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Foto: handwerk.com

Presseanfrage an das BMJ

EU-Zahlungsziel: Stellungnahme des Bundesjustizministeriums

Die Angst vor der Verschlimmbesserung geht um: Das Bundesministerium der Justiz habe eine gesetzliche Vorlage für das Verschleppen von Zahlungen kreiert, sagen Kritiker. Gegenüber handwerk.com verteidigt ein Ministeriumssprecher die Pläne.

Die handwerk.com-Presseanfrage an das BMJ: „Das Bundesministerium kreiert gewissermaßen eine gesetzliche Vorlage für das Verschleppen von Zahlungen, sagen Kritiker. Die EU wollte die Stellung der Gläubiger verbessern, de facto wird sie verschlechtert. Denn Auftraggeber könnten vereinbaren, dass die Zahlungsfrist für die Erfüllung der Werklohnforderung 60 Kalendertage nach Zugang der Schlussrechnung beträgt. Absatz 3 des BGB-Paragrafen 271 a schreibt eine Abnahmefrist von 30 Kalendertagen vor. Koppelt man beide Fristen, würde das für den Auftragnehmer bedeuten, dass seine Werkleistung erst bis zu 90 Kalendertage nach Fertigstellung und Abnahme vergütet wird. Warum will das BMJ das so umsetzen?“

Nächste Seite: Die vollständige Antwort des BMJ.

Die komplette BMJ-Stellungnahme

BMJ-Pressesprecher Hendrik Wieduwilt schreibt: "Die Bundesregierung hat am 9. Mai 2012 den Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen (BR-Drs. 306/2012). Der Entwurf dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in nationales Recht. Die Umsetzungsfrist endet am 16. März 2013.

Der Gesetzentwurf zielt ausdrücklich auf einen besseren Schutz der Zahlungsgläubiger ab, von dem auch die Auftragnehmer im Handwerk profitieren sollen. So sieht der Gesetzentwurf unter anderem in § 271a BGB-E eine neue Regelung über die Begrenzung der Vertragsfreiheit bei Vereinbarung von Zahlungs-, Abnahme- und Überprüfungsfristen vor. Mit dieser Regelung werden Artikel 3 Absatz 4 und 5 sowie Artikel 4 Absatz 3, 5 und 6 der Richtlinie 2011/7/EU umgesetzt.

Nach geltendem Recht können die Vertragsparteien Zahlungs-, Abnahme- und Überprüfungsfristen frei vereinbaren. Eine Abweichung vom Grundsatz des § 271 Absatz 1 BGB, dass Leistungen sofort zu bewirken sind, wird also bislang gesetzlich nicht besonders begrenzt. Auch im Werkvertragsrecht können die Vertragsparteien bislang ohne besondere Vorgaben von dem Grundsatz des § 641 Absatz 1 BGB abweichen, dass die Vergütung bei der Abnahme des Werks zu entrichten ist.

Für einen Handwerker als Auftragnehmer hat dies zur Konsequenz, dass er nach geltendem Recht grundsätzlich an Vereinbarungen über Zahlungsfristen gebunden ist. Je länger diese Fristen sind, desto länger muss er auf seine Vergütung warten. Nur das allgemeine Gebot der Wahrung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie der in § 307 BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verankerte Grundsatz, dass Vertragspartner des Verwenders von AGB nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden dürfen (§ 307 BGB), ziehen hier bislang Grenzen.

Der Gesetzentwurf grenzt nun die Freiheit der Parteien ein, Vereinbarungen über Zahlungs-, Überprüfungs- und Abnahmefristen zu treffen. Dies geschieht in der Weise, dass er für vereinbarte Fristen Höchstgrenzen vorgibt, die nur unter bestimmten Voraussetzungen überschritten werden dürfen. Werden die Grenzen überschritten, so ist die Vereinbarung unwirksam und die Leistung gemäß § 271 Absatz 1 BGB sofort bzw. bei einem Werkvertrag bei der Abnahme zu bewirken. Die gesetzlich vorgegebenen Grenzen entsprechen denen der Richtlinie 2011/7/EU: So darf nach § 271a Absatz 1 BGB-E eine zwischen Unternehmen vertraglich festgelegte Zahlungsfrist nur dann mehr als 60 Tage betragen, wenn sie ausdrücklich vereinbart wird. "

Geschäfte mit öffentlichen Auftraggebern: Teil 2 der BMJ-Stellungnahme – lesen Sie die nächste Seite

BMJ-Stellungnahme, Teil 2

Teil 2 der BMJ-Stellungnahme: "Bei Geschäften mit öffentlichen Auftraggebern darf nach § 271a Absatz 2 BGB-E die vereinbarte Zahlungsfrist für den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich maximal 30 Tage betragen. Die Vereinbarung einer längeren Zahlungsfrist mit einem öffentlichen Auftraggeber muss ausdrücklich erfolgen und bedarf einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Die Vereinbarung einer Zahlungsfrist von mehr als 60 Tagen ist jedoch unwirksam. Ist einer Entgeltforderung ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren vorgeschaltet, so bestimmt § 271a Absatz 3 BGB-E, dass Verfahren, die mehr als 30 Tage dauern, nur wirksam vereinbart werden können, wenn dies ausdrücklich erfolgt. Für den Handwerker als Auftragnehmer haben diese Begrenzungen den Vorteil, dass öffentliche wie private Auftraggeber nicht mehr bedingungslos „ihre“ Zahlungs-, Überprüfungs- und Abnahmefristen zu Lasten des Auftragnehmers vorgeben können.

