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Bemerkenswerte Biografie

Der Freiheitsdrang des Herrn Dang

In vielen Einwanderern schlummern unentdeckte Potenziale. Was passiert, wenn die sich entfalten dürfen, zeigt die Geschichte von Bäckermeister Dang Ngoc Quyen.

Vietnam im April 1975: Im strömenden Regen kreisen Hubschrauber über der Botschaft in Saigon, die letzten US-Amerikaner verlassen das Land. Für viele Vietnamesen fängt damit jedoch das Elend erst an: Umerziehungslager, Unterdrückung und kommunistische Mangelwirtschaft. Dang Ngoc Quyen ist damals 15 Jahre alt. „Wenn man neun Jahre lang die Freiheit kennengelernt hat, will man nicht mehr unfrei leben“, sagt er. Er flieht, genauso wie hunderttausende anderer Vietnamesen. In winzigen, überfüllten Flüchtlingsbooten fahren sie hinaus aufs südchinesische Meer. Viele Boat People lassen dabei ihr Leben.

Dang Ngoc Quyen hatte Glück: „Mich hat die Cap Anamur gerettet“, erzählt der Bäckermeister. Der umgebaute Frachter kreuzte damals im südchinesischen Meer, finanziert durch deutsche Spendengelder. Und die Bundesregierung hatte sich verpflichtet, allen Vietnamesen Asyl zu gewähren, die von deutschen Schiffen gerettet werden.

Nächste Seite: Ein Lehrer gibt Dang einen weisen Rat.

Zu sechst in einer Dreizimmerwohnung

Dang Ngoc Quyen verschlug es nach Recklinghausen: „Zu Beginn wohnten wir zu sechst in einer Dreizimmerwohnung. Da war ein kleines Wohnzimmer, und wir schliefen jeweils zu dritt in einem Schlafzimmer. Die Dusche war im Keller“, erinnert er sich. Er war noch jung genug, um eine deutsche Schule besuchen zu können. „Das war mein großes Glück“, sagt er heute. „Ohne einen deutschen Abschluss hätte ich die Bäckerlehre nicht machen können.“

Den Abschluss hatte er nach 15 Monaten in der Tasche, auch dank eines engagierten Lehrers. „Der gab uns nachmittags Nachhilfe und half uns, wo er konnte“, erzählt er. Diesen Lehrer bat er auch um Rat, als es um die Berufswahl ging: „Lerne Koch oder Bäcker“, sagte der, „gegessen wird immer.“

Dang entschied sich für den Bäckerberuf. Das Arbeitsamt half bei der Suche nach einer Lehrstelle und gewährte dem Betrieb einen Zuschuss. Sein Lehrherr hat das nicht bereut: Dang verkürzte die Lehrzeit auf zwei Jahre und schloss als Bester seines Jahrgangs ab. 1993 legte er erfolgreich die Meisterprüfung ab.

Totale Überlastung: Auch diese negative Erfahrung meistert Dang – lesen Sie die nächste Seite.

Dang schafft ein extremes Arbeitspensum

Bis 1995 arbeitete er noch in seinem Lehrbetrieb weiter. „Dann wollte ich etwas Neues kennenlernen, mich verändern“, erzählt er. Er trat eine Stelle in einem Großbetrieb in Celle an. Im Jahr 1997 machte er sich schließlich selbstständig, kaufte einen Betrieb mit zwei Filialen in Hannover und erweiterte diesen Stück für Stück auf vier Filialen.

Seine Frau, die ebenfalls vietnamesische Wurzeln hat, konnte zwar im Verkauf helfen, aber mit der Buchführung und Anleitung der Verkäuferinnen war sie überfordert. Dang Ngoc Quyen absolvierte in den zwölf Jahren seiner Selbstständigkeit ein riesiges Arbeitspensum. Hinzu kam, dass sich die Rahmenbedingungen verschlechterten. Er entschied sich zum Verkauf, nicht aus Not, aber aus Überlastung und Mangel an Perspektive.

Und so entstand auch der Kontakt zu seinem heutigen Arbeitgeber: Die Bäckerei Bernhardt aus Wennigsen bei Hannover, ein Betrieb mit 120 Mitarbeitern, kaufte eine seiner Filialen. Der damalige Geschäftsführer Volker Friedrichs erkannte, dass dieser Betrieb vorbildlich geführt war.

Betriebsleiter beim neuen Chef: Dang findet die Position, die für ihn pefekt ist - lesen Sie die letzte Seite.

Neue Dinge schrecken Dang nicht

Zudem hatte Dang Ngoc Quyen sein Handwerk in einer großen Bäckerei in Recklinghausen gelernt und in Celle Erfahrung in einem industriellen Großbetrieb gesammelt. Friedrichs bot ihm den Posten als Betriebsleiter an – und Dang Ngoc Quyen sagte zu.

Noch heute merkt man ihm an, dass er Bäcker aus Leidenschaft ist: „Es fällt mir einfach sehr leicht, mich in neue Dinge einzuarbeiten, und ich liebe es, neue Rezepte zu entwickeln“, sagt er lächelnd.

An seiner Liebe zum Beruf liegt es sicherlich auch, dass er um 10 Uhr morgens nach einer langen Nachtschicht immer noch mit einer Engelsgeduld und Freundlichkeit Fragen beantwortet. Auf die Frage, ob er schon immer so zielstrebig war, antwortet er lächelnd: „Wenn ich etwas nicht mag, dann mache ich es eben auch nicht. Aber wenn ich etwas mache, dann mit ganzem Herzen.“

(Autorin: Iris Schaper)

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