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Und dann hagelt es Mahnungen …

Dreiste Telefonmasche

Eine Unternehmerin fühlt sich überrumpelt und getäuscht. Weil ein Branchenverzeichnisanbieter darauf besteht, mit ihr einen Vertrag abgeschlossen zu haben. Das angebliche Beweismittel: ein zweifelhafter Telefonmitschnitt.

Von Astrid Funck

Bei Edith Wand hat die Telefonfalle zugeschnappt. Wie bei so vielen schon. Gemeinsam mit ihrem Ehemann leitet sie die K.-H. Wöckener GmbH, einen Dachdeckerbetrieb mit Sitz in Hannover. Anfang 2014 rief jemand bei ihr an, im  Namen eines Branchenverzeichnisses. „Der Herr sagte, er könne mir ein einmaliges Angebot machen, wenn ich die Laufzeit meines Vertrages verlängere", erinnert sich die Unternehmerin. „Er hat so getan, als ob seine Firma schon ewig für uns arbeitet, und ich war in dem Moment im Stress und konnte das so schnell nicht nachprüfen."

Fatale Verwechslung führt in die Falle
Edith Wand dachte, es handele sich um einen Branchenverzeichnisanbieter, mit dem sie bereits ein Vertragsverhältnis hatte. Der Telefonist sei mit ihr den Text für den Firmeneintrag durchgegangen, angeblich um den aktuellen Stand zu überprüfen. Die Unternehmerin sagt, sie habe bemängelt, dass der Hinweis auf den 24-Stunden-Notdienst fehlte. Der sei nämlich sonst immer in allen Einträgen mit drin gewesen. Das könne er sich auch nicht erklären, der sei wohl herausgefallen, habe der Anrufer daraufhin geantwortet.

Nach Anruf Rechnung - und dann geht das Mahnen los
Nach Schilderung von Edith Wand zeichnete er den letzten Teil des Gesprächs auf. Für diesen Mitschnitt habe er sie darum gebeten, mit „ja“ zu bestätigen, dass der Hinweis auf den 24-Stunden-Notdienst wieder aufgenommen werden soll. Wenig später bekam ihre Firma eine Rechnung vom Verlag für elektronische Medien Melle, der das elektronische Branchenverzeichnis EBVZ.de vermarktet. Sie fiel aus allen Wolken. Obwohl der Dachdeckerbetrieb per Einschreiben Widerspruch gegen den Vertragsabschluss einlegte, folgten Mahnungen über Mahnungen bis hin zu Inkasso-Androhungen.

Auf Seite 2 erfahren Sie, wie sich Edith Wand gegen die Mahnwelle stemmte.

Jede Menge Arbeit für Rechtsanwälte

Im Internet stieß Edith Wand auf den Hannoveraner Rechtsanwalt Henning Lüdecke, der im Netz vor den Praktiken des niedersächsischen Verlages warnt. Sie übergab ihm den Vorgang. Lüdeckes Kanzlei vertritt zurzeit rund 200 Mandanten, die von der EBVZ-Frontfrau Vanessa Gambietz und ihrem Anwalt mit Forderungen traktiert worden sind. In einigen Fällen habe der Verlag nach einem gerichtlichen Mahnbescheid sogar gegen die Mandanten geklagt.

Wilde Geschichten sind zu hören
Henning Lüdecke zufolge tischen die EBVZ-Mitarbeiter den Betrieben zu Gesprächsbeginn unterschiedliche Geschichten auf. Beispiel Nr. 1: Die Telefonisten legen es wie bei Edith Wand darauf an, dass die Anrufer sie mit anderen Anbietern verwechseln. Beispiel Nr. 2: Sie behaupten, der Chef oder der Ehepartner hätte bereits in einem vorausgegangenen Telefonat seine Zustimmung zum Vertrag gegeben und es gehe jetzt nur noch darum, die einzelnen Daten durchzugehen. Beispiel Nr. 3: Sie weisen darauf hin, dass der kostenfreie Probeeintrag abläuft und behaupten, er sei schon x-mal angeklickt worden und stehe ganz oben in den Suchergebnislisten.

Zweifelhafte Telefonmitschnitte sollen als Beweis herhalten
„Die sind sich da nicht zu schade, am Telefon das Blaue vom Himmel herunterzulügen", sagt der Rechtsanwalt. „Ziel des Telefonmittschnitts ist es dann, die Angerufenen in einen Vertrag zu manövrieren, indem sie auf die Fragen mit ja antworten. Das Vorgespräch wird dabei bezeichnenderweise nicht aufgezeichnet." Den Mitschnitt lege der Verlag für elektronische Medien Melle dann im Streitfall als angebliches Beweismittel vor.

Kostspielig und langwierig: Lesen Sie auf Seite 3, was die Telefonate für Folgen haben können.

Tückische Klauseln im Kleingedruckten

Nach Lüdeckes Erkenntnissen bietet der Verlag den Betrieben Verträge mit ein- oder dreijähriger Laufzeit an. Für den Einjahresvertrag stelle er in der Regel 299 Euro in Rechnung – nach Abzug eines ausführlich angepriesenen Preisnachlasses. „Die einjährige Laufzeit wird zumeist in einem Nebensatz im Telefonmitschnitt erwähnt. In den rückseitig auf den Rechnungen abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich dennoch stets die Klausel, dass der Business-Vertrag eine Gesamtlaufzeit von 24 plus 12 Monaten hat. Prinzipiell kann sich somit niemand sicher sein, nicht auch im zweiten und dritten Jahr Rechnungen zu erhalten. Tatsächlich hatten wir bereits einige Anrufer, die genau diese Situation beschrieben haben.“

"Die haben mich am Telefon vollkommen überfahren"
Bei den meisten seiner Mandanten hätten die Verlagsmitarbeiter den vermeintlichen Vertragsabschluss schon im ersten Gespräch herbeigeführt, erklärt Lüdecke. Für das Lesen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen blieb dabei keine Zeit. „Die haben mich am Telefon vollkommen überfahren", sagt dazu Edith Wand. Nachdem sie Henning Lüdecke eingeschaltet hatte, hörte das Mahntreiben schließlich auf.

Ohne die Hilfe eines Anwaltes ist es Lüdecke zufolge schwer, sich erfolgreich gegen solche Geschäftspraktiken zu wehren. „Am vorteilhaftesten wäre es zu sagen, ich mache am Telefon keine Geschäfte", fügt er hinzu. „Es sei denn, dass ich jemanden persönlich kenne."


Hier geht es ebenfalls um zweifelhafte Geschäftspraktiken:

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