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SOKA BAU

Ey, Mann, haste mal 900 Euro?

Die Soka-Bau bittet zur Kasse, jetzt auch Ein-Mann-Betriebe. 900 Euro im Jahr sollen Solounternehmer zahlen – als Beitrag zur Berufsausbildung.

Die Sozialkassen der Bauwirtschaft (Soka-Bau) haben viele Aufgaben: Sie sichern die Urlaubsansprüche im Baugewerbe, kümmern sich um betriebliche Altersvorsorge und kontrollieren die Einhaltung der Mindestlöhne.

Finanziert werden diese Aufgaben und deren Verwaltung von beitragspflichtigen Betrieben. Die Liste der zahlungspflichtigen Soka-Gewerke ist lang und verwirrend: Aber im Prinzip gehört jeder dazu, der irgendwie Bauleistungen erbringt, von A wie Abdichtungsarbeiten bis Z wie Zimmerarbeiten.

Ausgenommen von Beitragszahlungen waren bisher nur Solounternehmer: Wer keine Mitarbeiter hat, musste auch nicht zahlen.

Das soll sich jetzt ändern: 900 Euro jährlich als Beitrag zur „branchenweiten Finanzierung der Berufsausbildung“ fordert die Soka-Bau ab sofort von Solounternehmern.

Die Soka-Bau rechnet den Beitrag jährlich ab, jeweils für den Zeitraum Oktober bis September. So sieht es jedenfalls der neue Paragraf 17 im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vor, mit dem dieser Beitrag eingeführt werden soll. Berechnet wird der Jahresbeitrag monatsweise: Für jeden angefangenen beitragspflichtigen Kalendermonat ist ein Zwölftel des Beitrags zu bezahlen, also 75 Euro monatlich.

Eine Besonderheit in 2015: Die neue Regelung soll ab 1. April gelten und der Beitrag erstmalig zum 30. September fällig werden. Entsprechend müssten Solounternehmer zu diesem Stichtag 450 Euro zahlen.

(Hinweis: Wir hatten hier fälschlicherweise einen Beitrag von 675 Euro vermeldet, der zum 30. September fällig wird. Richtig ist, dass Betroffene für den Zeitraum April bis September 450 Euro zahlen sollen, also jeweils 75 Euro für diese 6 Monate. Wir entschuldigen uns für diesen Fehler.)

Begründung: Solounternehmer profitieren von Fachkräften

Wie begründet die Soka-Bau den neuen Pflichtbeitrag für Solo-Selbstständige? Es geht um die Berufsausbildung: Die Soka-Bau finanziert aus Beiträgen auch überbetriebliche Ausbildungszentren und erstattet Ausbildungsbetrieben 17 Monate lang die Ausbildungsvergütung.

Diese Leistungen finanzierte sie bisher ausschließlich aus Arbeitgeberbeiträgen. Zahlen musste jeder Betrieb mit Arbeitnehmern, unabhängig davon, ob er ausbildet oder nicht. Folglich waren Solo-Selbstständige mangels Mitarbeitern nicht am „Berufsbildungsverfahren“ beteiligt.

Diesen Zustand wollen die Tarifparteien der Bauwirtschaft ändern. Begründet wird das laut Soka-Bau damit, dass Solo-Selbstständige „zukünftig auch von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren“.

Wer hat das beschlossen?

Rechtlich abgesichert ist das Ganze noch nicht. Die Soka-Bau ist zwar zuversichtlich, denn die 900-Euro-Regelung verkündete sie schon Ende Dezember auf ihrer Website als Fakt.

Tatsächlich haben sich bislang aber nur die Tarifparteien geeinigt – und das Vorhaben in den „Tarifvertrag über die Sozialkassenverfahren im Baugewerbe“ (VTV) gepackt. Damit gilt alles, zunächst einmal, nur für die Mitglieder der Tarifparteien.

Für alle anderen Betriebe verpflichtend würde der VTV erst durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) des Bundesarbeitsministeriums. Diese AVE ist zwar beantragt, aber noch steht sie aus.

Soka-Beiträge für Solounternehmer: Ist das rechtlich zulässig?

Allgemeinverbindlichkeitserklärung hin oder her – es gibt auch generelle Zweifel am Beitrag für Solounternehmer: „Das ist ein Vertrag zu Lasten Dritter“, betont Rechtsanwältin Ingrid Claas.

Faktisch hätten sich in diesem Fall die Tarifvertragsparteien, nämlich zwei Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaft IG BAU, darauf geeinigt, eine dritte Partei zu belasten: Solounternehmer, die weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer sind. „Warum soll also diese Regelung für Solounternehmer gelten?“, fragt die die Soka-Bau-Expertin.

Eindeutige Rechtsprechung

Dafür spreche nichts, dagegen einiges, sagt Claas: So sei im Tarifvertrag VTV unter dem Punkt „persönlicher Geltungsbereich“ nur von gewerblichen Arbeitnehmern und Azubis die Rede. Kein Wort von Solounternehmern.

Noch schwerer wiege die eindeutige Rechtsprechung, betont Claas: „Entscheidend für die Beitragspflicht ist die Bautätigkeit der gewerblichen Arbeitnehmer, nicht die des Chefs.“ So habe sie selbst schon einen Betrieb vertreten, dessen Chef persönlich den Bagger bediente. Dennoch war der Betrieb nicht beitragspflichtig, weil der einzige gewerbliche Arbeitnehmer etwas ganz anderes machte und nicht im Baubereich tätig war. „Damit war der Arbeitgeber auch nicht beitragspflichtig“, berichtet die Juristin. Umso schwerer verständlich sei es, dass die Soka-Bau jetzt Solounternehmer einbeziehen wolle.

Ob die neue Regelung vom Bundesarbeitsministerium dennoch abgesegnet wird? Das sei zu befürchten, sagt Claas, trotz großer Nachteile für sehr viele Solounternehmer. Zu kippen sei das Vorhaben dann nur noch auf dem Klageweg.

Profitieren Solounternehmer wirklich von der Ausbildung?

Rechtlich zweifelhaft ist das Vorhaben also. Aber vielleicht ist es ja zumindest sinnvoll. Lautet die Begründung der Soka-Bau doch, dass Solounternehmer „zukünftig auch von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren“.

Ist das wirklich so? Wir haben die Soka-Bau vor einer Woche um Zahlen gebeten. Bisher ohne Antwort.

Nur jeder zehnte Solo wird zum Arbeitgeber

Allerdings gibt es branchenübergreifende Werte: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat 2013 die Situation der Solounternehmer untersucht. Das Ergebnis: Die große Mehrheit ist auch nach fünf Jahren noch solo (rund 55%), wird selbst wieder Arbeitnehmer (rund 20 %), geht in Rente (9 %) oder meldet sich arbeitslos (rund 5 %).

Zum Arbeitgeber wird laut DIW nur jeder zehnte Solo-Selbstständige.

Was halten Sie von der neuen Abgabe zur Berufsausbildung?

Sollten sich Solounternehmer daran beteiligen? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!

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