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Online-Auktionen

Dicke Fische aus dem Netz?

Preisdumping, Pfusch, Schwarzarbeit – Auftragversteigerungen im Netz stehen massiv in der Kritik. Trotzdem läuft das Geschäft immer besser. Wer profitiert da eigentlich?

Preisdumping, Pfusch, Schwarzarbeit Auftragversteigerungen im Netz stehen massiv in der Kritik. Trotzdem läuft das Geschäft immer besser. Wer profitiert da eigentlich?

Von Manfred Fischer

Michael Herden ist heilfroh, dank der Auktionen hat er einigermaßen zu tun. "Die Hälfte meiner Aufträge ersteigere ich im Internet", sagt der Malermeister aus Sassenburg. Vor ein paar Monaten hat der 25-Jährige den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Und jetzt kämpft er darum, "Konstanz ins Geschäft zu bekommen". Die Schmerzgrenze? "Ich habe meine Preise, da gehe ich nicht drunter", betont er.

Herden nutzt Jobdoo. Wie auf anderen Auktionsplattformen fallen auch hier die Preise für handwerkliche Dienstleistungen mitunter um 50 Prozent oder mehr. Der junge Existenzgründer baut auf etwas anderes: "Es gibt Kunden, die gucken, ob einer den Meisterbrief hat und wie seine Arbeit im Forum bewertet wird." Herdens Auftraggeber sind voll des Lobes für ihn, ein halbes Dutzend Online-Referenzen hat er. Wie groß sind die Aufträge? "Die meisten liegen zwischen 1000 und 2000 Euro", sagt Herden. Und für ihn steht fest: "Ich werde auch in Zukunft bei Auktionen mitmachen."

Das gilt auch für Steffen Eilber. "Ich habe sonst kaum ein Chance, an Arbeit zu kommen", sagt der 39-Jährige. Der Zimmerer und Gas- und Wasserinstallateur aus Ottersberg bei Bremen hat sich als Altgeselle selbstständig gemacht. Er fischt auf My-Hammer nach Aufträgen. Ausbeute? "15 Prozent der Auktionen, bei denen ich mitmache, führen zum Ziel." Manche davon sind "wirklich lukrativ", andere nur kostendeckend. Warum holt er nicht mehr Aufträge?

Bekloppte statt Meister

"Es gibt Bekloppte, die für jeden Preis arbeiten." Und damit nicht genug. Offenbar mischen auch Handwerker mit, die Dinge tun, die sie eigentlich nicht dürften. "Ich kenne einen Kfz-Meister, der ersteigert Pflaster- und Malerarbeiten der würde sogar als Papst einspringen, wenn es sein muss", schimpft Eilber.

Noch etwas stört den Altgesellen: "Da sind Leute, die schnappen sich Aufträge und versteigern sie dann weiter." Portale wie My-Hammer sind "an und für sich nicht verkehrt", betont er. Doch "die schwarzen Schafe müssen raus". Die Kontrollen der Portalbetreiber reichten nicht aus. Und Eilber fordert: "Die Handwerkskammern sollten mal prüfen, was da abgeht." Doch das ist schon geschehen.

"Wenn man scharf fahnden würde, hätten die Gerichte Einiges zu tun", sagt der Sprecher der Handwerkskammer Düsseldorf, Alexander Konrad. Die gewerbe- und wettbewerbsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht "zwingend erfüllt". Vor allem aber: Auktionshäuser im Netz eignen sich grundsätzlich nicht für den Vertrieb komplexer Handwerkerdienstleistungen, betont er. Allenfalls für Existenzgründer könnten sie "im Einzelfall sinnvoll sein".

Massive Kritik kommt auch von anderen Kammern. "Bei uns beschweren sich immer wieder Betriebe über die Auktionen. Wir lehnen diese Versteigerungen schlichtweg ab", sagt Lars Bökenkröger von der Handwerkskammer Rhein-Main.

