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Handwerk kritisiert Reformpläne

Energiewende im Bruchtest

Ausstatter der Energiewende sollte das Handwerk werden. Viele Betriebe haben investiert. Nun torpediert die Regierung ihre eigenen Ziele. Ist die Energiewende noch zu retten?

Einen Solarpionier der ersten Stunde darf sich der Fachbetrieb Wagner amp; Co. Solartechnik nennen. 1979 baute das Unternehmen seine erste Solaranlage. Vor wenigen Tagen, 35 Jahre nach seiner Gründung, meldete das 150 Mitarbeiter starke Unternehmen Insolvenz an. Wagner Solartechnik verdiente sein Geld hauptsächlich mit Solarstrom- und -wärmeanlagen.

Im Photovoltaikbereich haben die politischen Irrwege der letzten Wochen und Monate bundesweit zu massiven Nachfrageeinbrüchen geführt. „So etwas ist zwar nie die einzige Ursache, aber es hat für große Verunsicherung gesorgt und unsere Absatzplanung durcheinandergebracht“, sagt Andreas Knoch, Geschäftsführer von Wagner Solartechnik.

Was das Unternehmen letztlich in die Knie zwang, droht alle Betriebe zu gefährden, die ihre Dienstleistungen im Bereich der erneuerbaren Energien anbieten: Seit 2012 schraubt die Bundesregierung an der Grünstromförderung; mehrfach hat sie gekürzt, auch außerplanmäßig. Und bis heute ist der Reformprozess nicht abgeschlossen.

Stattdessen wurde die Verunsicherung seit Januar mit dem Reformplan des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) noch verschärft: Künftig sollen Privatkunden und Gewerbetreibende, die ihren selbst erzeugten Solarstrom selbst verbrauchen, eine Netz-Abgabe zahlen. 50 Prozent der sogenannten EEG-Umlage.

Seite 2: Eigenverbrauchsabgabe macht Sinn – wie eine Steuer auf Gartengurken

Eigenverbrauch contra Kaltkaffee-Verordnung

Die EEG-Umlage wird von den meisten Verbrauchern gezahlt. Sie soll die Differenzkosten zwischen den niedrigen Preisen an der Strombörse und den höheren Vergütungspreisen für Strom aus erneuerbaren Energien ausgleichen.

Diese Abgabe will Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel jetzt auf den solaren Eigenverbrauch ausweiten. Wer seinen Solarstrom nur in das Netz speist, zahlt keine Umlage. Wer ihn selbst verbraucht, soll zahlen – rund drei Cent pro Kilowattstunde. Das ist etwa so sinnvoll wie eine Umsatzsteuer auf den Genuss selbstgeernteter Gartengurken.

„Die Umlage auf den Eigenverbrauch ist kontraproduktiv“, kritisiert auch Karl-Heinz Bertram, Vizepräsident des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). „Das darf auf keinen Fall passieren.“

Warum nicht? Anders als die sture Einspeisung der selbst erzeugten Energie ins Stromnetz trägt der Eigenverbrauch wirklich zu einer Dezentralisierung des Energiesystems bei. Die Menschen werden dadurch selbst zur Lösung ihres Energiehungers, den die EU zurzeit mit Kaltkaffee-Verordnung und Staubsaugertempolimit zu bändigen versucht.

„Der solare Eigenverbrauch macht vor allem mit den neuen Speichersystemen in Betrieben und Eigenheimen viel Sinn“, sagt ZVEH-Vizepräsident Bertram. Er selbst deckt einen großen Teil des Energiebedarfs seines Elektrotechnik-Unternehmens mit einer 60 Kilowatt starken PV-Anlage.

Wirtschaftlich rechnet sich dieser Eigenverbrauch bislang, weil man die Kilowattstunde selbst erzeugten Stroms nicht teuer für über 25 Cent beim Energieversorger einkaufen muss. Die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch gefährdet diese Wirtschaftlichkeit.

Drei Viertel weniger?! Wie es um den Markt steht, lesen Sie auf Seite 3.

Schonen und Schröpfen

„Wie es jetzt aussieht, versucht man die Förderung der Eigenstromversorgung abzuwürgen“, sagt Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). Was Wenzel kritisiert: Viele energieintensive Industrieunternehmen, die sich um Energieeffizienz und Erneuerbare keine Gedanken machen müssen, werden nur zu 15 Prozent an der EEG-Umlage beteiligt.

Sie werden geschützt, während der Photovoltaikmarkt laut Bundesnetzagentur sich zwischen 2012 und 2013 mehr als halbiert hat. Und im ersten Quartal 2014 brach der Markt erneut um knapp die Hälfte gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. „Eine zentrale Maßnahme für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“ soll das neue EEG laut eigenem Reformpapier sein. Offen bleibt, wie es dieses Selbstverständnis mit ihrer eigenwilligen Verteilung von Schonen und Schröpfen erfüllen soll.

Hat das Handwerk am Ende umsonst in die Energiewende investiert? Das fürchtet Uwe Heinz, Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft Holzminden: „Die Energiewende hat zusätzliche Aufgabenfelder zu den Handwerksbetrieben gebracht. Die Handwerker machen sich nun um die Verlässlichkeit und Preiswürdigkeit große Sorgen.“ Dabei wäre die Energiewende ganz einfach zu retten. Etwa so: „Die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch muss weg“, sagt Wagner-Chef Andreas Knoch.

Heute, am 8. Mai 2014, startet im Bundestag die heiße Phase zur Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes mit der ersten Lesung zum Reform-Entwurf. Ende Juni soll der Bundestag seine Entscheidung treffen, dann ist der Bundesrat an der Reihe.

(deg)

Genug vom EEG-Wahnsinn? Wo sich die Energiewende noch lohnt, lesen Sie hier:

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