Ich bin der erste türkische Tischlermeister in Bremen, ist sich Taskin Özcan sicher. Und darauf ist der besonnene Handwerker stolz. Denn der Weg zum eigenen Betrieb war für den 46-Jährigen lang und steinig. Vor dem Hintergrund des immer drängender werdenden Problems des Fachkräftemangels im Handwerk erscheint sein Werdegang besonders skurril. Denn Özcan war, als er 1990 von Istanbul aus an die Weser zog, alles andere als ein ungelernter Hilfsarbeiter.
Ausbildung in der Türkei
„Ich stamme aus einer Handwerks- und Händlerfamilie aus Istanbul. Meine Mutter hat unter anderem eine Telefongesellschaft in der Türkei gegründet und Kosmetika hergestellt und gehandelt.“ Taskin Özcan beschloss, Tischler zu werden. „Das ist in der Türkei ein angesehener Beruf. Und Betriebe gibt es wie Sand am Meer.“ Auch in der Türkei dauerte die Ausbildung drei Jahre, durchaus ähnlich dem dualen Prinzip in Deutschland. Die Unterschiede? „Damals waren wir gut, wenn es um Handarbeit geht. Von den Maschinen, vor allem aus Deutschland, haben wir nur geträumt.“ Der junge Özcan legte seine Gesellenprüfung ab, wollte eigentlich danach sein Fachabitur und ein Betriebswirtschaftsstudium absolvieren. Doch dann lernte er seine zukünftige Frau kennen und zog in ihre Heimat Bremen. Und in eine ungewisse Zukunft.
Warum Özcan in Deutschland zunächst in einem Getränkemarkt anheuerte, lesen Sie auf Seite 2.
Keine Chance in Deutschland
Natürlich wollte Özcan in seinem erlernten Beruf weiterarbeiten. „Doch das ging nicht, wurde mir erklärt. Meine Ausbildung wäre nichts wert und würde in Deutschland nur als Hauptschulabschluss anerkannt.“ Die typische Reaktion von hier ankommenden Ausländern: „Das hat mich echt geschockt. Aber da konnte ich nichts machen. Was die Behörden sagen, ist wie Gottes Gesetz, dachte ich.“
Auf die Idee, sich nicht so einfach abweisen zu lassen, kam Özcan gar nicht. Also heuerte der Tischlergeselle in einem Getränkemarkt an. Und wurde nach einigen Jahren sogar Leiter seiner Abteilung. „Doch Marktleiter konnte ich nicht werden, dazu fehlte mir wieder die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.“ Nach dem Wechsel zu einem Architekturmodellbauer („Ich habe sogar ein Modell des Bremer Flughafens gebaut.“) wurde Özcan arbeitslos. Nach einem dreiviertel Jahr, in dem er Computerkurse besuchte, wurde ihm als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Tischlerstelle angeboten.
Nächste Seite: Özcan absolviert die Gesellenprüfung.
Ausbildung in Deutschland
Während seiner Maßnahme wurde er von einem Dozenten ermuntert, sein Tischlerdiplom ins Deutsche übersetzen zu lassen und damit noch einmal zur Handwerkskammer zu gehen. „Dort erhielt ich die Auskunft, ich könne als Geselle arbeiten, allerdings ohne Gesellenbrief.“ Damit war Taskin Özcan aber der Zugang zum Meistertitel genauso verwehrt, wie regulär bezahlte Arbeit, da Tischler ohne Gesellenbrief schlechter verdienen.
Für den ehrgeizigen Özcan keine Lösung. Er ging zum Obermeister der Bremer Tischlerinnung. Der kümmerte sich um einen Praktikumsplatz in einem Innungsbetrieb. Und das absolvierte Özcan so erfolgreich, dass er nach bestandener theoretischer Prüfung („ein halbes Jahr Büffeln aus Büchern, die ich selber besorgt habe.“) sein Gesellenstück als Externer in der Werkstatt des Obermeisters fertigen konnte.
Lesen Sie auf Seite 4, wie der Bremer zu seinem Meisterbrief kam.
Der Weg zum Meister
Endlich war Özcan Geselle. Zum zweiten Mal in seinem Leben. Mit dem Brief konnte er bei einem Verein anheuern, der Langzeitarbeitslose unter anderem auch zu Tischlern ausbildet. Hier absolvierte er die Ausbildereignungsprüfung. An den Meister dachte er zunächst gar nicht. Bis ihn einer seiner Kollegen einfach mit zur Meisterprüfung anmeldete.
Was dann kam, war für den zweifachen Familienvater sicherlich eine der härtesten Zeiten seines Lebens: „Tagsüber in der Werkstatt, abends und am Wochenende für die Prüfung büffeln, kaum Zeit für die Familie. Ich hab manches Mal geheult und gedacht, ich schmeiße hin.“ Taskin Özcan hielt durch und 2004 endlich den Brief in Händen: „Ich habe einen Meisterbrief, weil ich die Ausbildung gemeistert habe, ohne durchzudrehen.“
Ende 2007 löste sein Arbeitgeber dann die Werkstatt auf. Özcan wurde wieder quasi zu seinem Glück gezwungen und übernahm den Betrieb. „Durch meine Tätigkeit hatte ich bereits erste Kunden, vor allem im Bereich Kindergarten und Schule.“ Es war trotzdem wieder eine harte Zeit, die der Unternehmensgründer zu bewältigen hatte. Und seine Herkunft machte es nicht leichter: „Den Namen Bremer Tischler Betrieb habe ich bewusst gewählt, denn wenn die Leute hören, dass ich aus der Türkei stamme, sind sie zunächst einmal vorsichtig.“ Noch heute muss er sich anhören „Wo hast Du denn gelernt? Ach, in der Türkei?“.
Was der türkischstämmige Tischlermeister jetzt macht, lesen Sie auf Seite 5.
Angekommen
Mittlerweile hat sich der Bremer Tischlermeister eine feste Kundschaft aufgebaut. Neben privaten Haushalten sind Kindergärten noch immer seine Spezialität: „Das waren meine ersten Kunden, die haben immer einen besonderen Status.“
Ein Geselle und drei Lehrlinge arbeiten für Taskin Özcan. Ein türkischstämmiger Auszubildender ist aber nicht darunter. „Die Mentalität ist stark vom Statusdenken geprägt, immer noch. Und ein erstes Auto hat man schneller, wenn man am Band bei Mercedes jobt.“ Also ist auch Özcan stets auf der Suche nach guten Leuten. Eine doppelte Ausbildung zum Tischler müssen sie aber nicht absolvieren.
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