In seinem früheren Leben war er Malermeister. 1983 hat Klaus Steinseifer den Betrieb seines Vaters übernommen – und vergrößert. Zeitweise hatte er bis zu 100 Mitarbeiter. Seit 1989 berät und qualifiziert Steinseifer Handwerksbetriebe.
Herr Steinseifer, die halbe Welt sucht verzweifelt nach guten Mitarbeitern. Und dann kommen Sie und behaupten, das sei gar nicht so schwierig. Wer soll das glauben?
Steinseifer: Als ich ein junger Unternehmer war, da gab es einen Minister namens Blüm. Für die Jüngeren: Das ist der Mann, der behauptet hat, dass die Renten sicher seien, obwohl auch schon damals der Begriff „demografischer Wandel“ die Runde machte. Dass es Folgen für den Arbeitsmarkt geben würde, war logisch. Und ich habe mich schon damals gefragt, wie ich einem Fachkräftemangel entgegenwirken kann. Aber offensichtlich war ich der Einzige.
Dann verraten Sie uns bitte die Lösung in zwei Sätzen.
Steinseifer: Zwei Sätze? Das ist anspruchsvoll.
Anspruchsvoll, aber machbar – lesen Sie die nächste Seite.
Zugpferde tragen keine Scheuklappen
Sie sind der Experte, da müssen zwei Sätze genügen.
Steinseifer (lacht): Gut. 1. Sie müssen eine Arbeitgebermarke aufbauen. 2. Sie benötigen nicht nur eine Imagebroschüre für Kunden, sondern auch eine für neue Mitarbeiter.
Für die Mitarbeiter? Klingt erst einmal überkandidelt. Reden wir überhaupt über kleine Betriebe, also über Unternehmer, die nur einen oder höchstens fünf Leute beschäftigen?
Steinseifer: Ja, ich habe den Betrieb meines Vaters mit vier Mitarbeitern übernommen. Wir sind dann kontinuierlich gewachsen.
Auf Ihrer Seminarankündigung steht der Punkt „Personalmanagement heißt, aktiv die Zukunft gestalten“. Aber interessiert potenzielle Fachkräfte nicht vor allem, was ich ganz aktuell vorweisen kann?
Steinseifer: Wer Unternehmer fragt, was sie denn für Zielpläne haben, hört häufig die Antwort: „Ich habe gar keine Zielpläne.“ Dann kann ich nur entgegnen: Warum soll ich mich als freier, guter und richtiger Mitarbeiter für Sie bei Ihnen bewerben, wenn Sie nicht wissen, wo Sie hinwollen? Denn ich will wissen, ob und wie sich das Unternehmen entwickelt, für das ich arbeiten soll.
Bitte? Soll sich der Unternehmer etwa beim Mitarbeiter bewerben? Lesen Sie die nächste Seite.
Das „Aha-Erlebnis“ für den Bewerber
Das klingt, als wenn sich der Unternehmer bewerben muss. Potenzielle Mitarbeiter fragen doch im Bewerbungsgespräch nicht danach, was ein Unternehmer von der Zukunft will.
Steinseifer: Das stimmt. Trotzdem sollte ein Unternehmer auch ungefragt vermitteln, was er will. Das ist dann eine Art „Aha-Erlebnis“ für den Bewerber. Das hat er noch nicht erlebt, da ist ein Unternehmer mit klaren Vorstellungen. Auch wenn er sich darüber nicht bewusst ist, will der Mitarbeiter selbstverständlich in einem modernen, zielorientierten Unternehmen arbeiten. Das Gegenteil ist der Arbeitsplatz, an dem ein Mitarbeiter heute nicht weiß, auf welcher Baustelle er morgen arbeiten soll.
Über welche Art von Zielen reden wir hier?
Steinseifer: Wo will ich hin? Was will ich erreichen? Ein Unternehmer sollte über seine ganz persönlichen Ziele nachdenken. Gibt es einen Zustand, den ich privat in 10 Jahren erreichen will? Soll es mir besser gehen als heute? Seinen Wunsch bringt er zu Papier – und entwickelt dann einen Weg dahin. Aus dem „wie“ ergibt sich wiederum eine Checkliste. Welche Kleinigkeit muss ich morgen erledigen, damit ich in 10 Jahren mein Ziel erreiche? Es geht um kleine Schritte. Die 10 Jahre lassen sich auf ein Jahr herunterbrechen, das Jahr auf 12 Monate, der Monat auf 4 Wochen, die Woche auf sieben einzelne Tage.
