handwerk.com portraitiert Unternehmer, die in aller Offenheit über Ihren Überlebenskampf sprechen. Teil 1: der Tischlermeister Sven Wieczorke.
Sven Wieczorke hängt an seinem Betrieb. "Ich bin nicht bereit aufzugeben",
sagt der 43-Jährige. Erst recht will er seine Familie nicht verlieren. Warum
beides bedroht ist? "Weil ein ständiger Druck auf mir lastet. Ich zahle seit
Jahren Schulden ab. Aber die Last lässt nicht spürbar nach." Was er
verdient, sagt Wieczorke, gehe zum größten Teil an die Gläubiger.
Normalerweise würde seine Tischlerei in Hannover genug abwerfen. "Dann
könnte ich meine Familie ernähren." Aber was heißt schon normalerweise.
Eines gibt Wieczorke zu: Mehr als einmal im Leben ist er "blauäugig"
gewesen. "Hinterher ist man schlauer", hakt er heute seine Anfängerfehler
ab. Selbstständig hat sich gleich nach der Lehre gemacht als Restaurator.
Sein erster
Betrieb läuft zwar "nicht übermäßig", aber der junge Unternehmer ist
zufrieden. Er macht seinen Meister und kann das tun, was ihm am meisten Spaß macht Restauration, Einzelanfertigung, Innenausbau.
Warnsignal ohne Wirkung
Sechs Jahre währt das kleine Glück. Dann
wechselt er vorübergehend in den Dachausbau. Und wieder ist er
"einigermaßen erfolgreich." Bis zu jenem Schicksalsschlag: Motorrad-Unfall,
Schädel-Hirntrauma, Krankenhaus, Reha-Klinik.
Eineinhalb Jahre später stürzt sich Wieczorke zurück in die Normalität. Zu
früh. Aber das merkt er erst, als es schon zu spät ist. Immer wieder streikt
sein Körper. "Ich hatte eine schöne Biedermeierplatte mit Pyramiden-Mahagoni
zu bearbeiten und konnte mich einfach nicht konzentrieren," erinnert er
sich.
Die Warnsignale bleiben nicht ohne Wirkung. Er sucht Hilfe bei einem
Therapeuten, gibt den Betrieb auf. Obwohl die Schulden wachsen, realisiert
er nicht, wo er steht noch nicht.
Im Gegenteil. Mit einem Teil seines Schmerzensgeldes mietet er eine neue
Werkstatt und kauft Maschinen. Nach einer Weile leistet er sich sogar
Personal. Bis zu drei Gesellen und zwei Azubis stehen bei ihm zeitweise in
Lohn und Brot. "Ich habe den dicken Max markiert", bekennt er.
Seit vier Jahren auf Sanierungskurs
Mehr und mehr
verliert Wieczorke die Kontrolle: über die Mitarbeiter, die Aufträge, die
Finanzen. Doch er macht weiter wie bisher. Und neue Schulden bei
Lieferanten. Schließlich rät ihm der Steuerberater zur Insolvenz. Er
erkennt: Seine Existenz als Unternehmer steht endgültig auf dem Spiel.
Wieczorke kämpft. "Seit vier Jahren bin ich auf Sanierungskurs", sagt er. Um
seinen Ein-Mann-Betrieb über Wasser zu halten, übernimmt er jeden Auftrag,
der einigermaßen in Frage kommt. "Hauptsache, man hat was getan, und der
Monat ist gerettet."
Durchschnittlich liegt seine Auslastung zwischen 50 und
80 Prozent. Weil die Zinsbelastung seine Arbeit gleichsam zunichte macht,
setzt er nun alles daran, umschulden zu können. "Wenn ich einen Kredit
bekomme, sind meine Chancen gut." Wenn nicht? Achselzucken. "Mein Weg ist
die Selbstständigkeit."