Der Citan ist ein vollwertiger Mercedes. Der Chef der Nutzfahrzeugsparte bei Mercedes, Volker Mornhinweg, betonte bei seiner Rede zur Vorstellung des neuen Nutzfahrzeugs immer wieder, wie viel Stuttgarter Knowhow doch in dem Lieferwagen stecke.
Der ehemalige Chef von AMG wusste, warum er die schwäbischen Kompetenzen wie Werthaltigkeit, Solidität und Zuverlässigkeit immer wieder bemühte. Denn in seinem Herzen ist der Citan eigentlich ein Franzose. Und zwar ein ziemlich lupenreiner. Denn der Citan läuft in der gleichen Fabrik vom gleichen Band wie sein Schwestermodell. Und das ist kein anderer als der Renault Kangoo. Da líegt ein vergleichender Blick auf die beiden Modelle nahe, zumal der Autor dieses Textes selber seit 120 000 Kilometern einen Kangoo durch die Gegend chauffiert.
Verwandtschaft
2010 verkündete Mercedes seine Kooperation mit dem französischen Autobauer. Den Stuttgartern fehlte in ihrem Portfolio ein eigener Stadtlieferwagen. Da die Zukunftsforscher hier die größten Wachstumsraten in Sachen Mobilität vorhersagen, musste man handeln. Also warum nicht gleich den Erfinder der Klein-Lieferwagen selber fragen? Die Franzosen, selber mit Nissan verbandelt, stimmten zu. Und so haben Renault Kangoo und Nissan NV 200 jetzt einen neuen Bruder, den Mercedes Citan.
Ähnlichkeiten
Wer den Kangoo kennt, den wird der Citan nicht überraschen. Mit Beginn des Septembers will der Citan die europäischen Innenstädte aufmischen. Und seine Chancen dazu stehen nicht schlecht. Die Stuttgarter lehnen sich eng an ihren französischen Partner an, kommen ebenfalls mit drei Fahrzeuglängen sowie drei Aufbauten daher. Es gibt den Citan als Kastenwagen, als kleine fünfsitzige Doppelkabine („Mixto“ genannt) sowie als PKW-ähnlichen Kombi mit fünf Sitzplätzen. Die Längen variieren von 3,94 m („Kompakt“) über 4,32 m („Lang“) bis zu 4,71 m („Extralang“).
Die größte Überraschung für alle Anhänger der Sternenflotte: Die Motoren bleiben ebenfalls unverändert, der Diesel-Pionier Mercedes übernimmt die Renault-Motoren. Der Citan 108 DCI besitzt eine Leistung von 55 kW (75 PS), der Citan 109 CDI hat 66 kW (90 PS), und der Citan 111 CDI will 81 kW (110 PS) auf die Straße bringen. Allen Dieseln gemein ist ihr Hubraum von 1,5 Litern. Dazu kommt in Kürze noch der Benziner als Citan 112 mit 84 kW (114 PS).
Im Stadverkehr von Kopenhagen wieselte der Citan behände durch die überall lauernden Fahrradfahr-Kolonnen, ließ sich auch von Zwischenspurts zur nächsten Ampel nicht aus der Ruhe bringen und geizte nicht zuletzt dank der optionalen Start-Stopp-Automatik und der serienmäßigen Schaltpunktanzeige mit dem öligen Brennstoff: Mercedes verspricht einen Bestwert von 4,3 l/100 km (Citan 108 und 109 mit BlueEfficiency-Ausstattung). Diesen „Rekord“ teilt sich der Motor natürlich mit seinem französischen Original.
Was macht den Citan zum Mercedes? Lesen Sie die nächste Seite.
Die Unterschiede zum Kangoo von Renault
Um den Stern auf die Front zu bekommen, wurde diese am deutlichsten verändert. Statt der französischen Kulleraugen empfängt den Betrachter ein wuchtiger Bug mit strengerem Blick in gefälliger Optik. Die Seiten- und Heckpartie blieb weitgehend unangetastet.
Im Innenraum werden Fahrer und Beifahrer im Renault Kangoo von einer wahren Plastikwelle erfasst. Diesem Muster bleibt auch der Mercedes Citan treu und setzt sogar noch eins drauf: Wo beim Kangoo in der Mitte des Armaturenbretts noch ein DIN A 4-taugliches Ablagefach für Ordnung im Innenraum sorgen soll, thronen beim Citan zwei Lüftungsdüsen. Das Ablagefach fiel dem Bestreben nach Unterschied zum Opfer.
Der Lichtschalter wanderte auf die Mercedes-typische linke Seite, der Bediensatellit fürs Radio ging ganz verloren. Mercedes-Fahrer fühlen sich auf Anhieb heimisch und werden nichts vermissen. Im direkten Vergleich jedoch fallen diese Maßnahmen eher als kontraproduktiv auf. Da hätte man sich gewünscht, Mercedes hätte sich eher der mangelnden Verstellbarkeit der Lenksäule angenommen. Leider Fehlanzeige, diese Schwäche teilen sich Mercedes und Renault.
Die Sitze sind neu gestaltet, wollen sich dank ausgeprägterer Seitenwangen und besserer Polsterung um mehr Komfort und Seitenhalt bemühen. Doch eine wirkliche Schwäche leistet sich der Kangoo hier eigentlich auch nicht, wie das eigene Popometer nach mehr als 100 000 Kilometern und einem Gewicht von mehr als 100 Kilo zu berichten weiß.
Ein großes Plus dagegen verdient sich der Citan in Sachen Fahrwerk, denn er kommt mit einem perfekt austarierten ESP um die Ecken geflitzt. Das wünscht sich der Kangoo-Fahrer vor allem bei Nässe schon lange. Während der Franzose also um jeden Elch einen großen und langsamen Bogen macht, ließ sich der Stuttgarter auch mit bösem Willen einfach nicht ins Kippeln bringen. Und in Sachen Bremsleistung schmeißt der Citan einen Anker aus, der auch großen Limousinen bestens zu Gesicht stehen würde.
Für kühle Rechner erfreulich: Die Serviceintervalle wurden auf beachtliche 40000 Kilometer ausgedehnt.
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Fazit: Der Stern punktet
Fazit
Die Wirkung des neuen Mercedes lässt sich am besten mit einer wahren Begebenheit beschreiben. Bei einer der ausgedehnten Probefahrten wurden wir in der dänischen Hauptstadt von einem holländischen VW-Caddy-Fahrer gestoppt, der sich von dem neuen Citan komplett begeistert zeigte und sofort sein Foto-Handy zückte.
Der Renault Kangoo ist gut, weil er preiswert, praktisch und technisch ausgereift ist. Der Mercedes Citan ist deswegen gut, weil er all das natürlich auch ist. Aber vor allem, weil er eben ein Mercedes ist.
Und ein letztes Superlativ hat der Citan noch zu bieten: Mit einem Einstandspreis von 14 660 Euro ist der kleine Transporter der mit Abstand preiswerteste aller Sternenträger.
Daten im Überblick:
Motor: 1,5-l-Diesel 108 CDI mit 55 kW (75 PS)
109 CDI mit 66 kW (90 PS)
111 CDI mit 81 kW (110 PS)
Benziner 112 mit 84 kW (114 PS)
Getriebe: 108 und 109 mit 5-Gang-Getriebe, 111 und 112 mit 6-Gang-Getriebe
Antrieb: Front
Verbrauch: ab 4,3 l/100 km (mit optionalem BlueEfficiency-Paket)
Preis: ab 14 660 (o.MWSt.)
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(lo)