Die Kritik von Unternehmern und Kammern prallt an den Portalbetreibern nicht ab. "Wir greifen die Anregungen auf und verbessern die Qualtität unseres Angebots noch weiter", sagt der Justiziar von My-Hammer, Oliver Beyer. So wolle man künftig etwa prüfen, ob Betriebe in der Handwerksrolle eingetragen sind. Schon jetzt gebe es Auktionen, bei denen nur Handwerker mit Meisterbrief zugelassen seien.

Ins gleiche Horn stößt man bei Quotatis (früher: lets work it). "Wir richten unsere Plattform verstärkt auf Qualität aus", sagt Geschäftsführer Jörg Holtmann. Der Ansatz: Wer mitmachen will, muss nicht nur einen Gewerbeschein vorlegen, sondern auch eine "Qualitätsvereinbarung" unterschreiben. Darin heißt es unter anderem:

Zudem finden auf Quotatis nicht mehr nur Rückwärtsauktionen statt. "Der Trend geht dahin, dass Handwerker bei uns die Kontaktdaten von Kunden erwerben", erklärt Holtmann. (Lesen Sie auch: So funktionieren die Portale)

Auch an anderer Stelle entwickeln sich die Plattformen weiter. Während es am Anfang fast nur kleine Aufträge zu ersteigern gab, kann man inzwischen richtig dicke Fische aus dem Netz ziehen. Die Auftragssummen reichen heute bis weit über eine Million Euro. Folge: "Es sind zunehmend auch etablierte Handwerksbetriebe, die bei uns mitmachen", freut sich Alexandra Nowak von My-Hammer.

So funktionieren die Portale

Anfangs gab es bei Undertool amp; Co. für Handwerker nur eine Möglichkeit: den Preiskampf. Inzwischen bieten die Portale Handwerkern den Freiraum, individuelle Stärken ins Feld zu führen. Grundsätzlich lassen sich drei Geschäftsmodelle unterscheiden:

Modell 1: Nur der Preis zählt

Dabei handelt es sich um klassische Rückwärtsauktionen. Der Kunde stellt den Auftrag ein und gibt einen Preis vor. Handwerker können für einen festgelegten Zeitraum um den Auftrag feilschen. Den Zuschlag erhält automatisch der, der den niedrigsten Preis macht. Das Geschäft kommt mit Ablauf des Auktionszeitraums zustande. Für die Nutzung dieses Portals zahlt entweder der Kunde (z.B. Jobdoo) oder der Handwerker (z.B. My-Hammer, Quotatis, Blauarbeit). Die Höhe der Gebühr richtet sich in der Regel nach dem Auftragsvolumen.

Modell 2: Preis und Qualifikation zählen

Auch hier finden Rückwärtsauktionen statt. Handwerker haben jedoch die Chance, sich individuell in dem Portal darzustellen. So können sie etwa vermerken, ob sie einen Meistebrief haben. Oder wie groß ihr Betrieb ist und wo die Arbeitsschwerpunkte liegen.

Kunden können am Ende der Auktion frei auswählen, welchem der Bieter sie den Autrag geben. In einigen Portalen können sie Bieter, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, von vornherein von der Auktion aussschließen. Die Nutzungsgebühr zahlt wie bei Modell 1 je nach Portal der Kunde oder der Dienstleister.

Modell 3: Anfrage oder Kostenvoranschlag

Das Modell funktioniert entweder so, dass Handwerker die Adresse des Auftragsbieters kaufen können (z.B. Quotatis), oder der Portalbetreiber gegen eine Gebühr das Angebot und die Kontaktdaten des Handwerkers an den Kunden weiterleitet (z.B. Undertool). Das Geschäft selbst fädeln Handwerker und Kunde dann übers Telefon oder per E-Mail ein. Knackpunkt: Der Handwerker weiß zu Beginn nicht, wie viele sich vor ihm schon um denselben Auftrag beworben haben. Quotatis verkauft eine Adresse bis zu fünf Mal.

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