Ich hätte jetzt erwartet, dass ich als Unternehmer vor allem definieren muss, was ich von einem zukünftigen Mitarbeiter will.
Steinseifer: Was will der Unternehmer denn?
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Entscheidend ist die Inselfrage
Ein Unternehmer will eine Fachkraft, die erstklassig ausgebildet ist.
Steinseifer: Danach kann er lange suchen. Nein, was ein Chef benötigt, ist der richtige Mitarbeiter, einer der zu ihm passt, mit dem er gut zusammenarbeitet, mit dem er sich versteht. Der muss nicht erstklassig sein. Was den Leuten an fachlicher Kompetenz fehlt, können sie lernen. Den perfekten Mitarbeiter gibt es nicht, schließlich geht jedes Unternehmen die Dinge anders an, hat eventuell andere Abläufe, verwendet unter Umständen andere Maschinen und arbeitet vielleicht auch mit anderen Techniken.
Jetzt werden Ihnen Kfz-Mechanikermeister, Elektrohandwerker und die Chefs der SHK-Branche entgegnen, dass sie mittlerweile in Hightech-Berufen unterwegs sind – da ist doch die Qualifikation der entscheidende Faktor.
Steinseifer: Die Qualifikation ist natürlich ein absolut wichtiger Faktor. Aber entscheidend für jedes Bewerbungsgespräch ist die Inselfrage.
Ob ich mit einem Bewerber einsam auf einer Insel sitzen könnte, ohne ihn nach einem Tag zu erwürgen?
Steinseifer: Ja, so in der Art, unter extremen Bedingungen. Eine Woche, vier Quadratmeter, jeder hat einen Hammer in der Hand, mit dem er dem anderen den Kopf einschlagen könnte.
Die Inselfrage sollten sich vielleicht auch Ehekandidaten stellen.
Steinseifer: Genau. Wer einen Mitarbeiter einstellt, geht eine langfristige Beziehung ein. Das fängt doch schon bei der Ausbildung an. Wie suche ich meine Lehrlinge, wo finde ich meine Lehrlinge, was biete ich meinen Lehrlingen?
Zum Beispiel Geld?
Steinseifer: Im Prinzip ist das ein Ansatz – den aber fast alle Unternehmer falsch angehen. Sehen Sie, wenn ich Ziele formuliere, auch gegenüber den Auszubildenden, dann gehen die mit und sagen: „Na klar, Chef, ich erledige, was zu tun ist – aber was habe ich eigentlich davon, wenn wir unsere Ziele erreichen?“ Das müssen sie als Unternehmer beantworten können.
Nächste Seite: Der Mitarbeiter braucht keine „Leckerlis“, er braucht Erfolg.
Probier’s mal mit Gewinnbeteiligung
Wie lautet denn die Antwort, die der Unternehmer geben muss?
Steinseifer: Eine Antwort lautet: Gewinnbeteiligung. Generell geht es um Strukturen, die bei mir besser sind als beim Wettbewerber. Wohlgemerkt rede ich nicht über ein Prämienlohnsystem, über die Hundeleckerlis – die hasse ich wie die Pest. Die notwendigen Dinge, die zu tun sind, die erwarte ich einfach, dafür bekommt mein Mitarbeiter sein Salär und keine zusätzlichen Leckerlis. Aber was ich ihm gerne zusätzlich gebe, ist ein Anteil des Unternehmensgewinns. Die Botschaft dahinter ist absolut positiv, aus Sicht des Mitarbeiters: Ich gehöre dazu, nicht nur der Chef sonnt sich im Erfolg, sondern ich habe meinen Anteil daran.
Gibt es denn Beispiele von Handwerksunternehmern, die das erfolgreich praktizieren?
Steinseifer: Ja, zum Beispiel bei meinen SeminarteilnehmerInnen. Und das sind dann auch Betriebe, die ein gläsernes Unternehmen haben, die ganz offen darlegen, was verdient wird.
Na, ob das unter unseren Lesern gut ankommt, ist eher zweifelhaft.
Steinseifer: Gut, wer nicht partnerschaftlich denken mag, soll zweifeln. Stellen Sie sich einen Betrieb als einen dreidimensionalen Turm aus Glas vor. Ein Turm, der innen durchsichtig, aber nach außen abgeschottet ist. Die Mitarbeiter im Turm müssen wissen, welche Kosten entstehen. Und was der Chef verdient. Was sie selbst verdienen – und was sie damit wert sind. Und da kann man schon die Lehrlinge einbeziehen. Ein Lehrling sollte im dritten Lehrjahr in der Lage sein, eine kleine Baustelle selbst zu führen, zu organisieren, zu planen und nachzukalkulieren. Dann weiß er, was sich hinter dem Begriff „Deckungsbeitrag“ verbirgt. Und wie hoch der Anteil der Materialkosten ist.
