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Foto: handwerk.com

Schere im Kopf

Die Angst vor der Preiserhöhung

Der Preiskampf – Paul Meyer führt ihn. Nicht um Aufträge, nicht gegen die Konkurrenz. Sondern gegen Vorurteile und Denkblockaden. Denn sie allein stehen gesunden Preisen im Weg.

Es wird teurer?
Haare raufen, Preiskampf, Paar erschrocken, Schreck

Eigentlich könnte es Paul Meyer ziemlich egal sein, wie viel ein Handwerker verdient. Bis vor ein paar Monaten war das anders. 15 Jahre lang hat er das Handwerker-Netzwerk Einer.Alles.Sauber. aufgebaut und geführt. Eine gute Auftragsquote und hohe Stundensätze – das war für ihn ebenso wichtig, wie für die heute 100 Mitgliedsbetriebe. Nun hat Meyer mit 62 seine Nachfolge geregelt, um das Netzwerk kümmern sich jetzt andere. Doch statt seinen Ruhestand zu genießen, kämpft Meyer noch immer für höhere Handwerkerpreise: In Seminaren gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen an die Betriebe weiter. Eines heißt „Kopf schlägt Preis“.

Warum tun sich so viele Betriebe trotz sehr guter Auslastung so schwer mit Preiserhöhungen?
Meyer: Das liegt an einer kollektiven Denkblockade im Handwerk. Fast alle denken: „Wenn ich den Auftrag haben will, muss ich billiger sein als mein Konkurrent.“ Das alles ist erlernt und extrem verbreitet, weil sich alle nach ihren Konkurrenten richten. Das war schon immer so, also macht man auch so weiter.

Und Sie helfen Handwerkern dabei, die Denkblockade zu beseitigen. Wie machen Sie das?
Meyer: Es hilft, wenn man sich erst einmal bewusst macht, dass es sie gibt, woher sie kommt und dass sie auch im eigenen Kopf steckt.

Welche Ursachen hat die Blockade denn?
Meyer: Dafür gibt es viele Gründe. Als Erstes hat das etwas mit der permanenten Beeinflussung von außen zu tun, der wir alle ganz extrem ausgesetzt sind. Zu jeder Neueröffnung gibt es erst einmal Rabatte, Elektromärkte und Discounter werben dauernd mit Schnäppchen und Niedrigstpreisen. Diese Dauerbeschallung löst etwas in den Köpfen aus – deutsche Kunden sind extrem preissensibel.

Gegen diese Beeinflussung der Kunden kann ein Handwerker ja nun wenig unternehmen.
Meyer:  Es geht mir hier nicht um die Kunden, sondern um die Handwerker. Die sind diesen Botschaften von außen ja auch ausgesetzt und glauben selbst, dass man Aufträge nur über günstige Preise bekommt. Viele laufen mit einem Schild vor dem Kopf herum, auf dem steht „frag mich nach Rabatt“. Die Kunden spüren das. Darum geht es mir: Wenn ich in meinem eigenen Kopf etwas ändere, ändert sich auch in der Aktion mit dem Kunden etwas.

Aber das passiert ja nicht nur in den Köpfen. Wenn ich auf dem Dorf meine Preise erhöhe, dann reden die Leute: „Da musst du nicht mehr hingegen, der ist zu teuer.“
Meyer: Das Gerede gibt es, aber die Leute reden doch immer. Komischerweise macht sich nie einer Sorgen, dass er als billig gelten könne. Dabei ist das viel schlimmer, denn darüber reden die Leute auch und dann bekommt man eben nur noch Kunden, die es möglichst billig wollen.

Und was passiert noch im Kopf, was schlecht für die Preise ist?
Meyer:  Viele Handwerker haben kein Selbstvertrauen in die eigenen Preise. Das ist grundsätzlich ein Problem. Oft sollen sie etwas planen und arbeiten, eine neue Küche zum Beispiel, das sie sich selbst nicht kaufen würden, weil es ihnen persönlich zu teuer wäre. Aus diesem Gefühl heraus schreiben sie dann Angebote, die zu günstig für diese Leistung sind.