Sehen Auftraggeber künftig in ihren AGB Fristen vor, die mit den in § 271a BGB-E genannten Fristen übereinstimmen, so schließt dies nicht aus, dass diese AGB gleichwohl im Streitfall für unwirksam angesehen werden. Denn die Frage, ob die Bestimmung von Zahlungsfristen aus anderen als den in § 271a BGB genannten Gründen unwirksam ist, bleibt von dem Gesetzentwurf unberührt. Auch weiterhin können also die Gerichte die AGB einer Inhaltskontrolle unterziehen.

Dadurch, dass der Gesetzentwurf in § 271a Absatz 2 BGB den öffentlichen Auftraggebern zwingende Vorgaben macht, ist zu erwarten, dass sie für erbrachte Leistungen künftig schneller bezahlen werden. Der Hauptausschuss Allgemeines des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA) hat darauf bereits reagiert. Sobald die Beschlüsse des DVA über eine Verkürzung der Zahlungs- und Verzugsfristen in § 16 Absatz 3 und 5 VOB/B verbindlich werden, dürfte dies eine durchgreifende Stärkung der Position der Auftragnehmer gegenüber den öffentlichen Auftraggebern bedeuten.

Insgesamt steht der Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in völliger Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie ("1:1-Umsetzung"). Die Befürchtungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, die in der Anfrage in Bezug genommen wurden, treffen also insgesamt nicht zu.“

Das allerdings wird im Zentralverband des Deutschen Handwerks anders gesehen. Die BMJ-Antwort stelle das Problem „nicht vollständig dar“, sagt ZDH-Justiziar Klaus Schmitz. Lesen Sie Sie die nächste Seite.

Der Kommentar des ZDH

Das allerdings wird im Zentralverband des Deutschen Handwerks anders gesehen. Die BMJ-Antwort stelle das Problem „nicht vollständig dar“, sagt ZDH-Justiziar Klaus Schmitz. Hier seine Entgegnung: „Natürlich begrenzt der neue § 271a BGB die Fristen nach oben. Damit ändert sich aber das – auch und gerade für die AGB-Kontrolle maßgebliche – gesetzliche Leitbild. Es geht ja nicht nur um einen begrenzenden Richtwert für öffentliche Auftraggeber. De facto werden die Fristen ausgedehnt, weil der Gesetzgeber sagt: 'Zahlung unverzüglich  wenn Ihr aber 60 Tage vereinbart, ist das auch in Ordnung'." Es gibt Marktteilnehmer, denen man so etwas nicht zweimal sagen muss.

Unsere Befürchtung ist, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die unseren Betrieben von den Herstellern und Lieferanten präsentiert werden, diese verlängerten Fristen von vorneherein zur Regel werden. Der Hinweis auf die VOB des Ministeriums trägt insoweit nicht, als dieses Regelwerk durch § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB privilegiert und vor Inhaltskontrolle geschützt wird. Dies gilt aber nur dann, wenn die VOB ohne Änderungen durch die Vertragsparteien vereinbart wird. Ist dies nicht der Fall, unterliegt auch die VOB der uneingeschränkten Inhaltskontrolle, was im Hinblick etwa auf die Verjährungsfristen (bei Verbrauchern) dazu geführt hat, dass die Gerichte eine deutliche Abweichung vom gesetzlichen Leitbild festgestellt haben. Wenn sich aber eine Zahlungsfristverlängerung im Rahmen des § 271a BGB hält, wird die Inhaltskontrolle ins Leere laufen.

Wir haben es somit um eine nachhaltige und – für unsere Betriebe – nachteilige Veränderung des Rechtsrahmens zu tun. Aus unserer Sicht wäre dies nicht notwendig, da die Zahlungsverzugsrichtlinie nicht unbedingt 1:1 umzusetzen ist. Das EU-Recht überlässt es schließlich den nationalen Gesetzgebern, auch strengere Anforderungen, als sie durch eine Richtlinie festgelegt werden, in ihre Normierung aufzunehmen oder diese beizubehalten. Das BMJ hätte es an dieser Stelle einfach bei der geltenden Regelung belassen können. Schließlich war es ein erklärtes Anliegen der EU-Kommission, Zahlungsverzögerungen zu bekämpfen.

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(sfk)

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