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Fahrbericht

Der neue Mercedes Vito im Praxistest

Der Vito feiert Wiedergeburt – mit neuen Tugenden: dem größten Sicherheitspaket in Serie, wenig Verbrauch und kleineren Einstiegskosten als sein Vorgänger. Dabei meistert er Stadtkurse, Bergpisten und Autobahnen mit Pkw-Feeling.

Der neue Mercedes Vito:

Mercedes Vito (2)

von Denny Gille

Die häufigste Spezies im innerstädtischen Dschungel im nordspanischen Bilbao hört auf den Namen semáforo rojo – zu deutsch: die rote Ampel. Die lauert praktisch überall, besonders hinterhältig aber hinter der Rechtsabbiegerspur: Kaum gibt der erste Mast grünes Licht und die halbe Kurve ist genommen, unterbricht das nächste Rot abrupt die Anfahrphase.

Dieser Fußgängerschutz, die vielen Kreuzungen und Radfahrer machen die Stadttour anspruchsvoll für Fahrer und Material. Und der neue Mercedes Vito macht hier eine ziemlich gute Figur. Das beginnt bei der Übersicht rund um den Kastenwagen: Beide Außenspiegel haben einen zusätzlichen Weitwinkelbereich, mit denen der Fahrer die nähere Umgebung im Blick hat.

Auch erlaubt der Innenspiegel einen unverstellten Blick durch den Laderaum nach draußen, sofern hinten eine Heckklappe verbaut ist. Bei den alternativen Heckdrehtüren hat man noch gute Sicht durch die hinteren Fenster.

Enge Kurven und Rangiermanöver durchläuft der Vito mit Hinterradantrieb bei nur 11,8 Meter Wendekreis spielend. Ganz neu im Portfolio der Stuttgarter ist eine frontgetriebene Version. Die braucht laut Hersteller etwa einen zusätzlichen Meter. Da gibt es einige SUVs, die bei kürzerer Karosserie mehr Freiraum verlangen.

Die Karosse des Vito ist im Vergleich zum Vorgänger um 14 Zentimeter gewachsen und mit Längen von 4895, 5140 und 5370 mm erhältlich. Um Rost dauerhaft zu trotzen, ist sie vollverzinkt bis unters Dach, das einheitlich bei einer Höhe von 1910 mm endet. Für den individuellen Anstrich sorgt eine Auswahl aus 150 Farben.

Hohe Lasten leicht chauffiert, lesen Sie weiter auf Seite 2.

Schafft was weg

Flexibilität gibt es auch in Sachen Zuladung: Hier liefert Mercedes vier Versionen mit maximalen Gesamtgewichten zwischen 2,5 und 3,2 Tonnen. Die größtmögliche Nutzlast verspricht der Kastenwagen mit Hinterradantrieb. Der schluckt 1369 Kilogramm. Die Ladevolumina liegen versionsabhängig bei 5,5, 6 und 6,6 m³. Per Anhänger darf man zusätzlich 2,5 Tonnen ankoppeln.

Um die Ladung selbst durch kurvenreiches Terrain zu chauffieren, braucht der Fahrer nicht viel mehr als einen Finger am Lenkrad. Die elektromechanische Lenkung des Vito ist extrem leichtgängig, was vor allem im Stadtverkehr sehr angenehm ist. Nur bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn hätte sie gern etwas mehr Widerstand geben können.

Ansonsten überzeugt der Wagen auch in schwierigem Gelände: Bepackt mit rund 600 Kilogramm inklusive Fahrern geht es die Südausläufer der Pyrenäen entlang über Serpentinen und Gefälle bis zwölf Prozent auf 750 Meter Höhe. Für die zweithöchste Motorisierung des Vito ist all das ein Kinderspiel. 163 PS schieben den Wagen souverän jede Steigung hinauf. Das klappt mit manueller Schaltung genauso gut wie bei der Automatik, bei der man die Gangwechsel kaum wahrnimmt.

Den Heckantrieb des Vito gibt es in drei Leistungsstufen mit 136, 163 und 190 PS. Hier sorgen 2,15 Liter Hubraum für ordentlich Drehmoment. Im Vorderradantrieb begnügen sich die Zylinder mit einem halben Liter weniger. Mit 88 und 114 PS sind sie vor allem für den Stadtbetrieb und Flachlandtouren konfektioniert.

Das zeigt sich auch im Test: Der Vito 111 CDI mit 114 PS kämpft bei halber Beladung im Bergland mit deutlichen Zugkraftverlusten. Erst bei 2900 Umdrehungen überwinden die Gänge zwei und drei ihre Leistungssenken. Da sind obertourige Fahrten vorprogrammiert, denn um die Leistungslöcher zu überbrücken, darf man erst bei 3500 Umdrehungen den Gang wechseln.

Doch egal, ob hohe Drehzahl oder Polterasphalt, im Wageninneren sind diese Geräusche nur gedämpft wahrzunehmen. Gegenüber dem Vorgänger, sagt der Hersteller, hat er noch einmal deutlich in die Verbesserung von Akustik und Vibrationsverhalten des Wagens investiert.

