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Diesel-Drama: Keine Entwarnung bei Fahrverboten

Städte mit schlechter Luft müssen etwas gegen zu hohe Dieselabgase tun – das gilt auch nach dem Diesel-Gipfel in Berlin. Mit Fahrverboten in Großstädten ist nach wie vor zu rechnen.

Auf einen Blick:

  • In etlichen Großstädten liegt die Stickoxid-Belastung über den Grenzwerten. Es drohen Fahrverbote, denn auf die Städte rollt eine Klagewelle zu.
  • Der Diesel-Gipfel hat keine Rettung gebracht. Die deutschen Autokonzerne haben sich zu einem Software-Update für Pkw verpflichtet, nicht aber zur technischen Aufrüstung der "Motor-Hardware".
  • Wenn es zu Fahrverboten kommt, haben die Betriebe drei Optionen: aufrüsten, Ausnahmegenehmigungen einholen oder massiv in den Technologiewechsel investieren.

Klaus-Gernot Richert möchte sein Material nicht mit dem Bollerwagen durch Hannover ziehen wie sein Großvater nach dem Krieg. „Wir arbeiten überwiegend im Stadtgebiet“, sagt der Chef der Firma Schwiegershausen Bau in Hannover. „Bei einem Fahrverbot wären wir aufgeschmissen.“ Richerts Firmenflotte umfasst sechs Dieselfahrzeuge, eingruppiert in die Schadstoffklassen 4 bis 6. Im Jahr 2002 führte Hannover eine Umweltzone ein, um die Feinstaubbelastung zu verringern. Seither hat der Unternehmer beständig in abgasärmere Fahrzeuge investiert und konnte so ein Fahrverbot umgehen. Doch nun droht weiteres Ungemach.

Nach der grünen nun die blaue Plakette?

Diesmal liegt es an der zu hohen Belastung durch Stickoxide (NOx): Weil der zugelassene NOx-Grenzwert in einigen deutschen Großstädten regelmäßig überschritten wird, hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Zu den betroffenen Städten gehörten 2016 unter anderem Stuttgart, Berlin, Düsseldorf und Hannover.

Auch die Bundesumwelthilfe verfolgt das Ziel „runter mit den NOx-Werten“. Sie hat deshalb 16 Städte verklagt, denn die sind die eigentlich Geforderten: In ihren Luftqualitätsplänen können sie festlegen, ob sie in ihren Ballungszentren zum Beispiel Fahrverbote und Tempolimits einführen. Viele Kommunen haben bislang darauf gewartet, dass das Bundesumweltministerium dafür einen Rahmen vorgibt. Die vom Ministerium angekündigte Verordnung lässt jedoch auf sich warten – und mit ihr auch die Einführung einer blauen Plakette für Dieselautos, die der Abgasnorm Euro 6 entsprechen oder unter dem festgelegten NOx-Grenzwert liegen. Für alle anderen würde dann in ausgewiesenen Zonen ein Fahrverbot gelten.

Softe Zugeständnisse der Autohersteller

Unter Zugzwang sind neben Politik und Kommunen auch die Autokonzerne, weil sie die Abgaswerte ihrer Diesel-Fahrzeuge manipuliert haben. Beim „Nationalen Forum Diesel“ in Berlin haben sie sich zwar zu Software-Updates, nicht aber zu technischen Nachrüstungen verpflichtet, die wesentlich teurer gewesen wären. Insgesamt 5,3 Millionen Diesel-Pkw der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 wollen die Konzerne auf ihre Kosten mit einem Software-Update ausstatten. Ziel sei es, damit den durchschnittlichen Stickoxidausstoß der aufgerüsteten Fahrzeuge um 25 bis 30 Prozent zu senken. Das geht aus einer Mitteilung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) hervor. Ob das reichen wird, um Fahrverbote zu umgehen, ist allerdings fraglich.

Klagewelle macht Fahrverbote wahrscheinlicher

Ob und in welchem Umfang es Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben wird, hängt auch von den Entscheidungen der Gerichte ab. Aufgrund einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat das Verwaltungsgericht Stuttgart vom Land Baden-Württemberg wirksame Maßnahmen gefordert, um die NOx-Emmissionen in der Landeshauptstadt schnell unter den Grenzwert zu bringen. Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6/I und Benziner unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 seien die effektivste, schnellstmögliche und „derzeit einzige“ Maßnahme zur Einhaltung der Grenzwerte, begründete das Gericht seine Entscheidung.

Eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen die Stadt Düsseldorf hat es indessen bereits bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geschafft. Von dort wird nun ein Grundsatzurteil erwartet, während der Verband die 15 Klagen gegen andere Städte weiterlaufen lässt, um Fahrverbote durchzusetzen.

Und wenn es zu Fahrverboten kommt? Unternehmen können darauf reagieren, indem sie Ausnahmegenehmigungen einholen, ihre Fahrzeuge umrüsten lassen oder auf andere, abgasärmere Fahrzeuge umsteigen.

Option 1: Ausnahmegenehmigungen beantragen

„Wenn eine Kommune Fahrverbote für schmutzige Diesel verhängt, würde sie für den Wirtschaftsverkehr sicher Ausnahmeregeln erlassen, so wie es bei den Umweltzonen gute Praxis ist“, sagt der Pressesprecher des Bundesumweltministeriums Stephan Gabriel Haufe auf Anfrage von handwerk.com.

Wie diese Ausnahmeregelungen genau aussehen und wie sie zu beantragen sind, hängt von der jeweiligen Stadt ab. Ausnahmen für bestimmte Nutzergruppen seien „angedacht“, heißt es zum Beispiel bei der Stadt Hannover. Der neue Luftqualitätsplan sei in Arbeit und solle voraussichtlich im Herbst vorgestellt werden. Mehr ist dort noch nicht zu erfahren.

Option 2: Diesel-Fahrzeuge umrüsten

Bei Fahrzeugen mit Euro-Norm 5 oder 6 tragen die deutschen Autohersteller die Kosten der Nachrüstung in Form eines Software-Updates. Ausländische Hersteller wie Fiat oder Renault haben da allerdings noch keine Zusagen gemacht.

Bei älteren Fahrzeugen mit Euro-Norm 3 oder 4 sieht es hingegen schlecht aus: „Grundsätzlich können Sie jedes dieser Fahrzeuge nachrüsten, aber Sie werden kaum einen Hersteller finden, der dafür ein System entwickelt hat“, sagt Neofitos Arathymos, Geschäftsführer der Abteilung Technik, Sicherheit, Umwelt im Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Spontan fällt ihm nur ein System für den VW-Passat ein.

Der NOx-Ausstoß lässt sich ihm zufolge durch eine Umrüstung um 85 bis 95 Prozent reduzieren, die Kosten schätzt er auf etwa 3000 Euro. Dann hält das Fahrzeug die NOx-Grenzwerte ein, erfüllt aber noch nicht die Vorgaben der Euro-6-Norm. Die Kosten, um ein Euro-3-Fahrzeug auf Euro-6 zu bringen, seien „immens hoch“ und eine Umrüstung daher nicht wirtschaftlich.

Option 3: Auf andere Motorarten umsteigen

Wer ältere Fahrzeuge in der Flotte hat, kann für den Umstieg auf andere Motorarten eventuell mit Prämien rechnen. Die deutschen Autokonzerne haben auf dem Diesel-Gipfel Umstiegsprämien für einen Wechsel von älteren Diesel-Generationen zu umweltfreundlicheren Modellen wie E-Autos oder neueren Diesel-Fahrzeugen angekündigt.

Drohende Folgen für die Betriebe

„Die Fuhrparks der meisten Betriebe bestehen mangels Alternativen vor allem aus Dieselfahrzeugen“, erklärt der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer. „Das Handwerk hat Fahrzeuge im Vertrauen darauf gekauft, dass diese umweltgerecht sind.“ Nun bleibt abzuwarten, wie stark Politik und Gerichte diese Interessen im Vergleich zu den Gesundheitsinteressen der Stadtbewohner gewichten.

„Ich habe die Befürchtung, dass wir als Betriebe durch die Umweltzonen schon wieder dazu gezwungen werden, zu investieren“, sagt der Unternehmer und Innungsobermeister Klaus-Gernot Richert. „Und dass bei den Ausnahmegenehmigungen eine neue Bürokratiewelle auf uns zurollt.“ Mit einer fairen Wirtschaftspolitik hat das aus seiner Sicht nichts zu tun: „Es ist für mich nicht ersichtlich, warum nur eine einzige Schadstoffart herausgegriffen wird und nur die Betriebe in den Städten betroffen sind, obwohl die auf dem Land mit ihren Fahrzeugen die gleichen Emissionen verursachen.“

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