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eine junge Frau hält einen Wecker vor einer gelben Wand.

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Recht

EuGH-Urteil zur Zeiterfassung: Was sich für Betriebe ändert

Laut einem EuGH-Urteil sollen Arbeitgeber künftig die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter dokumentieren müssen. Was Handwerker dazu jetzt wissen müssen.

Auf einen Blick:

  • Laut einem aktuellen Urteil soll die Aufzeichnung für Arbeitgeber in der EU künftig zur Pflicht werden.
  • Aktuell hat das Urteil noch keine direkten Auswirkungen für Arbeitgeber. Es besteht derzeit also kein Druck, ein System zur Zeiterfassung anzuschaffen.
  • In Deutschland muss die Politik die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) jetzt umsetzen. Wann sich die Rechtslage hierzulande ändern wird, steht noch nicht fest.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen die EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber künftig dazu verpflichten, die geleistete tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu dokumentieren. Landauf, landab sorgt dieses Urteil derzeit für Aufsehen. Viele fürchten nun die Rückkehr der Stechuhr. Das Urteil wirft viele Fragen auf – hier die Antworten.

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Welche unmittelbaren Folgen hat das EuGH-Urteil?

Noch hat das Urteil keine unmittelbaren Auswirkungen. „Das EuGH-Urteil richtet sich an die EU-Mitgliedstaaten“, erläutert Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen. Die müssten nun gesetzliche Vorschriften schaffen, mit denen Arbeitgeber verpflichtet werden, die täglich effektiv geleistete Arbeitszeit zu dokumentieren.

Dafür haben die Luxemburger Richter den Mitgliedstaaten aber auch schon signalisiert, dass sie Spielraum haben. So dürften sie zum Beispiel auf die Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder die Eigenheiten bestimmter Unternehmen – wie zum Beispiel ihre Größe – Rücksicht nehmen.

„Die Bundesregierung ist jetzt in der Pflicht, diese Vorgaben durch Vorlage eines Gesetzesentwurfs umzusetzen“, bestätigt Sören Langner, der als Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei CMS Hasche Sigle in Berlin arbeitet. Wie das genau aussehen werde, sei unklar: „Vermutlich geschieht dies durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes oder einer begleitenden Verordnung“, sagt der Jurist. Handlungsbedarf für Unternehmer sieht er deshalb aktuell nicht. Juristin Höltkemeier weist allerdings darauf hin, dass Handwerkern zum Teil etwas anderes suggeriert werde.

Müssen Arbeitgeber jetzt Zeiterfassungssysteme anschaffen?

„Die ersten Anbieter von elektronischen Zeiterfassungssystemen drängen mit Angeboten auf den Markt“, berichtet Höltkemeier. Das Problem daran: „Die Dienstleister verweisen in ihren Angeboten auf die neue Rechtslage“, so die Juristin. Doch das sei schlicht falsch. „Es gibt aktuell keinen Handlungsdruck für Betriebe, weil sich die Rechtslage in Deutschland aktuell nicht geändert hat.“ Eine Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung von Arbeitszeiten gäbe es derzeit nicht. „Es wäre also vorauseilender Gehorsam, wenn Betriebe jetzt in solche elektronischen Systeme investieren“, sagt die Juristin.

Wie ist die Arbeitszeiterfassung aktuell geregelt?

In Deutschland gibt es aktuell keine generelle Verpflichtung für Arbeitgeber, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Allerdings gibt es durchaus Handwerksbetriebe, die schon jetzt Dokumentationspflichten treffen. Die ergeben sich Höltkemeier zufolge aus dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz. „Daran hat sich durch das EuGH-Urteil nichts geändert“, betont die Juristin. Betroffene Betriebe müssten daher weiterhin den Beginn, das Ende und die Dauer der Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter festhalten.

Rechtsanwalt Sören Langner weist darauf hin, dass Arbeitgeber nach geltender Rechtslage noch aus einem anderen Grund entsprechende Dokumentationspflichten treffen können. „Arbeitgeber aller Branchen müssen Mehrarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes dokumentieren“, sagt der Jurist. Doch was bedeutet das?

Laut Arbeitszeitgesetz ist hierzulande an Werktagen eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden erlaubt. Kurzfristig kann sie werktags auf zehn Stunden ausgeweitet werden. Voraussetzung ist, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen einen entsprechenden Zeitausgleich einräumen.

„Die zulässige Wochenarbeitszeit liegt damit bei 48 Stunden“, erläutert Langner. Was darüber hinausgehe, sei Mehrarbeit, die dokumentiert werden müsse. Festzuhalten seien vom Arbeitgeber somit

  • Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter an Sonn- und Feiertagen sowie
  • Zeiten, die über die tägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehen.

Welche Folgen könnte das EuGH-Urteil langfristig haben?

Infolge des EuGH-Urteils besteht für Handwerksunternehmer kein Handlungsbedarf, aber das dürfte sich langfristig ändern. „Es wird für Arbeitgeber künftig eine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung geben, die aber mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Arbeitnehmer delegiert werden kann“, sagt Rechtsanwalt Sören Langner. Doch wie die Politik die Vorgaben der Luxemburger Richter im Einzelnen umsetze, bleibe abzuwarten.

In der Einführung einer verpflichtenden Arbeitszeitdokumentation sieht Langner auch Vorteile für Arbeitnehmer: „Sie werden Überstunden künftig einfacher geltendmachen können.“ Denn im Streitfall seien Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber in der Nachweispflicht. „Erfahrungsgemäß ist es für sie schwer, zu beweisen, dass und wie viele Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet waren“, sagt er. Gibt es jedoch eine vollständige Arbeitszeitdokumentation, werde dieser Nachweis künftig erleichtert.

Für Handwerksunternehmer, die sich schon jetzt für eine mögliche Gesetzesänderung wappnen möchten, hat Langner deshalb einen Tipp: „Prüfen Sie, was in den Arbeitsverträgen Ihrer Mitarbeiter zu Überstunden geregelt ist und wie die Stunden abgegolten werden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen.“

Cornelia Höltkemeier weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Fragen von Überstunden im Handwerk in der Regel durch tarifvertragliche Regelungen behandelt sind. „Auch hier muss das Zusammenspiel der neuen Regeln mit den tarifvertraglichen Regelungen erst abgewartet werden“, so die Juristin.

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