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Foto: handwerk.com

Mit dem Herzen bauen

„Das Handwerk ist ein unschätzbarer Glücksfaktor!“

Im Interview erzählt Heike Eberle, warum es sie in die männerdominierte Baubranche gezogen hat. Die Powerfrau führt in der dritten Generation ein Familienunternehmen. Ihr Geheimrezept: Feingefühl & Herz.

Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft: Der Frauenanteil im Handwerk steigt, doch das betrifft vor allem klassische Berufe. In vielen technischen Handwerksberufen gibt es kaum Frauen. Im Baugewerbe ist nicht mal jede zehnte Auszubildende weiblich. Dabei schneiden Frauen meist besser ab als Männer. Es muss also nicht immer der Sohn sein, der den Betrieb übernimmt. Heike Eberle führt als weibliche Nachfolgerin ein Bauunternehmen mit Erfolg und Feingefühl. In der Baubranche ist immer was los, auch während unseres Interviews. Frau Eberle ist ständig gefragt, nimmt sich aber die Zeit für uns und beeindruckt durch ihre Ehrlichkeit.

Frau Eberle, Sie sind Geschäftsführerin eines Bauunternehmens in der dritten Generation. Was ist das Besondere an Ihrem Job?
Ich liebe die Projektarbeit und mag es, dass nicht jedes Projekt gleich ist. Es gibt viel Abwechslung, immer sind die Anforderungen unterschiedlich. Zudem fasziniert es mich, dass hinter jedem Projekt Menschen stehen, die durch ihren Einsatz etwas Besonderes schaffen.

Wie sieht ein klassischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
(Lacht) Meine Arbeitstage sind fast immer chaotisch. Einen klassischen Tagesablauf gibt es nicht und das ist auch gut so, denn ich mag keine Routine. Wenn ich an den Tag heute denke, ging es mit Mitarbeitergesprächen los, es folgten Telefonate mit Lieferanten und Architekten, ich musste mich um die Buchhaltung kümmern und habe noch einen Blogbeitrag in den Social Media Kanälen gepostet. Ach ja, und eine Antwort auf ein Schimmelproblem in einem Neubau musste her.

War die Baubranche schon immer Ihr berufliches Zuhause?
Nein, mich hat der Zufall in die Baubranche geführt. Ich war zuvor sechs Jahre bei einem Drogerie-Unternehmen tätig, danach kurz in der Foodbranche. Durch Zufall bin ich auf eine Stelle in der Baubranche gestoßen und habe mich gegen 100 männliche Bewerber durchgesetzt! Irgendwann stand der Familienbetrieb meiner Eltern vor neuen Herausforderungen. Ja, seit 2012 bin ich Geschäftsführerin, seit letztem Jahr Inhaberin und Geschäftsführerin.

Wie unterscheidet sich die Baubranche von anderen Branchen?
In der Baubranche wird schlecht kommuniziert. Das ist für mich gut, weil ich anders kommuniziere und das Verbesserungspotenzial gesehen habe. Generell herrscht ein anderes Miteinander, was auch daran liegt, dass die Branche eher altbacken ist. 80 % sind bodenständig und verwurzelt, dadurch fehlt es an Offenheit und neuen Impulsen. Doch auch diese Branche lernt dazu und das ist meine Chance.

Berufe am Bau sind bekanntermaßen männerdominiert. Ist das immer noch so und wie setzen Sie sich durch?
Ja, das stimmt. Es macht sich zwar langsam ein Wandel bemerkbar, aber es gibt immer noch mehr Männer. Ich würde sagen, dass ich mich mit einer Mischung aus Fachkompetenz, Anpackmentalität und Feingefühl behauptet habe. Aber es hat fast sieben Jahre gedauert. Es gab viele Mitarbeiter, die schon lange im Betrieb waren. Dann kommt da eine Frau, ohne technisches Wissen, noch dazu die Tochter des Chefs – das führte zu Akzeptanzproblemen. Zudem glaube ich, dass es wichtig ist, Menschen anzunehmen, wie sie sind. Heute bin ich durch eine transparente Tür für meine Mitarbeiter greifbar und angreifbar.