Wäre das nicht ein Thema für die Berufsschule?
Steinseifer: Im Prinzip schon, aber wo passiert das? Wir haben das in meinen aktiven Zeiten als Handwerksmeister mit unseren Lehrlingen durchgezogen. Der Effekt: Der Nachwuchs konnte wesentlich mehr als andere junge Gesellen, wir konnten Sie übernehmen – und mit ihnen Karrierepläne für die Zukunft schmieden, wenn sie es wollten.
Nächste Seite: Korrekte Bewerber sind eine Rarität – aber an wem liegt das eigentlich?
Zwei Jahre genügen für den Imagewechsel
Nun gibt es ja den oft gehörten Einwand, dass Azubis nicht ausbildungsfähig seien. Gleichzeitig plädieren Sie dafür, dass sich die Betriebe quasi Allrounder heranziehen. Wie passt das zusammen?
Steinseifer: Das passt zusammen, weil das Gejammer über unfähige Jugendliche ohne jedes Benehmen blödsinnig ist. Wer mir erzählt, dass die Azubis außer Smartphones, Chillen und tollen Autos nicht viel im Kopf haben, dem kann ich nur sagen, dass er sich bitte an sich in seiner eigenen Ausbildung erinnern soll. Was hatte er denn im Kopf? War er anders? Nein, natürlich nicht, die Themen waren andere.
Es gibt aber Betriebe, die schon daran scheitern, dass einigermaßen korrekte Bewerber überhaupt zum Bewerbungsgespräch erscheinen.
Steinseifer: Na, so ein Zufall, damit sind wir wieder zum Anfang des Gesprächs zurückgekehrt …
… und zum Thema Arbeitgebermarke?
Steinseifer: Genau. Der Betriebsinhaber Meyer, bei dem sich keine guten Leute bewerben, sollte sich eine Frage stellen: Was habe ich für eine Marke in Bezug auf mein Mitarbeiterimage draußen im Markt? Nehmen wir einmal an, dem Gesellen eines Mitbewerbers gefällt es nicht mehr in seinem alten Betrieb, er hat sich meinetwegen über seinen Chef geärgert. Der Mann muss dann sagen: Heute Abend rufe ich beim Meyer an und frage, ob der mich gebrauchen kann. Dieser Gedanke muss in der Region und im Markt etabliert sein. Aber dahinter steckt ein langer Prozess von mindestens zwei Jahren.
Nächste Seite: Eine wirklich gute Nachricht – mit einem kleinen Haken.
Die Geheimniskrämerei muss aufhören
Nur zwei Jahre? Das ist ja die gute Nachricht des Tages.
Steinseifer: Man muss aber morgen damit beginnen – und wieder seine Ziele abstecken. Welche Ziele hat ein Unternehmer? Welche Ziele vermittelt er seinen Leuten? Wie arbeitet er mit ihnen zusammen? Was gibt es für Ablaufpläne? Die Organisation im Unternehmen ist extrem wichtig. Der Mitarbeiter muss sich wohlfühlen. Und er fühlt sich wohl, wenn er heute bereits weiß, in welcher Stadt er in der kommenden Woche auf welcher Baustelle arbeiten wird. Und welche Aufgabe er erledigen soll. Er kann sich gedanklich darauf vorbereiten, er arbeitet in einem gläsernen Unternehmen. Dann habe ich die Mitarbeiter auf meiner Seite und kann leicht eine Arbeitgebermarke aufbauen, weil die Mitarbeiter draußen positiv über ihr Unternehmen reden.
Was erzählen die Mitarbeiter denn im günstigsten Fall?
Steinseifer: Dass natürlich gearbeitet werden muss, wie überall, dass es aber viel mehr Spaß macht innerhalb eines tollen Betriebsklimas. Dass sie sich mit ihrem Chef super verstehen. Dass der Chef sie in seine Entscheidungen miteinbezieht. Natürlich ist der Unternehmer der entscheidende Faktor für ein Unternehmen. Aber deshalb muss er sich nicht hinter seinem Schreibtisch verstecken, im Stillen an Projekten und an der Legende von seiner eigenen Wichtigkeit arbeiten. Nein, die Geheimniskrämerei muss aufhören.
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