Die Suche nach dem zentralen Problem: Interview mit der Betriebsberaterin Barbara Beyer und dem Handwerksmeister Eric Dinges.
Herr Dinges, wie hat Ihr Vater reagiert, als Sie sofort nach der Übernahme den Dachdeckerbetrieb durcheinander gewirbelt haben?
Dinges: Wie man sich vorstellen kann, ist er anfangs skeptisch gewesen. Aber er hat mich gewähren lassen: „Das ist jetzt Deine Entscheidung.“ Und als ich ihm das Konzept vorgestellt habe, das Barbara Beyer ausgearbeitet hatte, hat er relativ schnell positiv reagiert.
Der Zeitpunkt klingt dennoch gewagt.
Dinges: Für mich war es der richtige Zeitpunkt, ehe ich mich vollständig vom Alltagsgeschäft überrollen lasse.
Frau Beyer, kommt es oft vor, dass ein Übernehmer gleich zu Anfang so drastisch in die Betriebsabläufe eingreift?
Beyer: Mir liegen keine Studien vor, vom Bauchgefühl würde ich sagen, eher nicht. Es wäre häufiger notwendig, als es getan wird.
Herr Dinges, was war die wichtigste Aufgabe?
Dinges: Ich habe mir die Abläufe ja längere Zeit aus der Position des Juniorchefs anschauen können. Das größte Manko war ein Ungleichgewicht im Informationsaustausch von den Mitarbeitern ins Büro hinein und vom Büro zu den Mitarbeitern. Die Arbeitszettel, die von der Baustelle zurückkamen, waren zum Teil ungenau. Zusätzliche Arbeiten wurden nicht genau erfasst, zumindest nicht genau genug. Wir hatten auch keine einheitlichen Baustellenakten.
Aber wozu die Hilfe von außen? Die Probleme hatten Sie ja erkannt.
Dinges: Ich habe gesehen, dass es nichts bringt, wenn ich alles alleine verändere. Da musste jemand kommen, der völlig losgelöst von persönlichen Kontakten die Situation bewertet und Lösungsvorschläge aufzeigt – und der die Mitarbeiter mit einbindet.
Gibt es eigentlich einen Punkt, den jeder Betrieb angehen könnte – so eine Art zentrales Problem?
Beyer: Es gibt zumindest eine Frage, die man in jedem Betrieb stellen kann: Wie bekomme ich die Informationen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge an den richtigen Ort? Je besser beispielsweise bereits beim ersten Kundengespräch Informationen gesammelt werden, umso besser läuft der Prozess nach hinten raus.
Dinges: Letztlich geht es um Transparenz, das ist die wichtigste Erkenntnis für mich. Mindestens 3 Personen in leitender Position – also mein Vater, unser Vorarbeiter und ich – sollten wissen, was auf allen Baustellen geschieht. Schon für den Fall, der hoffentlich nicht eintritt: dass einer ausfällt. Und das kann nun einmal passieren, das hat die Vergangenheit gezeigt. Jeder unserer 12 Mitarbeiter kann jetzt zu jedem Zeitpunkt von uns allen erfahren, was als Nächstes ansteht. Es muss nicht alles ohne mich laufen, aber es könnte ohne mich laufen. Jemand könnte mich im Notfall vertreten.
Ist das ein Ziel, Frau Beyer, der Chef könnte überflüssig sein?
Beyer: Zumindest überflüssig im Tagesgeschäft. Der Chef hat schließlich auch andere Aufgaben, als sich nur um die operativen Abläufe zu kümmern, er muss die Dinge strategisch entwickeln. Wenn er permanent im Tagesgeschäft versinkt, bleibt der strategische Anteil auf der Strecke – und das ist nicht gut für den Betrieb.
Sie arbeiten jetzt seit einem halben Jahr nach dem neuen Konzept, zahlt sich die Veränderung schon aus?
Dinges: Monetär kann ich das nicht festlegen, noch nicht. Was ich feststellen kann, ist der Motivationsschub. Unsere Mitarbeiter waren schon vorher motiviert, aber jetzt ist aus recht knorrigen Männern eine Mannschaft geworden, die an diesem ganzen Prozess teilhaben will. Nicht teilhaben muss, sondern teilhaben will. Wir haben eine Mitarbeiterbesprechung eingeführt, alle zwei Wochen, die Verbesserungsimpulse, die dort kommen, überraschen mich immer wieder positiv.
Sind Sie privat eigentlich auch so strukturiert, Herr Dinges?
Dinges: Nein, bin ich nicht – sehr zum Leidwesen meiner Frau.
So umfangreich haben die Betriebsberaterin und der Dachdeckermeister die Abläufe des Betriebes verändert: Gute Frage: Was liegt an? Eric Dinges im Skype-Interview sehen Sie hier.