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Baufinanzierung

Ein Beben in der Bauwirtschaft

Das Baugewerbe brummt, da kann man so ein Investitionsloch leicht übersehen. Heute fehlen nur ein paar hundert Millionen Euro - bald sollen es Milliarden sein.

„Einige Unternehmen sehen schon Aufträge verlorengehen.“

Karl-Wilhelm Steinmann

Das Beben stammt aus einer Ecke, aus der es niemand erwartet hätte: Seit März geht der Nachschub an privaten Häuslebauern bedenklich zurück. Die Sparkassen in Niedersachsen haben im letzten Quartal 300 Millionen Euro weniger Hypothekendarlehen vergeben – ein Rückgang von zwölf Prozent.

In Ostdeutschland ist der Einbruch noch deutlicher: Hier haben die Sparkassen zwischen April und Juni knapp 16 Prozent weniger Darlehen für den privaten Wohnungsbau vergeben als im Vorjahreszeitraum.

Strengere Prüfung der Kreditwürdigkeit
Was ist passiert? Ende März hat die Bundesregierung die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie verabschiedet. Laut Regierungsangaben soll die Richtlinie die Informationspflichten bei der Immobilien-Kreditvergabe verbessern und Banken zwingen, die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden strenger zu prüfen.

Damit setzt sie eine EU-Richtlinie um. Alles im Interesse des Verbrauchers. Sie sollen davor geschützt werden, sich finanziell zu übernehmen, um ihnen Pfändung und Zwangsvollstreckung zu ersparen.

Kreditvergabe bricht ein
Reicht die Kreditwürdigkeit ohne dieses Netz nicht aus, muss die Bank den Antrag ablehnen. Genau das machen die Kredithäuser – nicht nur bei grenzwertigen Fällen. So schildert die Süddeutsche Zeitung ein Beispiel aus der gehobenen Mittelschicht: IT-Fachmann, 31 Jahre jung, 40.000 Euro Eigenkapital, 60.000 Euro Jahreseinkommen. Von der Bank will er einen 380.000 Euro Hauskredit. Die urteilt: Er ist nicht kreditwürdig.

Was heißt das in der Praxis? Banken sind nun gesetzlich verpflichtet, Wohnimmobiliendarlehen nur dann abzuschließen, wenn „keine erheblichen Zweifel“ daran bestehen, dass der Kunde das Darlehen auch zurückzahlen kann.

Dabei darf der Kreditgeber seine Kreditwürdigkeitsprüfung laut Gesetz „nicht hauptsächlich“ darauf stützen, dass der Wert der Immobilie voraussichtlich zunimmt. Der künftige Immobilienwert gilt also nicht mehr als Sicherheit. Reicht die Kreditwürdigkeit ohne dieses Netz nicht aus, muss die Bank den Kreditantrag ablehnen.

Neu- und Umbau betroffen
Was zum Schutz der Verbraucher gedacht war, habe sich als Bevormundung der Kunden entpuppt, kritisiert die Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN) in einem gemeinsamen Positionspapier mit Niedersachsens Wohnungswirtschaft und Sparkassen sowie dem Genossenschaftsverband Weser-Ems. Sie kritisieren insbesondere, dass der künftige Immobilienwert bei der Kreditvergabe nicht angerechnet werden darf. Zumal die EU-Richtlinie so eine strenge Umsetzung überhaupt nicht gefordert habe.

„Deutschland ist wieder dem Trend zur Verschärfung von EU-Vorgaben gefolgt“, bemängelt der LHN-Vorsitzende Karl-Wilhelm Steinmann. „Unternehmer, die im Einfamilienhausbereich tätig sind, sehen aktuell schon, wie Aufträge verloren gehen“, sagt Steinmann, der selbst ein Bauunternehmen im niedersächsischen Hameln führt. Betroffen sei nicht nur der Neubau. Auch fürchtet der LHN-Vorsitzende einen Schwund bei den Investitionen in Modernisierungen, etwa bei barrierefreien Hausumbauten.

Bis zu 50 Prozent weniger Kredite
Ausgehend von der aktuellen Entwicklung der Sparkassenzahlen drohe laut Steinmann allein im niedersächsischen Sparkassensektor ein Wegfall von mindestens 4000 Projekten zu je 250.000 Euro jährlich. 20 bis 50 Prozent der Kreditanträge müssten die Banken künftig wegen der strengen Reglungen ablehnen, schätzen die Volksbanken und Raiffeisenbanken Weser-Ems.

Doch haben die Banken wirklich so wenig Spielraum für Kredite? Die strengen Regeln werden von einigen Banken schärfer umgesetzt als eigentlich nötig, erklärt der unabhängige Baufinanzberater Lutz Schiefelbein. Einige Kredithäuser würden mit fiktiven Werten rechnen, die strenger seien, als es die Realität erfordere. „Da werden Zinssätze und Tilgung zur Sicherheit höher angesetzt und schon fünf Jahre vor Renteneintritt mit einem geringeren Einkommen gerechnet“, sagt Schiefelbein. Das Resultat sei häufig eine negative Kreditentscheidung.

Banken wollen sich absichern
Der Finanzberater kann das Vorgehen nachvollziehen. „Die Banken wollen unter keinen Umständen für einen zahlungsunfähigen Kunden zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt Schiefelbein. Sie gingen auf Nummer sicher, um kein Angriffsziel für Klagen abzugeben.

Gleichzeitig, räumt der Finanzberater ein, habe die Kreditrichtlinie auch gute Seiten. Durch umfangreichere Dokumentationspflichten sortiere sie unseriöse Berater aus, wovon Kunden profitieren. 20 bis 30 Prozent weniger bewilligte Kreditanträge hält Schiefelbein für realistisch. „Einige Banken lockern ihre sehr scharfen Regeln aber schon wieder ein wenig“, stellt der Finanzberater fest.

Handwerk, Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Niedersachsen wollen sich darauf nicht verlassen. „Wir streben eine Korrektur des Gesetzes an“, sagt LHN-Vorsitzender Steinmann.

(deg)

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