Mike M. hat zwei hervorstechende Fähigkeiten. Die erste: Er nimmt Handwerksunternehmer so lange in die Mangel, bis sie ihm tatsächlich Wechsel über mehrere tausend Euro anvertrauen. Selbst erfahrene Kreishandwerksmeister haben Mike M. schon heiße Luft abgekauft. Die zweite Fähigkeit: Wird ihm der Boden eines Firmensitzes zu heiß, verschwindet er wie von Zauberhand. Rechtliche Konsequenzen muss Mike M. nicht fürchten, denn offiziell tritt er nie in Erscheinung. Er setzt menschliche Marionetten auf den Chefposten und versteckt sich hinter undurchsichtigen Firmenkonstrukten. Der gesunde Menschenverstand sagt: Dieser Mann gehört hinter Gitter. Leider ist das rechtlich unerheblich, denn Mike M. bewegt sich geschmeidig in der bekannten grauen Zone.
Die Abläufe der Täuschung hat Mike M. über die Jahre perfektioniert. Seine Telefon-Akquisiteure locken mit Bauprojekten aus der Region, beim persönlichen Gesprächstermin setzt Mike M. potenzielle Vertragspartner massiv unter Druck. Und nachdem die ihren Namen in aller Blauäugigkeit unter die teuren Verträge gesetzt haben, stellen sie fest, dass schriftlich keine konkreten Projekte benannt werden.
Der erste Text über Mike M. ist auf handwerk.com im Sommer 2003 erschienen. Anfangs wussten wir nicht einmal, über wen wir schreiben. Auch so eine Seltsamkeit: Mike M. ist in seinen eigenen Unternehmen immer unter Pseudonymen aufgetreten, seinen Mitarbeitern war es verboten, ihn mit seinem realen Namen anzusprechen. Heute wissen wir, dass er sich in Hannover Harald nannte. In Offenbach hieß er Ronny. Sein aktueller Name: Schall und Rauch.
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Ein Rechtsanwalt so bissig wie ein Kettenhund
2008 hat das Magazin ZDF-Reporter gemeinsam mit handwerk.com einen Beitrag über Mike M. gedreht. Kein guter Tag für den Hauptdarsteller: In seinen eigenen Bürofluren rannte er vor Kameras davon – und auch vor dem Fernsehreporter, der ihn fragen wollte, warum er soeben Vertragsgespräche unter falschen Namen geführt hatte. Weil der – gelinde ausgedrückt – bissige Rechtsbeistand von Mike M. formale Fehler entdeckte, darf der Film im Internet nicht mehr gezeigt werden.
Verabredung im Büro eines hessischen Staatsanwaltes. Auf dem Fußboden, der Fensterbank, auf Stühlen, überall stapeln sich Akten. Diese Szene aus dem Frühjahr 2007 ist symptomatisch. Von Anfang an ließ der Beamte keinen Zweifel daran, wie wahnsinnig ihn ein weiterer Fall freuen würde. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Mike M. hatte ein komplettes Dossier über seinen Ex-Chef und dessen Familie angelegt, mit diesen Informationen konnte die Justiz endlich aktiv werden. Dachten wir. Der Staatsanwalt hat viel über einen Mord vom Vortag erzählt. Und wie viel Arbeit mit so einem Mord verbunden sei. Und welche Priorität ein Mord habe. Kein Zweifel, was der Jurist zwischen den Zeilen sagen wollte.
Vor wenigen Tagen hat uns ein Dachdeckermeister darüber informiert, dass der Anwalt von Mike M. auch im Dezember 2010 Forderungen eintreibt. Und zwar für eines der Firmenkonstrukte, von denen wir angenommen hatten, dass sie mit den Fluchten von Mike M. beerdigt worden seien. Natürlich könnten wir uns der naiven Hoffnung hingeben, dass Mike M. eines Tages für seine Taten bezahlen muss. Aber dies ist kein Spielfilm, ein Happy End ist nicht in Sicht. Also werden wir weiter vor Auftragsvermittlern warnen müssen. Mike M. bleibt uns – und Ihnen – auch in Zukunft nicht erspart.
(sfk)