
Zimmermeister Benno Tamsen arbeitet seit gut einem Jahr mit einer selbst erstellten Balanced Scorecard. Seine Einschätzung: „Sie ist optimal, um Ziele und Maßnahmen immer im Blick zu haben.“ Einziger Wehrmutstropfen: „Schade, dass ich dieses Tool nicht schon vor 24 Jahren kannte, als ich mich selbstständig gemacht habe.“
Um was geht es? Alles auf einem Blatt Papier!
Der Begriff Balanced Scorecard lässt sich mit „ausgewogener Berichtsbogen“ übersetzen. Aber das trifft es nicht ganz. Die Scorecard fasst alle Ziele, Strategien und Maßnahmen eines Unternehmens sehr komprimiert und übersichtlich zusammen – auf einem Blatt Papier.
„Sonst kommt man nicht aus dem Hamsterrad“
Warum ist das sinnvoll? „Man muss als Unternehmer über den Tag hinausdenken, sonst kommt man nicht aus dem Hamsterrad“, betont Tamsen. Er selbst habe auch schon einige Instrumente ausprobiert, um dafür den Kopf frei zu bekommen. Doch mit der Scorecard klappe das einfach am besten.
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auf einen Blick!

Das gilt vor allem für jene Ziele, die im Alltag oft untergehen.
„Eine Scorecard kann ein Handwerker problemlos an einem Wochenende selbst erstellen, ohne Beratung und fremde Hilfe“, sagt Prof. Joachim Weber von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart. Anschließend genügt es, die Scorecard regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren, zum Beispiel einmal im Quartal - „ein halber Tag Arbeit“, schätzt Weber. Das kann Zimmermeister Benno Tamsen aufgrund seiner Erfahrungen bestätigen.
Manchmal führen Entscheidungen zwar zum gewünschten Erfolg, haben später jedoch unerwartete Folgen an anderer Stelle. Das fällt mit der Scorecard vorher auf; sie verhindert Fehlentscheidungen.
Branche und Unternehmensgröße spielen bei diesem Instrument keine Rolle. Auch einem Einzelkämpfer kann die Scorecard gute Dienste leisten.
Klassisch werden in einer Scorecard alle Ziele in Kennzahlen erfasst. So lässt sich leichter erkennen, ob die Ziele erreicht werden. Doch es geht auch ohne Zahlen: „Wenn man mit einer Scorecard anfängt, sollte man sich nicht in Kennzahlen verbeißen“, rät Joachim Weber. Um voranzukommen, ist es anfangs oft leichter und sinnvoller, die Ziele in Worten auszudrücken und vielleicht mit Schulnoten oder einem einfachen "+/ -" auszudrücken.

„Man sollte einfach anfangen und sich nicht zu viele Sorgen machen“, rät Zimmermeister Benno Tamsen. Tamsen hat bewusst auf die Verwendung von Kennzahlen in seiner Balanced Scorecard verzichtet und seine Ziele in Worten ausgedrückt. Er ist zwar ein echter Zahlen- und Excel-Profi, dennoch findet er diesen Weg besser: „Als Handwerker haben wir nun einmal eine andere Betrachtungsweise, als reine Kaufleute. Für die Zahlen genügt mir die BWA.“
Konkrete Ziele für den Alltag
Also stehen in Tamsens Scorecard ganz konkrete Ziele, wie „Finanzen konsolidieren“ und Maßnahmen, wie „raschere Rechnungsstellung“. Tamsen: „Das sind Dinge, die man sich zwar vornimmt, aber sonst doch immer wieder vor sich her schiebt. Nicht, weil sie unwichtig sind, sondern weil anderes gerade dringender erscheint.“
Ist ein Ziel erreicht, nimmt sich der Handwerker ein neues vor. So verändert sich seine Scorecard ganz automatisch mehrmals im Jahr. Alle sechs bis acht Wochen geht Tamsen gemeinsam mit Sohn, Ehefrau und Meister die Scorecard durch. „Das gibt zwar Diskussionen, aber die sind wichtig, damit wir alle dahinter stehen.“
