten keinen Regress nehmen kann, weil die sechsmonatige Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen ist. Auch beim Werkvertrag soll die Verjährungsfrist grundsätzlich zwei Jahre betragen. Bei Mängeln am Bauwerk verbleibt es bei der bisherigen Frist von fünf Jahren.

Müssen die Betriebe ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen oder ihre Vertragsmuster umschreiben?

Kemen: Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen wird sich durch die angedachte Reform nicht ändern. Allerdings wird es bedeutsame Änderungen bei den Leistungsstörungen, der Gewährleistung und der Verjährung geben. Mein Rat: Die bisherigen Vertragsmuster und die Geschäftsbedingungen müssen überprüft werden.

Sollte es tatsächlich so kommen wie vom Ministerium beabsichtigt, werden sich die Betriebe unter Umständen recht kurzfristig auf die veränderte Gesetzeslage einstellen müssen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Reform vor Herbst 2001 beschlossene Sache ist. Da aber das neue Schuldrecht bereits am 1. Januar 2002 in Kraft treten soll, wird es in der Praxis nur wenige Wochen Zeit geben, sich auf die Änderungen einzustellen.

Wer werden die Gewinner der Reform sein?

Kemen: Diese Frage lässt sich derzeit noch nicht eindeutig beantworten. Auch wenn es um die Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben zum Schutz der Verbraucher geht, bezweckt die Modernisierung keine Besserstellung der Verbraucher zu Lasten der Betriebe. Für jede Seite ergeben sich Vor- und Nachteile. Sollte es aber tatsächlich so sein, dass eine umfassende Reform bis Ende des Jahres verabschiedet wird, wird dies zunächst einmal zu Mehraufwand bei den Betrieben führen.

Wegen der Kürze der Zeit kann es durchaus sein, dass Details der Reform nicht richtig durchdacht sind und dann in der betrieblichen und rechtlichen Praxis Zweifelsfragen erst zu klären sind. Dies führt zunächst zu Rechtsunsicherheit und erhöhten Risiken, da noch keine Urteile der Gerichte vorliegen, an denen man sich orientieren könnte. Gerade bei schnellen Reformen sind handwerkliche Fehler im Gesetzgebungsverfahren nicht ausgeschlossen.

(Das Interview führte Heiner Siefken.)

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