Das Gebäude nimmt Formen an, wächst, entwickelt ein blühendes Innenleben und breitet sich aus – im digitalen Raum. Es ist zunächst nur ein Modell, das von Architekten, Generalunternehmern und Bauhandwerkern mit Informationen gefüttert wird. Wände, Fenster, Türen, Leuchten, Schalter und Steckdosen können darin zum Beispiel eingezeichnet und näher beschrieben sein. Es ist vorweggenommene Wirklichkeit, und die Arbeit damit könnte die Zukunft sein. Die Rede ist von BIM, die Abkürzung steht für Building Information Modeling.
Was ist mit BIM gemeint?
BIM ist eine Methode des Planens, Bauens und Betreibens von Gebäuden mit Hilfe von digitalen Bauwerkinformationsmodellen, auf die alle Beteiligten zugreifen können. Jens Bille vom Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik (HPI) an der Leibniz Universität Hannover kennt sich mit BIM aus. Auf seinem Bildschirm ist das dreidimensionale Modell eines Einfamilienhauses zu sehen. Per Mausklick kann er aktuelle Informationen über die Architektur des Gebäudes, über Materialien, Mengen, Termine und Kosten abrufen. "Die Datenbasis wird zentral abgelegt, das ist einer der ganz großen Vorteile", sagt der Experte.
Erstellt wird ein solches Modell mit Hilfe von dreidimensionalen, bauteilorientierten Softwaresystemen (CAD-Systeme der zweiten Generation). Das Gesamtmodell setzt sich aus verschiedenen Teilmodellen der beteiligten Fachplaner zusammen (z.B. Architektur-BIM, Tragwerk-BIM, Haustechnik-BIM). Mit den "Industry Foundation Classes" (IFC) existiert bereits ein internationaler Standard für den modellbasierten Daten- und Informationsaustausch zwischen den Teilmodellen.
Neben den geometrischen, häufig dreidimensionalen Abbildungen wird das BIM-Modell mit Informationen über die Merkmale einzelner Bauelemente wie Wände, Stützen, Decken oder Treppen angereichert. Wenn Jens Bille zum Beispiel eine Treppe anklickt, bekommt er auch Informationen über Treppentyp, Material, Anzahl der Steigungen, Auftrittsbreite und Stufenhöhe.
Wie Handwerksbetriebe BIM nutzen können, erfahren Sie auf Seite 2.
Wie können Handwerksbetriebe mit BIM arbeiten?
Auf das Modell zugreifen können die Betriebe mit Hilfe von "BIM-Viewern", die sie als Freeware unentgeltlich nutzen können. Für die Erstellung von eigenen gewerkspezifischen Teilmodellen benötigen sie ebenfalls eine Softwarelösung.
Die Zimmerei Sieveke in Lohne baut schon seit vielen Jahren Fachmodelle, aus denen heraus sie ihre CNC-gesteuerten Maschinen mit Informationen versorgt. "Sie enthalten zum Beispiel sehr präzise Angaben über die benötigten Materialmengen, die dann wieder in unsere Kalkulation einfließen", erklärt Sebastian Hollermann, der bei Sieveke als "Technischer Leiter Baubetrieb" tätig ist. Die Arbeit mit dem Modell bringt ihm zufolge eine Veränderung der Prozesse mit sich: "Der Aufwand verlagert sich weiter nach vorn in die Planungsphase. Wir bauen eigentlich jedes Gebäude zweimal: Einmal virtuell in unserem Modell – da machen wir vielleicht noch Fehler, die sich aber mit einigen Klicks wieder beheben lassen. Und dann erst ganz real auf der Baustelle."
Wie verändert sich die Zusammenarbeit mit den Bauprojektpartnern?
Nur zu gern würde Sebastian Hollermann das Teilmodell über geeignete Schnittstellen in ein großes Gesamtmodell einbringen. Für die Kooperation mit anderen Betrieben bedeutet das nämlich: Man muss sich abstimmen. Und man kann die Fehler nicht auf andere schieben, weil alles transparent und durchgeplant ist. "Wenn sämtliche Beteiligten mitziehen, ihre Planung verfeinern und ihr Teilmodell pflegen, so führt das zu einer wesentlich größeren Kosten- und Terminsicherheit", betont der Bauingenieur und gelernte Zimmermann. "Als Betrieb mit einem hohen Vorfertigungsgrad kommt uns das sehr entgegen."
Lesen Sie auf Seite 3, wie Sie sich in BIM einarbeiten können und wo Sie Informationen finden.
Wie weit ist BIM schon etabliert?
Doch in Deutschland ist die Entwicklung längst nicht so weit wie etwa in den USA, Skandinavien oder England. Unter anderem sind hierzulande noch rechtliche Fragen zu klären: Wer haftet für Fehler am Modell? Und wer hat die Urheberrechte? Desweiteren dürfte es Jens Bille zufolge gerade kleineren Betrieben noch an Know-how zum Thema fehlen.
Wie kommen Sie als Handwerker an das nötige Know-how?
Im staatlich geförderten Projekt "eWorkBau" hat das HPI deshalb zusammen mit Partnern ein Schulungskonzept für Handwerksbetriebe entwickelt, die mit der BIM-Methode arbeiten wollen. Ab Herbst 2015 können die Handwerkskammern entsprechende Schulungen anbieten. Sie sind als eine Kombination aus Präsenzveranstaltungen in der Kammer und e-Learning konzipiert und richten sich an Rohbau-, Dachdecker, Elektriker- und Metallbaubetriebe.
Im September 2015 wird das HPI zudem ein Folgeprojekt starten: „Am Beispiel eines Betriebes wollen wir sichtbar machen, was sich durch die BIM-Methode an den Prozessen ändern muss“, sagt Projektkoordinator Bille. Er hat dafür die Zimmerei Sieveke als Projektpartnerin gewonnen. Davon, dass sich die Methode auch in Deutschland etablieren wird, ist er überzeugt: „Sie kann bei öffentlichen Aufträgen verlangt werden. Und sie kann für die Betriebe ein aktiv nutzbarer Wettbewerbsvorteil sein.“
(afu)
Weitere Informationen zum Thema:
- Auf den Internetseiten des Projektes "eWorkBau" finden sich unter "Publikationen" ein Handbuch zum Informationsaustausch und ein Flyer, der das Schulungskonzept für die modellbasierte Arbeitsweise erklärt.
- Einen „BIM-Leitfaden für Deutschland“ hält das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung auf seiner Website zum Download bereit.
- Der Verein buildingSMART konzipiert Standards wie IFC und entwickelt unter anderem Anforderungsprofile für neue Prozesse. Der Verein steht allen am Bau beteiligten Personen, Firmen und Institutionen offen.