Trotz Energiekrise:  „Wir müssen den Mut haben, große Entscheidungen zu treffen und Veränderungen zu akzeptieren“, sagt Handwerksmeister Stefan Bohlken.
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Trotz Energiekrise:  „Wir müssen den Mut haben, große Entscheidungen zu treffen und Veränderungen zu akzeptieren“, sagt Handwerksmeister Stefan Bohlken.

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Energiekosten

Energiekrise? „Es ist Zeit für Veränderungen“, sagt dieser Kollege

Alle reden von der Krise: Auch in seinem Gewerk wird der Wettbewerb härter, berichtet Stefan Bohlken. Dennoch ist er zuversichtlich – und hat dafür Gründe.

Auf einen Blick:

  • Im Gewerk von Stefan Bohlken geht es beim Thema „Energiekosten“ vor allem um das Material: Die Herstellung und der Transport von Fliesen kosten viel Energie, die Preise ziehen kräftig an. Noch zahlen die Kunden die Mehrkosten, doch der Wettbewerb werde härter werden.
  • Doch Bohlken sieht in der Krise auch eine Chance auf Veränderung – nicht für die Unternehmer im Handwerk, sondern auch für die Gesellschaft: Es sei an der Zeit, die großen Aufgaben anzupacken.

Stefan Bohlken ist Fliesenlegermeister in OIdenburg. Als Landesfachgruppenleiter kennt er die Sorgen seiner Kollegen. Dennoch warnt er vor zu viel Pessimismus.

Für Fliesenleger wird der Wettbewerb „noch härter“

Herr Bohlken, wie stark belasten Energiekrise und Inflation Ihre Betriebe?

Bohlken: Die direkte Belastung durch die steigenden Energiepreise ist bei den Fliesenlegern und Natursteinbetrieben sehr unterschiedlich. Die meisten Unternehmen erbringen ihre Leistungen auf Baustellen und haben direkt keinen hohen Verbrauch. Aber es gibt auch Kollegen mit Ausstellungsflächen, großen Maschinen oder Hallen. Ich schätze, das sind rund 20-30 Prozent und da spielen die Heiz- und Stromkosten natürlich eine wichtige Rolle.

Was alle betrifft, sind die gestiegenen Materialpreise. Fliesen und Verlegematerial haben meist weite Transportwege und bei den Fliesen machen die Energiekosten ein Drittel der Herstellungskosten aus. Aktuell spricht man von circa 10 Euro mehr Energiekosten bei der Produktion eines Quadratmeter Fliesen.

Geben Sie die Preissteigerungen an die Kunden weiter?

Bohlken: Noch können wir diese Preissteigerungen weitergeben. Für einen Teil der Kunden sind solche Investitionen in ihr zu Hause sogar eine Möglichkeit, das Geld vor der Inflation zu retten. Aber niemand weiß, wie lange das noch möglich ist. Werden Kunden demnächst auf andere Belege wie Vinyl oder Laminat ausweichen oder ihre Ausgaben noch stärker einschränken?

Hinzu kommt, dass die Neubauten weniger werden. Einige Kollegen haben bisher viele große Objekte gemacht und haben viele Mitarbeiter. Wenn es in den Neubauten keine Arbeit mehr gibt, dann werden sie sich den Renovierungen und Sanierungen zuwenden. Dann wird der Wettbewerb für alle noch härter.

„Unternehmer haben immer einen Plan B“

Was ist Ihre größte Sorge?

Bohlken: Trotz der Probleme müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu Schwarz sehen. Unsere heutige Medienwelt heizt das Thema noch zusätzlich auf und potenziert das Gefühl für die Situation.

Das ist nicht die erste Krise und es wird auch nicht die letzte sein, die das Handwerk übersteht. Mein Vater hat den Betrieb 1976 gegründet, zwischen zwei Ölkrisen mit hoher Inflation. Mitte der 90er Jahre hatten wir die Baukrise. Die Fliesenleger hatten nach dem Wegfall des Meisterbriefs 2004 große Probleme.

Das Handwerk hat diese Krisen überstanden. Wir sind Unternehmer – und Unternehmer haben immer einen Plan B. Wir tun uns vielleicht gerade schwer mit diesen Veränderungen. Aber wir haben unter Corona bewiesen, dass wir mit Krisen umgehen können.

Krisenmanagement kann aber nicht jeder – und es kann sich auch nicht jeder leisten.

Bohlken: Natürlich müssen wir jetzt aufpassen, dass da nicht immer weiter eine Schere zwischen Krisengewinnern und Krisenverlierern aufgeht. Krisen sind immer schmerzhaft.

Aber Krisen sind auch Chancen: Es ist Zeit für Veränderungen: Warum reden wir nicht ernsthaft über ein Tempolimit oder autofreie Sonntage, um Energie zu sparen? Das würde alle entlasten. Wir müssen die großen Herausforderungen lösungsorientiert anpacken, nicht nur wir Unternehmer, sondern auch die Gesellschaft. Ohne sie schaffen wir das nicht. Was ist zum Beispiel mit dem Bildungswesen, dem Klimaschutz, der Digitalisierung? Vieles muss schneller voran gehen. Wir müssen als Gesellschaft endlich den Mut haben, große Entscheidungen zu treffen und Veränderungen zu akzeptieren.

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