Schutz vor Fehlentscheidungen
Das Ergebnis: Wichtiges wird in Tamsens Betrieb nicht mehr auf die lange Bank geschoben. Und auch Entscheidungen trifft der Unternehmer jetzt anders. „Bei Investitionen überlege ich mir genau, was sie bringen und was für Auswirkungen sie auf Finanzen, Mitarbeiter und Kunden haben.“ Einige Anschaffungen habe er so schon verschoben. „Die waren gar nicht so wichtig, wie ich gedacht hatte.“
„Dran bleiben – dann geht es auch voran“
Und wenn die Praxis hinter der Scorecard hinterherhängt? „Natürlich kommt es auch mal vor, dass wir ein Ziel nicht so schnell erreichen“, berichtet Tamsen. „Aber daraus lernen wir und passen unsere Ziele an. Wichtig ist, dass man dran bleibt. Dann geht es auch voran.“
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Die Balanced Scorecard hat einen einfachen Aufbau: Sie ordnen jedem Unternehmensbereich Erfolgskenngrößen, Maßnahmen, Termine und Verantwortliche zu. Dabei ist sie flexibel: „Das Schöne an der Scorecard ist, dass sie jeder ganz nach seinen eigenen Bedürfnissen anlegen kann“, betont Prof. Joachim Weber. Für den Anfang sei es allerdings sinnvoll, sich grob an der folgenden Struktur zu orientieren.
1. Unternehmensbereich festlegen:
Die Unternehmensbereiche werden oft auch als Erfolgsdimensionen bezeichnet. Meistens entscheiden sich Unternehmen für vier Bereiche: Finanz- amp; Ertragskraft, Kunden amp; Märkte, Leistung amp; Organisation, Mitarbeiter amp; Lieferanten.
2. Erfolgskenngrößen und Ziele:
Das sind die Punkte, in denen Sie sich verbessern wollen. Sie entscheiden, welche das sind. Hier ein paar Beispiele:
- Finanz- amp; Ertragskraft: bessere Liquidität und Zahlungsmoral der Kunden, Abbau von Schulden, höhere Rentabilität
- Kunden amp; Märkte: größere Kundenzufriedenheit, mehr Neukunden, mehr Aufträge von Stammkunden
- Leistung amp; Organisation: schneller Angebote schreiben, bessere Termintreue
- Mitarbeiter amp; Lieferanten: Mitarbeitermotivation, Zuverlässigkeit der Lieferanten
3. Konkurrenzvergleich:
Eine Orientierung für Ihre eigenen Strategien und Maßnahmen kann der Vergleich mit der Konkurrenz bieten. Dabei können Ihnen zum Beispiel die Beobachtung und direkte Vergleiche helfen (zum Beispiel der Werbung), der Erfahrungsaustausch (zum Beispiel in Erfa-Kreisen) oder der Vergleich von Zahlen (aus Betriebsvergleichen).
4. Maßnahmen planen:
Was können Sie tun, um Ihre Ziele zu erreichen, also Ihre Erfolgskenngrößen zu verbessern und sich gegenüber der Konkurrenz hervorzuheben? Hier sind Ihre Ideen gefragt. Sie können natürlich auch Mitarbeiter, Kunden und Freunde einbeziehen.
5. Verantwortlichkeiten klären:
Damit solche strategischen Maßnahmen im Tagesgeschäft nicht untergehen, sollten Sie festlegen, wer dafür verantwortlich ist und wer den Verantwortlichen dabei unterstützen kann.
6. Termin setzen:
Ziele sind nur sinnvoll, wenn sie irgendwann auch überprüft werden. Legen Sie also Termine für die Umsetzung fest.
All diese Punkte werden schließlich stichwortartig in einer Tabelle auf einem Blatt Papier festgehalten – der Balanced Scorecard.
Weitere Infos zum Thema:
(jw)
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