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Foto: handwerk.com

Video: Futter fürs Kopfkino

Die Drei von der Grabstelle

Bei diesem Wort rattert das Kopfkino los: Bestatter. Warum entscheiden sich junge Menschen ausgerechnet für diesen Beruf? Wir haben drei Auszubildende gefragt – auf einem Lehrfriedhof.

In keinem dieser Gräber wird jemals eine Leiche liegen. Trotzdem wird hier zwischen Grabsteinen gebaggert, gemessen, gebuddelt. Ein Frühlingsmorgen im bayerischen Münnerstadt. Auf dem Lehrfriedhof des Bundesverbandes der deutschen Bestatter haken die Ausbilder eine Lektion nach der anderen ab. In einer schattigen Ecke steht eine kleine Gruppe zukünftiger Bestattungsfachkräfte, eine der Auszubildenden soll eine Urne in ein Grabloch hinunterlassen. Dass sich Ann-Christine Mohr dabei nicht sonderlich geschickt anstellt und nicht gerade elegant aussieht, merkt sie selbst. Das Lachen der 17-Jährigen ist ansteckend.

Diese Szene ist derart fröhlich, dass sich Fragen aufdrängen: „Bestatter? Wirklich? Ihr wollt ausgerechnet Bestatter werden?“

Die Video-Antworten sind so vielfältig wie das Leben – lesen und sehen Sie Seite 2.

So vielfältig wie das Leben

Da ist Sascha Kalmutzke. Dass der sich nicht einfach irgendeinen Lehrberuf ausgesucht hat, weil ihm nichts Besseres eingefallen ist, zeigt sich schon an seiner Kleidung. An diesem Morgen auf dem Lehrfriedhof wird er keine Angehörigen treffen, aber das ist ganz offensichtlich keine Entschuldigung für Nachlässigkeiten. Schwarzer Schlips, schwarze Weste, strahlend weißes Hemd – alles perfekt. Die Berufswahl ist für den Mann aus Berlin auch eine spezielle Form der Trauerbewältigung. Als seine Mutter starb, war er 18 Jahre alt. Damals, sagt der heute 34-Jährige, gab es kein Netz, das ihn auffangen konnte. Da war kein Ritual. Kein Angehöriger an seiner Seite. Und die Bestatter? Kalmutzke schüttelt den Kopf: „Unsensibel, unprofessionell – einfach nur schlecht. Das will ich besser machen.“

Die Drei von der Grabstelle

















Ausgerechnet in dieser Branche darf sich „praktisch jeder tummeln, der einen Gewerbeschein hat“. Wenn Rosina Eckert diese Tatsache ausspricht, verdreht sie die Augen. Die Leiterin des Bundesausbildungszentrums der Bestatter steht am Eingang des Lehrfriedhofs, betrachtet die Azubis und zählt auf, was die jungen Leute in ihrem Berufsleben leisten müssen: „Die Trauerpsychologie und die Kommunikation mit Angehörigen – schon das ist ein weites Feld. Und alles andere kommt ja noch dazu. Von den Arbeitsschutzmaßnahmen im Friedhofsbereich bis zur hygienischen Versorgung der Verstorbenen.“ Eine Ausbildung sei da „gelinde gesagt“ von Vorteil.

Totenschädel. Klick. Chirurgenbesteck. Klick. Lesen Sie Seite 3.

Das Kopfkino rattert

Stefan Rommel ist einer der Ausbilder in Münnerstadt, seine Übungen bewegen sich zwischen Sicherheitsvorschriften und Stilfragen. Der Mann mit dem doppelten Meistertitel (Bestatter und Zimmerer) zeigt Ann-Christine Mohr und den anderen Auszubildenden, wie sie die Urne angemessen in ein Grabloch hinunter lassen können. Jede seiner Bewegungen wirkt ganz natürlich. Die Urne hängt an einem Band, das er in der rechten Hand hält. Er hockt sich auf sein rechtes Knie und sagt: „Die linke Führungshand bleibt an der Urne. Da wackelt nichts.“ Ganz einfach. Mohr nickt anerkennend. Bei ihrem Versuch hatte die Urne eher an ein Pendel erinnert.

Der Lehrfriedhof ist eine Art Außenstelle, die Branche verfügt in Münnerstadt über ein modernes und lichtdurchflutetes Ausbildungszentrum. Ein 5000 Quadratmeter großes Grundstück, Schulungsgebäude, ein Gästehaus, Werkstätten für die handwerklichen Anteile der Ausbildung. Rosina Eckert hat Spaß an der Führung durch ihre Welt. Nur als sie die Tür zu einem der Hygieneräume öffnet, verändert sich ihre Haltung, so als würde sie in sich einen Schalter umlegen. Das Signal für den Besucher: Bis hierhin waren kleine Albernheiten in Ordnung, aber jetzt ist mal gut.

Helle Fliesen, Stahltische, der nüchterne Charme eines Operationssaals – da muss der unbedarfte Beobachter ohnehin schlucken. Und bei jedem Blick durch die Kameralinse rattert das Kopfkino los. Chirurgenbesteck. Klick. Rasierzeug in einem der Schränke. Klick. Totenschädel. Klick. Desinfektionswannen. Klick. In einer Ecke des Raums liegt eine lebensgroße Kinderpuppe. Klick. „Ich hoffe“, sagt Eckert und legt Gewicht in ihre Worte, „dass Sie Ihre Leser nicht mit diesen Bildern alleine lassen.“

Quereinsteiger trotz Horror-Assoziationen – lesen Sie die letzte Seite.

Lachen auf dem Lehrfriedhof

Zurück auf den Lehrfriedhof. Ann-Christine Mohr beschreibt ihren Weg in den Beruf, die klassische Variante: Sie stammt aus einer Wolfsburger Bestatterfamilie, sie ist mit dem Tod aufgewachsen, sie wird den Betrieb übernehmen. „Unser Unternehmen besteht jetzt 51 Jahre lang und ich möchte es weiterführen“, sagt Mohr.

Die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft gibt es seit 2003. Und seitdem ist die Zahl der Quereinsteiger kontinuierlich gestiegen. Katharina Pfleghaar gehört zu diesem neuen Typ Bestatter. Sie lernt in einem Betrieb in Baden-Württemberg, und es ist bemerkenswert, wie die 20-Jährige über Ihre Ausbildung spricht: „Das ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Man merkt sofort, ob einem das liegt oder nicht. Mich hat das schon von klein auf interessiert.“

Wie hat ihre Umgebung auf ihre Berufswahl reagiert? „Anfangs hatten einige Freunde regelrecht Horror-Film-Assoziationen. Aber mittlerweile haben das alle akzeptiert“, sagt Pfleghaar. Ab und an muss sie noch einen Witz über sich ergehen lassen. Bestatter kann so etwas kaum in Verlegenheit bringen. Sascha Kalmutzke kennt allerdings auch Situationen, in denen er seinen Beruf lieber verschweigt. Wenn er mit seiner Freundin unterwegs ist und neue Leute kennenlernt, dann kann der Satz „Ich lasse mich zur Bestattungsfachkraft umschulen“ für einen kleinen Schockmoment sorgen.

Der Ausbilder Stefan Rommel hat die Urne jetzt ganz in das Grabloch hinuntergelassen. Er ist ruhig, verweilt ein wenig, die ausgestreckte rechte Hand belässt er noch kurz am Rand des Grablochs. So als wolle er dem Verstorbenen den Weg in das Reich der Toten weisen. Dann steht er auf, verbeugt sich und zieht eine imaginäre Mütze. Und wieder entlädt sich ein Lachen auf dem Lehrfriedhof.

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(sfk)

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