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Interview

"Die Justiz ist sich selbst im Weg"

Die einen zocken seit Jahren Handwerker ab, die anderen sehen (fast) tatenlos zu: Auftragsvermittler und Justiz kommen sich hierzulande kaum in die Quere. Warum ist das so? Ein Gespräch mit dem Rechtsanwalt Patrick Wauer.

Patrick Wauer ist Rechtsanwalt in Stutensee (Baden-Württemberg). In den zurückliegenden Jahren hat der Jurist zahlreiche Handwerksunternehmer vertreten, die bei Auftragsvermittlern unterschrieben hatten.

Herr Wauer, warum geht die Justiz nicht wirksam gegen Auftragsvermittler vor?

RA Wauer: Beweisen Sie einmal, dass ein Auftragsvermittler absichtlich eine Vorab-Provision kassiert, ohne eine substanzielle Gegenleistung erbringen zu wollen. Auftragsvermittler berufen sich auf Kontakte, auf Datenbanken, verschicken immer mal wieder Unterlagen. Einerseits liegt aufgrund der Vielzahl an Fällen auf der Hand, was da läuft, andererseits ist der Nachweis kompliziert.

Aber nach Jahren der Täuschung scheint doch Abzocke im Spiel zu sein – das sagt zumindest der gesunde Menschenverstand.

RA Wauer: Stimmt, dieselben Personen ziehen offenbar von einem Ort zum nächsten und überziehen dort gezielt vertrauensselige Unternehmer mit ihrem Auftragsvermittlungs-System. Aber die Justiz betrachtet immer nur den Einzelfall. Ob dahinter ein System steckt, ist zunächst nicht die Frage. Ich habe mich bei verschiedenen Staatsanwaltschaften und Gerichten über Verfahren erkundigt, in denen Auftragsvermittler involviert waren. Die Antwort, die ich fast unisono bekommen habe: „Aus Datenschutzgründen dürfen wir Ihnen leider keine Antwort geben.“ In Deutschland dient der Datenschutz leider weniger den Opfern als den potenziellen Täter, die Justiz ist sich da selbst im Weg.

Eine richtig gute Geschäftsidee … weiter auf Seite 2

Ein simples Personalproblem

RA Wauer: Ja, sämtliche Stellen ertrinken förmlich in Arbeit. Welcher Staatsanwalt hat denn Lust und Zeit, sich solcher Fälle engagiert anzunehmen? Kaum einer! Es gibt also keine wirklichen Sanktionen. Ab und an erscheinen wenigstens noch Anwälte auf der Bildfläche, die sich richtig Mühe geben – und trotzdem oft scheitern, weil auch die Richter keine Zeit und Muße haben, richtig in die Materie einzusteigen. Und selbst wenn ein Anwalt im Einzelfall erfolgreich ist, bringt er das System der Abzocke überhaupt nicht in Gefahr. Das System wird dann lediglich verfeinert. Die Auftragsvermittler wissen also ganz genau, dass sie nichts oder nur wenig zu befürchten haben.

Sind die Betriebe selbst schuld, wenn Sie auf Auftragsvermittler hereinfallen?

RA Wauer: Vielfach wird das so gesehen. Denn das Abzocken wird oft nicht als ominöse Machenschaft, sondern eher als gute Geschäftsidee betrachtet. Gerade gegenüber selbstständigen Handwerkern, die täglich Verträge schließen und durchlesen müssen, was sie unterschreiben – zumal für sie das schützende Verbraucherrecht nicht gilt. Helfen könnte höchstens eine konzertierte Aktion der involvierten Behörden – aber das wird sehr wahrscheinlich Wunschdenken bleiben.

Welches Fazit ziehen Sie aus Ihren Mandaten gegen Auftragsvermittler?

RA Wauer: Wenn Handwerker auf Auftragsvermittler hereingefallen sind und auch noch einen Wechsel unterschrieben haben, kann ich als Anwalt nur schwer das Optimum herausholen. Die Betriebe haben in der Regel keine Rechtschutzversicherung. Das Kostenrisiko ist immens. Zum Schutz der Mandanten muss ich dann aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen Schadensbegrenzung betreiben und empfehlen, auf einen Vergleich hinzuwirken. Dann bekommen die Auftragsvermittler aber eben immer noch einen ordentlichen Batzen Geld – letztlich für nichts. Deshalb fallen die allerwichtigsten Aufgaben gerade auch Ihnen zu: Prävention und Aufklärung – damit die Handwerker erst gar nicht solchen Auftragsvermittlern auf den Leim gehen.

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