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Ein Mann räumt auf

Der Meister und die Lage im Lager

Wo ist die Motorsäge? Wer hat sie genommen? In welchem Auto liegt sie? Haben Sie einmal überlegt, wie viel Energie (und Geld) es Sie kostet, den Überblick im Lager zu behalten? Ein Kollege hat diese Fragen systematisch beantwortet.

Klare Linie
Christoph Schendel 001

Christoph Schendel ist Dachdeckermeister in Ulm. Der Mann räumt auf: Gemeinsam mit einer Betriebsberaterin strukturiert er seit einem knappen Jahr sein Lager vollkommen neu.

Herr Schendel, sah‘s bei Ihnen aus wie bei Hempels unterm Sofa?
Schendel: Nein, natürlich nicht, unser Lager war nie unaufgeräumt. Es war nur nicht sonderlich gut organisiert. Kunden oder Kollegen haben immer gesagt, wie ordentlich es bei uns aussieht. Tatsächlich herrschte aber keine Ordnung, zumindest keine sonderlich gute.

Also haben Sie den Überblick verloren?
Schendel: Verloren habe ich ihn nicht, es hat mich einfach immer mehr Energie gekostet, den Überblick zu behalten. Das ist ein gewaltiger Unterschied – und ein gewaltiges Problem, wenn nur der Chef weiß, wo die Motorsäge liegt.

Wie konnte es so weit kommen?
Schendel: Wissen Sie, unseren Betrieb gibt es seit 80 Jahren. Und das Lager ist mit neuen Aufgabenfeldern kontinuierlich gewachsen. Die Räumlichkeiten sind dieselben geblieben. Noch eins oben drauf und noch eins oben drauf, wir haben vergessen, das große Ganze zu sehen. Die Rüstzeiten durch das unorganisierte Lager waren einfach zu hoch. Mir war schon länger klar, dass wir eines Tages einen Strich ziehen und neu beginnen müssen.

Die entscheidende Frage: Was lief eigentlich falsch? Lesen Sie die nächste Seite.

Unzufriedene Mitarbeiter

Und das konnten Sie nicht intern regeln? Sie mussten sich tatsächlich jemanden von außen holen?  
 Schendel: Es ist ja nicht nur das Lager gewachsen, sondern auch die Mitarbeiter mit dem Lager, einige sind 40 Jahre bei uns, die haben das Lager mitgestaltet und mit aufgebaut. Dadurch war der Input von außen schon sehr wichtig. Nicht nur mir sollte auffallen, dass es ein Problem gibt. Auch jeder andere, der ein wenig Ahnung hat, sollte das Problem erkennen – und den Handlungsbedarf.
 
 Wie groß ist Ihr Lager eigentlich? Bei 20 Mitarbeitern und reichlich Baustellen dürfte es nicht ganz klein sein. 
 Schendel: In der Hochsaison können gut und gerne 150.000 bis 200.000 Euro am Lager stehen. Und die Fläche: 700 Quadratmeter Lagerhalle, mit den Außenregalen kommen wir auf eine Gesamtfläche von annähernd 2.000 Quadratmetern.

Und was lief da falsch?  
 Schendel: Vor allem die Ausgabe des Lagerwerkzeugs und der Lagermaschinen ist wie im Selbstbedienungsladen abgelaufen. Ein Mitarbeiter ging ins Lager, nahm sich die Maschine, hat sie ins Auto gelegt, ist auf die Baustelle gefahren. Und vielleicht hat er sie vier Monate dabei gehabt.
 
 Und ein anderer Mitarbeiter hätte sie gebraucht? 
 Schendel: Ja, dann ging das Telefonieren los: Wer hat denn die und die Maschine? So entstehen unproduktive Zeiten und damit auch Kosten. Und teilweise wurden die Sachen ohne eine Reinigung ins Lager zurückgelegt. Unter dem Strich hat das zu einer großen Unzufriedenheit bei allen Mitarbeitern geführt.
 
 Geben Sie einmal ein konkretes Beispiel für eine Veränderung.  
 Schendel: Wir haben jede Maschine inventarisiert, sie mit einer Nummer und einer Farbe markiert und den einzelnen Fahrzeugen zugeordnet. Es gibt jetzt Listen, in die die Maschinen eingetragen werden. Wer nimmt sie? In welchem Auto liegt sie? Auf welche Baustelle kommt sie? Beim Zurückbringen wird sie dann wieder ausgetragen, der Mitarbeiter muss bestätigen, dass er die Maschine gereinigt und einwandfrei zurückgebracht hat.