Wirtschaft und Politik fordern seit Jahren mehr Frauen in technischen Berufen. Andererseits klaffen Theorie und Praxis auseinander. Wie sehen Sie das?
Ja, es wird gefordert, aber im Endresultat haben Frauen keine Chance auf höhere Positionen. Ganz ehrlich: Selbst im eigenen Familienbetrieb hatte ich damit zu kämpfen, dass mein Vater mir vieles nicht zugetraut hat. Ich glaube fest, dass es in der Umsetzung nochmal 20 Jahre dauert, bis wir dort ankommen, wo wir hinwollen.

Auf der Website und auf Facebook stehen Sie mit Ihrem Gesicht für den Betrieb. Liegt das daran, dass es Ihnen Spaß macht, oder hat es spürbar positive Auswirkungen, dass Sie das Bauthema weiblich besetzen?
Ich würde sagen beides! Ich habe einfach angefangen, zu bloggen und dann wurde daraus ein System. Der Baualltag ist sehr stressig, da ist das Schreiben ein Ausgleich. Dann gab es noch dazu positive Resonanz, das motiviert! Um auf das Weibliche zurückzukommen: Erst heute hatte ich eine ältere Dame am Telefon. Sie äußerte den Wunsch, von „Frau zu Frau“ bauen zu wollen. Ich glaube, es gibt Kunden ein gutes Gefühl, auch emotional beraten zu werden – es geht eben nicht immer nur um Technisches.

Wie sehen die Trends in der Baubranche aus?
Ich denke, dass bauen weiblicher und damit auch emotionaler wird. Die Kundenstruktur am Markt ändert sich. Gerade im privaten Wohnungsbau trifft die Frau zu 80 % die Entscheidungen. Und es wird mehr auf Qualität gesetzt, wertestabiles Sanieren ist ein wichtiges Stichwort. Bei uns in Rheinland-Pfalz wurde zum Beispiel wieder die Bauleiterpflicht eingeführt. Auch das zeigt: Der Trend geht zum Fachpersonal!

Welche Rolle spielt weibliches Feingefühl in einer Männerbranche?
Für mich spielt es eine große Rolle. Ich gehe zu vielen Terminen mit einem männlichen Kollegen. Am Ende der Verhandlung bin ich gedanklich oft schon einen Schritt weiter. Ich empfinde dieses Feingefühl als Geschenk und sehe es als Vorteil. Egal ob Kunden oder Mitarbeiter – wenn ich erkenne, wie jemand tickt, komme ich schneller zum Ziel. Ich lebe diese Intuition heute sehr stark, vielmehr als noch vor 30 Jahren.

Das Thema seniorengerechtes Bauen ist für Sie ein Spezialthema, wie kam es dazu?
Zum einen, weil meine Mutter seit 15 Jahren pflegebedürftig ist. Mein Vater ist ebenfalls im Seniorenalter und unsere Kundenstruktur besteht auch zum größten Teil aus alten Menschen. Es ist für mich einfach ein Herzensanliegen, Menschen dabei zu begleiten, ihr Zuhause auf die dritte und wichtigste Lebensphase vorzubereiten.

Sie könnten bauen, was Sie wollen, kein begrenztes Budget und keine Einschränkungen. Was wäre das?
Eine spannende Frage, da habe ich so noch gar nicht drüber nachgedacht. Ich könnte mir ein außergewöhnliches Firmengebäude mit Wohlfühlcharakter für unsere Mitarbeiter vorstellen, um noch produktiver arbeiten zu können.


Die Unternehmerin: Heike Eberle, Jahrgang 1967, Dipl.-Betriebswirtin (BA), Geschäftsführerin des Familienbetriebs Eberle Bau. Vorbild- und Vollblutunternehmerin im Handwerk zu sein, bedeutet für mich, mit der Hand sichtbare Ergebnisse zu schaffen und das ist ein unschätzbarer Glücksfaktor .
www.eberlebau-landau.de
www.facebook.com/Eberlebau

Die Autorin: Simone Bleidt ist freie Autorin amp; Bloggerin, rheinische Frohnatur amp; Yoga-Junkie. Liebt das Schreiben, Magazine, die digitale Welt und träumt vom eigenen Buch. Wenn sie nicht gerade in die Tasten haut, ist sie auf der Yogamatte zu finden. Interessiert sich für alles, insbesondere für Menschen. www.about.me/simonebleidt

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