Bei individuellen Küchen mag das so sein. Aber bei anderen Leistungen gibt es ja den Preiswettbewerb.
Meyer: Das Problem gibt es nur, wenn meine ­Leistungen austauschbar sind und mich die Kunden nur wegen dieser austauschbaren Leistung beauftragen. Dann zählt fast immer nur der Preis. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Ich muss mich fragen: Warum will der Kunde mich? Und darauf muss ich
eine andere Antwort finden als „weil ich der Billigste bin“.

Aber auch Betriebe, die sehr individuelle Leistungen anbieten, tun sich schwer mit Preiserhöhungen. Was ist da zu tun?
Meyer: Ich muss als Erstes die Grenzen in meinem Kopf versetzen, ich muss die Denkblockade überwinden. Das fängt damit an, dass ich mich endlich traue, meinen Wunschpreis zu ermitteln. Dazu muss ich erst einmal recherchieren und rechnen. Wie hoch ist der Stundensatz der Konkurrenz? Wie ist mein Stundenverrechnungssatz? Welcher wäre eigentlich erforderlich, damit ich Gewinn mache? Und dann muss ich noch einen Schritt weiter gehen: Welcher Stundensatz wäre zum Wohle aller Beteilig­ten erforderlich? Also der, bei dem ich glücklich bin und meine Mitarbeiter auch, weil ich ihnen mehr zahlen kann? Und dann muss ich mich von den von den typischen Glaubenssätzen des Handwerks
trennen.

Was meinen Sie damit?
Meyer: Ich meine all diese Sätze, die zu der kollektiven Denkblockade gehören. Sätze wie „Das wird zu teuer. Es gibt immer einen, der es billiger macht. Den Preis wird der Kunde nicht akzeptieren. Der Kunde will Skonto. Skonto und Rabatte gibt jeder. Der Kunde erwartet einen Nachlass. Die anderen machen auch günstige Preise.“

Wie schaffe ich das?
Meyer: Indem ich mir selbst positive Glaubenssätze überlege. Solche, die mich in meinem Entschluss bestärken und nicht immer wieder auf der alten Grenze festnageln. Aus „Der Kunde will Skonto“ könnte zum Beispiel „Der Kunde will kein Skonto, er will mich“ werden.

Aber Skonto ist doch üblich.
Meyer: Eben, eine kollektive Denkblockade. Deswegen ist der Verzicht auf Skonto und Rabatte ein sehr guter erster Schritt, um die Angst vor der Preiserhöhung zu überwinden. Wenn ich als Handwerker einfach damit aufhöre, Skonto zu geben, sofort, jetzt, dann habe ich sofort ein paar tausend Euro mehr. Und ich merke, dass mir deswegen kein Auftrag entgeht. Die Kunden werden das akzeptieren, wenn man es selbstbewusst vertritt.

Nun wird aber kaum ein Kunde begeistert auf Sätze reagieren wie „du willst kein Skonto, du willst mich“.
Meyer:  Diese positiven Glaubenssätze sage ich mir ja auch selbst, nicht dem Kunden. Man muss sie gut formulieren und sich zwanzigmal am Tag selbst sagen.

Sie sprechen von Autosuggestion, von Selbstbeeinflussung. Deren Wirkung ist aber nicht unumstritten.
Meyer: Dann empfehle ich Ihnen einen Test. Er dauert ein Jahr. Für diesen Test müssen Sie Ihren Sohn ein Jahr lang jeden Morgen, wenn er zur Schule geht, verabschieden. Dabei sagen sie immer die gleichen Worte: „Es tut mir leid, mein Sohn, aber egal, wie du dich anstrengst, aus dir wird nichts.“ Wollen Sie den Test machen?

Nein, natürlich nicht. Das würde ihn ja völlig runterziehen!
Meyer: Ja, das ist Suggestion und sie hat eine Wirkung. Autosuggestion wirkt genauso so – negativ oder positiv. Es kommt nur darauf an, dass man sich für die richtigen Glaubenssätze entscheidet.


Das Gespräch führte Jörg Wiebking



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