Feine Folgen: Reparaturkosten sinken, Verfügbarkeit steigt – lesen Sie die nächste Seite.  


Langfristige Investition

Klingt simpel.
Schendel: Ist aber wirksam. Der Zustand der Maschinen hat sich extrem verbessert. Die Reparaturkosten sind gesunken, die Verfügbarkeit der Maschinen ist gestiegen, sie liegen nicht mehr nutzlos in irgendwelchen Autos oder auf der Baustelle herum.

Und das normale Material?
Schendel: Auch da haben wir Kategorien und für jede Kategorie neue Zuständigkeiten festgelegt. Jetzt kümmern sich die Mitarbeiter selbst um ihre Bereiche. Das beginnt mit den Bestandsmengen. Was ist generell Lagerware, was ist keine? Oder was ist auf spezielle Bauvorhaben bezogene Kommissionsware? Da gibt es jetzt klare Regeln. Wenn für eine Baustelle zu viel bestellt wurde, wird es gleich an den Händler zurückgegeben – oder es bekommt einen separaten Lagerplatz, den so genannten Quarantänebereich.

Wieso Quarantäne?
Schendel: Es bleibt nur auf Zeit. Und es wird nach einer bestimmten Zeit entsorgt. Wenn man sehr günstigem Material zu lange Platz gibt, wird es zu lange hin und her geräumt. Die Kosten für die Neuanschaffung nach einigen Jahren stehen in keinem Verhältnis zu den Lagerkosten.

Das alles hat wahrscheinlich ein paar Euro gekostet. Die Betriebsberaterin zu bezahlen, war auch nicht ganz billig, nehme ich an. Zuckt man da?
Schendel: Man zuckt immer, wenn man den Geldbeutel zückt. Man muss es als Investition betrachten, die sicherlich langfristig angelegt und auch schwer messbar ist. Ich kann jetzt nicht nach einem Jahr mit der Erkenntnis um die Ecke kommen, dass sich die Investition amortisiert hat.

Also warten wir fünf Jahre und reden dann noch einmal? 
Schendel: Genau, dann könnte ich’s Ihnen sagen, wieviel das eingebracht hat. Außerdem muss man neben dem messbaren monetären Faktor auch die nicht messbaren Faktoren berücksichtigen.

Zum Beispiel?
Schendel: Die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die sich möglicherweise in der höheren Arbeitsqualität und -geschwindigkeit widerspiegelt. Gute Laune ist ein Faktor. Im Prinzip kann ich die Kosten für die Betriebsberatung mit den Kosten des Betriebsausflugs oder der Weihnachtsfeier vergleichen, auch bei der Weihnachtsfeier geht’s um Mitarbeiterzufriedenheit.

Was kostet denn so eine Weihnachtsfeier?  
Schendel: 2.000 Euro hat die letzte gekostet.

Zum guten Schluss die entscheidende Frage: Was hat der Spaß denn insgesamt gekostet?

Ein Lagerist ist keine Alternative

Und die Betriebsberaterin? 
 Schendel: Alles in allem über anderthalb Jahre knapp 5.000 Euro. Aber die Beraterin stellt sich ja nicht ins Lager und zählt die Maschinen durch. Die Lohnkosten, die in diesem Prozess stecken, sind bedeutend höher, da sind die Beratungskosten der kleinste Faktor.
 
 Jetzt wird’s spannend, was hat denn die Neustrukturierung insgesamt gekostet?  
 Schendel: Was wird sie kosten, muss die Fragen lauten. Der Prozess der Selbstorganisation zieht sich über zwei Jahre, pro Jahr kommen da insgesamt sicherlich auch 50.000 Euro zusammen.
 
 Hätten Sie nicht einfach einen Lageristen einsetzen können?  
 Schendel: Wir hatten einen Lageristen, zwei Jahre lang, aber der kostet definitiv mehr, mit allen Lohnnebenkosten auch rund 50.000 Euro im Jahr – aber ja auf Zeit. Und er nimmt den Mitarbeitern die Last der Selbstverwaltung. Die Folge: Jeder Mitarbeiter legt seinen Krempel ab, wo’s ihm gefällt. Das ist bei uns so eingetreten. Der Lagerist springt dann nur noch hinter den Leuten her. Zum Schluss sah es schlimmer aus als ohne Lagerist.
 
 (Das Gespräch führte Heiner Siefken) 
 
 


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