Auf einen Blick:
- Mit der roten Mappe hat Hegewald Holzdesign einst ein gutes Instrument für strukturierte Prozesse geschaffen.
- Doch die rote Mappe hat manche Schwäche, die die Digitalisierung lösen könnte.
- Um doppelte Arbeit, Informationsverluste und unnötige Laufwege zu ersparen, heißt das Ziel bei Hegewald Holzdesign nun: „Rote Mappe goes digital“.
Sie hilft bei jedem Auftrag, den Überblick zu behalten. Dank ihrer Signalfarbe ist sie schnell zur Hand, auch wenn es auf einer Baustelle mal unübersichtlich wird: Die rote Mappe hat der Tischlerei Hegewald Holzdesign jahrelang gute Dienste erwiesen. „Wir haben feste Strukturen und die funktionieren auch alle ganz gut“, berichtet Geschäftsführer Marc Hegewald, „aber ich will mal wieder einen großen Schritt nach vorn machen.“
Heißt für die rote Mappe: Ihre Tage als Papp-Akte mit gedruckten Plänen und Anweisungen, handschriftlichen Notizen und Klebezetteln sind gezählt. Das hat das Team von Hegewald Holzdesign im Sommer 2018 auf der Digitalisierungswerkstatt beschlossen. Insgesamt fünf Tischlereien entwickeln dort unter Federführung der Handwerkskammer Hannover und des Verbandes des Tischlerhandwerks Niedersachsen/Bremen ihre ganz persönliche Digitalisierungsstrategie.
Projektidee: die rote Mappe wird digital
Im 16-Mitarbeiter-Betrieb von Hegewald Holzdesign beschäftigt sich ein Kernteam aus vier Personen um die Digitalisierungsstrategie. Das sind neben Geschäftsführer Marc Hegewald Mitinhaber Frank Hegewald, Holzingenieur Stephan Heim und Werkstattleiter Thomas Busch. Sie haben ihr Entwicklungsziel auf einen prägnanten Satz gebracht: „Rote Mappe goes digital“. Was die Mappe an Strukturen und Prozessen abbildet, ist sinnvoll und soll beibehalten bleiben. Durch ihre Digitalisierung sollen zugleich alle Reibereien verschwinden, die eine physische Akte mit sich bringt: Zettelwirtschaft, Informationsverluste, unnötige Laufwege.
Um bei der Digitalisierung der roten Mappe keinen Prozessschritt zu übersehen, hat das Team von Hegewald Holzdesign sämtliche Arbeitsschritte, die mit der roten Mappe zusammenhängen aufgeführt und in einem Schaubild dargestellt. „Das hängt bei uns auch in der Werkstatt und Frühstücksraum, damit das Thema in den Köpfen aller Mitarbeiter bleibt“, berichtet Tischlermeister Thomas Busch. Ihm ist die Digitalisierung der roten Mappe auch ein persönliches Anliegen: „Ich bin Tischler mit Leib und Seele und freue mich über jede Schreibtischminute, die wir sparen können.“
So funktioniert die rote Mappe
Und in der roten Mappe steckt einiges an Schreibtischarbeit. Im Büro wird sie für jeden einzelnen Auftrag als Projektakte neu angelegt. Danach wandert sie in die Werkstatt, wo sie ihre Stempelkarte erhält und an den bearbeitenden Mitarbeiter übergeben wird. Während der Auftrag die einzelnen Stationen durchläuft, wird durch Scannen der Stempelkarte und des jeweiligen Prozess-Barcodes die Bearbeitungszeit jedes Arbeitsschrittes erfasst. Auftragsbeschreibung, Materialaufstellung und Montagezettel lassen die Mappe anwachsen. Sie wandert mit zur Kundenbaustelle und von dort zurück in die Werkstatt und ins Büro zur Unterschrift und Rechnungsstellung.
Klingt nach einem reibungslosen System. Wo genau entsteht da unnötige Mehrarbeit? „Ein einziges Telefonat kann bereits alles durcheinanderbringen“, sagt Holzingenieur Stephan Heim. Hat der Kunde einen Änderungswunsch oder verzögert sich zum Beispiel eine Materiallieferung, muss diese Info in die rote Mappe. Liegt die aber längst bei einem Teamkollegen, muss der erst gefunden werden. „Dann suchen wir die Mappe, heften Informationen um oder fügen Hinweise ein“, sagt Heim.
Software soll ineinandergreifen
„Und das war erst der Papieranteil des Mehraufwands“, fügt Geschäftsführer Marc Hegewald hinzu. „Ich habe über zehn Software-Programme, die der roten Mappe zuarbeiten. Die sollen miteinander sprechen können, damit wir endlich keine Informationen mehr händisch übertragen müssen.“ Denn reden die Programme miteinander, gelangen Informationen automatisch dorthin, wo sie benötigt werden. So könnte jeder Verantwortliche jederzeit Informationen zu einem Auftrag aktualisieren und die ausführenden Mitarbeiter sehen die neuen Hinweise in Echtzeit. „Dafür werden Tablets die Mappe ersetzen“, sagt Marc Hegewald.
Hegewald Holzdesign hat bereits einige Arbeit in das Digitalisierungsziel investiert. Die Prozesse wurden dokumentiert und die Anforderungen an die nötige Branchensoftware definiert. Zur finanziellen Unterstützung hat der Betrieb einen Antrag auf Niedrigschwellige Innovationsförderung bei der N-Bank eingereicht. „Wir hätten nicht gedacht, dass es so viel Aufwand ist“, erzählt Mitinhaber Frank Hegewald. „Durch die Struktur der Digitalisierungswerkstatt hat unser Ziel aber einen festen Platz im Betrieb und es lässt sich nicht so leicht vom Tagesgeschäft verdrängen.“
Alte Strukturen aufbrechen
Jetzt wartet das Team auf die Vorschläge der Experten, die sie als Partner durch die Digitalisierungswerkstatt begleiten. „Wir sind froh, dass wir im Projekt auf deren externes Know-how vertrauen dürfen“, sagt Marc Hegewald. Bis Sommer hofften die Beteiligten, verschiedene Lösungen im Unternehmen testen zu können.
Auch wenn Geschäftsführer Marc Hegewald mit dem Projekt am liebsten viel schneller vorankommen würde, so habe sich das gemeinsame Engagement schon jetzt gelohnt. Allein der Austausch mit anderen Tischlereien in der Digitalisierungswerkstatt sei wertvoll. „Das hilft ungemein, die eigenen Stärken und Schwächen besser einschätzen zu können“, sagt der Geschäftsführer. Bis Ende 2019 hofft das Team, sein Digitalisierungsprojekt abgeschlossen zu haben. Dann ist der Grundstein für die weitere Digitalisierung des Unternehmens gelegt. Nächster Schritt: die zwei Zeichenprogramme durch ein leistungsfähigeres ersetzen. Das soll Visualisierungen für die Kunden, maschinenlesbare Daten für die Werkstatt und Stücklistenexporte für das Bestellwesen liefern. „Wir wollen jetzt mehr der gewachsenen Strukturen aufbrechen“, sagt Geschäftsführer Marc Hegewald. Und im Team merkt man: Hier hat jeder Lust, ein paar große Schritte nach vorn zu machen.
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