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Kurzgeschichten

Die Verwandlung der Linda Entz

Tagsüber Fliesenlegermeisterin – abends Literatin: Die Erzählungen einer 34-jährigen Handwerkerin überzeugen durch Sprachwitz, Themenvielfalt und Pointenreichtum.

"Etwa einmal im Jahr habe ich einen Kunden, der eigentlich untragbar ist", erzählt Linda Entz. In ihrer Erzählung "Arbeitsteilung"geht die Fliesenlegermeis­terin von dieser Erfahrung aus. Wie Handwerker einen solchen Kunden verschwinden lassen, ist allerdings pure Fiktion.

Die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit entsteht in der so rasant wie witzig erzählten Geschichte unfreiwillig, funktioniert aber reibungslos. Alle wollen die Schuld zunächst einem anderen Gewerk unterschieben, ziehen aber letztlich am selben Strang: Der Tote muss weg.

Ein Malermeister zum Beispiel will den Genickbruch wie einen Stromschlag aussehen lassen: "Tod durch Stromschlag. Natürlich. Natürlich! Genauso, nur ein bisschen anders. Möller packt die Leiche (...) unter den Armen und zerrt sie in Richtung Bad. Das ist dummerweise im ersten Stock. Drei Pausen muss er unterwegs einlegen, so schwer ist dieser Typ, der auch tot noch jede Menge Schwierigkeiten macht."

Als der Elektriker die Leiche findet, will er sie dem Friseur unterjubeln. Und so weiter. Schließlich lässt der Fliesenleger das Gebiss in der Wand verschwinden. Und auch Fleisch und Feinkost Franzen spielt noch eine unappetitliche Rolle bei der Sache …

Anderen Texten des Erzählbandes merkt der Leser die Leidenschaft der Handwerkerin für Bücher an. Angefangen bei dem einleitenden Essay "Auto und Autor", in dem sie kunstfertig scheinbar Disparates zusammenbringt. "Schriftsteller haben mehr gemeinsam mit polierten oder rostigen, teuren oder billigen, stromlinienförmigen oder altmodisch sperrigen Automobilen, als uns vielleicht auf den ersten Blick bewusst ist." Die beiden Geschichten "Durch die Wand" oder "Buchlandung" lassen erahnen, wie viel Inspiration Linda Entz selbst aus Büchern zieht.

Wie kommt eine Fliesenlegermeisterin dazu, Geschichten zu schreiben? Diese Frage ist vielleicht falsch gestellt. Denn man könnte Linda Entz genauso gut fragen, warum eine sprachlich so begabte junge Frau das Fliesenlegen erlernt. Mit beiden Leidenschaften hat sie schon früh begonnen – mit acht Jahren hat sie ihr erstes Gedicht verfasst und mit zehn ihre erste Fliese verlegt. "Nach dem Abitur hätte ein Studium nahegelegen." Aber die Autorin liebt nicht nur in ihren Geschichten überraschende Wendungen. Grund genug für sie, der handwerklichen Ausbildung den Vorzug zu geben.

2007 hat sie den Fliesenlegerbetrieb in Groß Steinum von ihrem Vater übernommen. Auch hier ist sie am liebsten kreativ. Gern denkt sie sich komplizierte Mosaike aus, bereitet die Fliesen vor und nummeriert die Teile für ihre beiden Mitarbeiter durch.

Zu Stoßzeiten kommt die Meisterin kaum zum Schreiben. In der Woche zieht sie sich häufig erst um 22 Uhr in ihr Arbeitszimmer oder das Kellerbüro der Firma zurück, mit einer Tasse Kaffee und manchmal etwas Schokolade. "Es kann schon mal sein, dass eine kurze Geschichte nach vier Stunden fertig ist", sagt sie.

Ihre Kunden begrüßt sie auf ihrer von ihr selbst gestalteten Website mit einem Zitat eines ihrer Lieblingsautoren, Oscar Wilde: "Ich habe einen ganz einfachen Geschmack – ich bin immer mit dem Besten zufrieden!" Wie reagieren die Auftraggeber auf ihre literarische Ader? "Ich hänge das im Alltag nicht so an die große Glocke. Aber die, die es wissen, finden es toll."

Auf einer Reise zu der literarischen Veranstaltung "Lesebühne Leipzig" ist der Kontakt zum fhl-Verlag entstanden. Schnell hat Entz die Lektoren mit ihren Erzählungen überzeugt.

Die in "Verwandlungen" versammelten 17 Geschichten stammen aus den vergangenen zehn Jahren. "Sie alle zeigen: Man ist nie davor gefeit, dass etwas Besonderes passiert", sagt Entz. In der Schublade hat die Handwerkerin noch viele Kurzgeschichten, mit denen sie weitere Bände füllen könnte.

Doch vorerst kann der Leser in dem jetzt erschienenen Band schon ein breites Inhaltsspektrum entdecken. Zum Beispiel, wenn er von dem Jungen Melvin liest, der plötzlich auf seinen Zähnen Klavier spielen kann, oder von einem ehemaligen Grubenarbeiter, der lieber einsam in einer verstaubten und vertrauten Stadt bleibt, als zu seiner Familie zu ziehen, oder von einem als Paketbote getarnten Kriminellen, der einsame Frauen aufsucht … Jeder Einfall ist intelligent zu Ende gedacht und die Umsetzung lässt sich gut lesen. Besonderes Bonbon: Die Illustrationen hat Linda Entz selbst gezeichnet. "Das jedoch ist einfach nur ein Hobby", wiegelt sie ab.

Bibliografische Angaben: Linda Entz: „Verwandlungen“. ­Erzählungen, ­fhl-Verlag (2010), 183 Seiten, 13,95 Euro, ­ ISBN: 978-3-942025-31-7

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