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Die Würfel sind gefallen

Die Würfel sind gefallen

Mit einem Gewinnspiel hatte die Wolfsburger Frisörkette Klier potenzielle Kunden umgarnt. Das Oberlandesgericht in Braunschweig hat jetzt einen juristischen Riegel vor die Aktion geschoben. Sind die Kunden in den Filialen durch "übertriebenes Anlocken" psychisch quasi zum Konsumieren gezwungen worden?

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30.04.2002

Die Würfel sind gefallen

Die Würfel sind gefallen

Mit einem Gewinnspiel hatte die Wolfsburger Frisörkette Klier potenzielle Kunden umgarnt. Das Oberlandesgericht in Braunschweig hat jetzt einen juristischen Riegel vor die Aktion geschoben. Sind die Kunden in den Filialen durch "übertriebenes Anlocken" psychisch quasi zum Konsumieren gezwungen worden?

Mit einem Gewinnspiel hatte die Wolfsburger Frisörkette Klier potenzielle Kunden umgarnt. Das Oberlandesgericht in Braunschweig hat jetzt einen juristischen Riegel vor die Aktion geschoben. Sind die Kunden in den Filialen durch "übertriebenes Anlocken" psychisch quasi zum Konsumieren gezwungen worden?

Wir haben lediglich versucht, neue Kunden auf die spielerische Art aktiv anzusprechen, sagt Juniorchefin Bettina Klier. Und das sah so aus: In Fußgängerzonen und Einkaufszentren hatten die 750 Klier-Filialen in ganz Deutschland ihre Mitarbeiter in der Regel gutaussehende junge Frauen" postiert, die Passanten zum Würfeln animierten. Das Spiel war in drei Gewinnkategorien eingeteilt, die jeweils einer Dienstleistung entsprachen. Nach drei Würfen wurde die höchste Kategorie auf einen Gewinngutschein eingetragen, der wiederum im Salon eingelöst werden konnte.

Und genau damit haben die Richter ein Problem, denn die Inanspruchnahme der Dienstleistung sei durch den intensiven Kontakt zum Frisörpersonal geprägt. Diese Situation, die auch heute noch mit einer gewissen Peinlichkeit verbunden sei, versuche der Kunde damit zu kompensieren, dass er zusätzlich andere entgeltliche Geschäfte tätigt.

Dem Verbraucher die Mündigkeit abgesprochen

Das Gegenteil ist der Fall, das Spiel wurde von den Leuten absolut positiv aufgenommen, lautet der Kommentar von Bettina Klier. Schließlich hätten die Kunden sogar die Möglichkeit gehabt, den Gegenwert der gewonnenen Dienstleistungen beispielsweise 7 Euro für Waschen und Fönen gegen einen Kosmetikartikel einzutauschen. Die Richter würden dem Verbraucher jede Mündigkeit absprechen: "Beschwert hat sich jedenfalls niemand. Schon gar nicht darüber, dass er einen psychischen Schaden davongetragen hat."

Ist in dem Urteil also ein krasser Fall von Überregulierung zu sehen? handwerk.com hat bei der Wettbewerbszentrale Niedersachsen/Sachsen-Anhalt, die den Prozess gegen Klier geführt hat, nachgehakt. Es geht immer um die Kernfrage, wie stark der Verbraucher geschützt werden muss. Im Zweifel ist ein stärkerer Schutz besser, sagt Geschäftsführerin Anke Läsker.

Und auch in der Frisör-Branche ist die Werbestrategie des Wolfsburger Unternehmens nicht unumstritten. Was die Firma Klier da gemacht hat, geht zu weit. Immer wenn nichts los war in den Läden, haben die ihre Mädchen rausgeschickt, sagt Hans-Rudolf Meyer, Obermeister der Braunschweiger Frisör-Innung. Der Vorwurf des übertriebenen Anlockens sei absolut gerechtfertigt. Letztlich ist das eine Geschmacksfrage, fügt Läsker hinzu. Sie gebe aber zu, dass sie sich in diesem speziellen Fall nicht ganz sicher gewesen sei, wie die Richter das sehen würden.

Die klassische Falle, in die Betriebe tappen können

Die Kombination aus Glücksspiel und dem so genannten psychologischen Kaufzwang ist die klassische Falle, in die Betriebe tappen können. Das ist ein Fossil, das sich über die Abschaffung des Rabatt-Gesetzes hinwegrettet hat, meint Torsten Samland, Geschäftsführer des hannoverschen Unternehmens für Marketing-Beratung Deciso. Leider scheine das im Augenblick nicht knackbar zu sein.

Betriebsinhaber sollten bei Gewinnspiel- und Gutscheinaktionen grundsätzlich vorsichtig sein, zieht der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks eine aktuelle Konsequenz aus dem OLG-Urteil. Gegebenfalls sei vorherige Beratung geboten. Dem kann Anke Läsker nur zustimmen: Es wäre auch aus Sicht der Wettbewerbszentralen der angenehmere und konstruktivere Ablauf, wenn die Betriebe mit ihren Werbentwürfen zu uns kommen und fragen, obs da ein Problem geben könnte. Für einen jährlichen Beitrag von knapp 355 Euro jährlich könne man die Beratungsstellen in Anspruch nehmen.

Das ist ja schön und gut, aber im Ausland hätte es so einen Prozess gar nicht erst geben. Das ist kein Urteil, dass uns den Weg nach vorn in ein großes Europa weist, seufzt Klier. Wenn man sich überlege, dass der Werbemarkt liberalisiert werden sollte, seien das eigentlich drei Schritte zurück.

OLG Braunschweig, AZ 2 U 111/2001

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