Safety first – was Sicherheit in Serie heißt, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Sicherheitssysteme serienmäßig

Souverän verhalten sich alle Modelle, unabhängig von Motor und Antrieb, bei der Abfahrt. Die vier Scheibenbremsen mit 16 und 17 Zoll verzögern den Wagen auch beim späten Tritt aufs Pedal zuverlässig. Ohne Murren nimmt das straffe Fahrwerk des Vito die engen Serpentinen – trotz der mehr als zwei Tonnen Gesamtgewicht kommt hier PKW-Feeling auf.

Aus der Reserve ließ sich der Wagen im Test nicht locken. Deswegen hier nur die Theorie der serienmäßigen Sicherheitssysteme. Die wohl aufwendigste Komponente ist das adaptive ESP. Adaptiv bedeutet hier, dass das Stabilitätssystem die zugeladene Masse automatisch registriert und sich darauf einstellt. Der serienmäßige Seitenwindassistent ist auf das ESP aufgesetzt. Über Sensoren des ESP erkennt er einwirkende Kräfte durch Seitenwind und Böen und bremst gezielt die dem Wind zugewandten Reifen ab, um das Fahrzeug in der Spur zu halten.

Außerdem ermittelt der Wagen aus 70 Messgrößen die Kondition des Fahrers. Eine kleine Kaffeetasse im Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser zeigt an, dass das System aktiv ist. Erkennt es Müdigkeitserscheinungen beim Fahrer, erscheint die Tasse groß im Display und rät dem Fahrer zur Pause. Geht trotzdem einmal alles schief, haben Fahrer und Beifahrer gleichermaßen einen Airbag.

Diese Ausstattung ist bereits im Basismodell des Vito enthalten. Das kostet in der kleinsten Motorisierung brutto 17.990 Euro (entspricht 21.400 Euro inkl. MwSt) und ist damit 1.000 Euro günstiger als der Vorgänger. Möglich macht das der erstmals angebotene Vorderradantrieb. Sparsamer als der alte zeigt sich der Vito auch im Service: 40.000 Kilometer darf er nun zwischen jedem Werkstattcheck zurücklegen. Den Spritverbrauch der Flotte hat Mercedes durchschnittlich um 20 Prozent senken können – der Bestwert liegt bei 5,7 Liter auf 100 Kilometer.

Für den Arbeitsalltag scheint der Vito mit wenigen Abstrichen bestens gerüstet. Die unlackierten Stoßstangen und Spiegel verzeihen den einen oder anderen Fremdkontakt, die Ladefläche liegt knapp kniehoch und im Innern erlauben Schienensysteme in Boden und Seitenwänden eine flexible Befestigung der Last.

Komfort amp; Co. – zum Abschluss ein Blick auf die inneren Werte.

Platz für Mensch und Material

Die vorderen Sitze lassen sich komfortabel einstellen. An Stellplätze für Kaffeebecher und 1,5-Literflaschen in der Tür haben die Entwickler genauso gedacht, wie an großzügige Ablagefächer auf dem Armaturenbrett. Die beherbergen flugsicher Dokumente im A4-Format. Auch das Radio geht mit der Zeit. Hier lässt sich die eigene Musiksammlung über den USB-Anschluss abspielen.

Platzbedingte Abstriche muss das Raumwunder nur an zwei Stellen machen: Um das Handschuhfach zu öffnen, muss auch der Normalwüchsige Beifahrer seine Knie links und rechts zur Seite schieben. Und wer statt des einfachen Beifahrersitzes den Doppelsitz bestellt, wird Komforteinbußen für den mittleren dritten Mann in Kauf nehmen müssen.

Der Bedienkomfort dagegen ist stimmig. Jeder Knopf und jeder Schalter im Wagen findet sich intuitiv – am einfachsten über das optionale Multifunktionslenkrad. Apropos Option: Wer gern mehr Geld investieren will, findet eine Vielzahl praktischer Zusatzsysteme. Angefangen beim Voll-LED-Lichtsystem mit intelligentem Fernlichtassistenten bis zum erweiterten Sicherheitspaket mit Abstandswarner, adaptiver Bremshilfe, Spurhalteassistent und Parklückensuchhilfe.

Extrem gut gelungen ist die optionale Rückfahrkamera. Auf dem großen Display sieht man nicht nur, ob der Weg nach hinten frei ist, es zeigt abhängig vom Einschlag des Lenkrads auch mit dynamischen Linien an, welche Richtung das Fahrzeug einschlägt. So manövriert man sich intuitiv exakt in die Parklücke. Dank spezieller Zoomfunktion gelingt damit auch problemlos das sichere Ankoppeln des Fahrzeugs an einen Anhänger. Per Knopfdruck findet man spielend den Weg zum Kupplungsteil.

Nur eines hat man in den getesteten Vito-Versionen vergebens gesucht: Den Kleiderhaken in der Fahrerkabine. Ob da noch nachgebessert wird, kann man beim Händler überprüfen. Dort stehen die neuen Vitos seit dem 11. Oktober.

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