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Ein Meister lässt Dampf ab

Detlef gegen Goliath

Von einem, der auszog, die Gefahrenklasse seines Betriebes zu ändern: Der niedersächsische Handwerksmeister Detlef Wartemann hat seine Berufsgenossenschaft verklagt.

Die Vorgeschichte: In einem monatelangen Schriftverkehr hatte Wartemann der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) in Hannover seine Argumente (vergeblich) vorgetragen. Zusammengefasst: Die Gefahrenklasse, in der sein Betrieb eingestuft wird, ist aus seiner Sicht zu hoch und damit zu teuer. Der Chef der "Wartemann  amp; Klose Schornsteintechnik GmbH" fühlt sich gegenüber anderen Gewerken benachteiligt, die direkt mit ihm konkurrieren und niedrigere Beiträge zahlen müssen.

Die Folgen einer Klage lauten aber auch immer: Zeit, Geld und Generve. Wir haben uns mit Wartemann darüber unterhalten, warum er den Aufwand auf sich nimmt.

Herr Wartemann, Sie sprechen von einer ungerechten Konkurrenzsituation gegenüber anderen Gewerken – an welcher Stelle konkurrieren Sie denn?
Detlef Wartemann: Wenn ein Heizungsbauer beispielsweise in einem Ein- bis Sechsfamilienhaus eine Heizung installiert, baut er ein Kunststoffrohr in den Schornstein ein. Mittlerweile werden 80 Prozent solcher Aufträge von Heizungsbauern übernommen.

Dagegen ist ja auch nichts zu sagen.
Wartemann: Stimmt, aber der Heizungsbauer ist in der Gefahrenklasse 200 – und damit kann er günstiger kalkulieren als wir. Denn wir sind in der Gefahrenklasse 100 eingestuft. Wenn ich heute ein Angebot abgebe, stehe ich mit dem Heizungsbauer im Wettbewerb, bin aber dann über höhere BG-Kosten im Stundenlohn zu teuer.

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"Bin kein klagewütiger Typ"

Sind Sie eigentlich der erste Schornsteinbauer, der diesen Weg geht?
Wartemann: So weit ich weiß, gibt es zwei Kollegen, die aber gescheitert sind. Ich habe jetzt unter anderem eingeklagt, dass mich die BG Bau Hannover an die BG Metall Nord-Süd überweist. Ich will mich ja versichern, ich will aber auch im Wettbewerb bestehen.

Klingt trotzdem nach einem großen Vorhaben. Könnte es sein, dass Sie zu den Leuten gehören, die ständig klagen und die Gerichte nerven?
Wartemann: Nein, ehrlich nicht. Wenn man Zeit und Kosten für Rechtsstreitigkeiten wirklich berücksichtigt, kann man kaufmännisch gesehen oft auf einen Rechtsstreit verzichten. In diesem Fall glaube ich sogar, dass ich realistisch keine große Chance gegen eine Institution habe, die ihre Gesetze so glatt zieht, dass keine Klage Erfolg haben dürfte. Aber man darf und muss sich nicht alles gefallen lassen, insbesondere dann nicht, wenn es an die eigene Geldbörse oder Existenz geht.

Wie viel Aufwand steckt denn schon in dieser Geschichte, wie viele Schreiben haben Sie der BG Bau vor der Klage geschickt?
Wartemann: Seit Ende des vergangenen Jahres so fünf oder sechs Briefe und fünf oder sechs Mails. Außerdem war ein Betriebsprüfer der BG bei mir. Ich habe ihm alles gezeigt, mein Lager, die Rechnungen, massenhaft Fotos von Aufträgen. Daraufhin hat er seinen Bericht geschrieben – leider sind die Leute der BG Bau in Hannover meinen Argumenten nicht gefolgt.

Nächste Seite: "Auch andere Gewerke kennen meine Probleme."

"Ich würde einen Präzedenzfall schaffen"

Und Sie hoffen, dass die Richter des Sozialgerichts Osnabrück mehr Verständnis haben?
Wartemann: Ja, ich möchte mit dem gesunden Menschenverstand einem Richter meine Argumente vortragen. Auch wenn ich weiß, dass der gesunde Menschenverstand in der Justiz nicht immer gefragt ist. So kann es jedenfalls nicht weitergehen, der Wettbewerbsnachteil ist enorm.

Könnten Sie Ihre Firma nicht einfach umbenennen?
Wartemann (lacht): Ja, daran habe ich auch schon gedacht. Wir hießen dann Wartemann amp; Klose Heizungsbau GmbH, Firmenschwerpunkt Schornstein- und Abgasanlagenbau – und schon sieht die Welt anders aus. Aber das ist doch objektiv blödsinnig. Und die Unterschiede und Probleme kennen ja auch andere Gewerke, fragen Sie mal einen Abrissunternehmer, der im Wettbewerb mit einer Hochbaufirma steht.

Was glauben Sie, warum geht die BG nicht einfach auf Ihre Argumente ein?
Wartemann: Ob ich nun in Gefahrenklasse 200 (Installationsarbeiten) 7,1 Prozent oder 15,12 Prozent der Lohnsummen in Klasse 100 bezahle, ist nicht nur für mich, sondern auch für die Berufsgenossenschaft ein Unterschied. Wenn ich damit durchkommen würde, dürften auch die Kollegen aufhorchen, dann wollen alle wechseln – damit würde ich einen Präzedenzfall schaffen. Ich versuche einfach, meinen Standpunkt zu vertreten. Wenn es im Handwerk einen Wandel gibt, müssen alle mitziehen.

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(sfk)

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